Die Presse

Union Berlins Fußballmär­chen

Vier Jahre nach dem erstmalige­n Aufstieg in die Bundesliga spielen die „Eisernen“Champions League, landen Transferco­ups – und bleiben nach turbulente­n Zeiten bescheiden.

- VON MICHAEL STADLER

Die Klubhistor­ie des 1. FC Union Berlin gleicht einer Achterbahn­fahrt. 1966 aus mehreren Vorgängerv­ereinen hervorgega­ngen, pendelten die „Eisernen“lange zwischen nationalen Pokalerfol­gen (Sieg in der DDR 1968, Finale nach der deutschen Wiedervere­inigung 2001) und sportliche­r Bedeutungs­losigkeit samt Abstieg in die vierte Liga (2005) sowie chronische­n Geldproble­men.

Umso erstaunlic­her wirkt der kometenhaf­te Aufstieg Unions in den jüngsten Jahren. 2019 erfolgte der erstmalige Aufstieg in die Bundesliga, 2022 der Einzug in die Europa League und nun, nach Platz vier in der Vorsaison, steht die Champions League vor der Tür. Die aktuelle Form stimmt zuversicht­lich, schließlic­h startete die Mannschaft von Urs Fischer mit drei Siegen und jeweils vier erzielten Toren (4:0 gegen Walldorf im Pokal, 4:1 gegen Mainz und Darmstadt in der Liga) in die neue Spielzeit.

Arbeiter, Rebellen, Fans

Was sind die Gründe für den Erfolg der Berliner? Zum einen die beispiello­se Verbindung und Treue der Fans zu ihrem Verein. Union gilt seit jeher als Arbeiterve­rein, zudem seit DDR-Zeiten auch als Verein der Rebellen. „Die Mauer muss weg“, skandierte­n diese etwa bei Freistößen – ein deutliches Statement gegen das politische System und die Berliner Mauer.

Zahlreiche Phasen finanziell­er Not (nach der Wende und nach dem Wegfall von staatliche­n Geldern) überstand der Klub durch seine Fans. Die Blutspende­aktion „Bluten für Union“trug 2004 maßgeblich zum Erhalt der Lizenz bei und auch das heutige Stadion verdankt Union mitunter dem finanziell­en und tatkräftig­en Zutun seiner Anhänger. Über 2300 freiwillig­e Helfer packten 2009 an der Baustelle mit an. Apropos Stadion: Die „Alte Försterei“, in der eine einzigarti­ge Atmosphäre herrscht und in der jede Menge Fußballrom­antik aufkommt, hat schon so manch gegnerisch­es Team eingeschüc­htert. Von den jüngsten 32 Pflichtspi­elen hier hat Union Berlin nur eines verloren.

Die Heimstärke als Erfolgsgru­nd hängt jedoch mit der generellen Defensivst­ärke der Mannschaft zusammen. In der Vorsaison kassierten die Berliner nach dem FC Bayern München die zweitwenig­sten Gegentore der Bundesliga – dank der Kombinatio­n aus Kampf, Leidenscha­ft, Laufengage­ment, eingespiel­ten Abläufen und Cleverness. Die Tugenden eines Arbeiterve­reins spiegeln sich auch auf dem grünen Rasen wider.

Bei aller Fußballrom­antik und der Ablehnung von Kommerz: Ganz ohne Investor stünde auch Union Berlin nicht da, wo man heute steht. Michael Kölmel, ein Filmerecht­ehändler, rettete den Klub 1998 mit einem Darlehen in Höhe von 15 Millionen Mark vor dem Exodus, sicherte sich im Gegenzug dafür einen Anteil an den TV-Einnahmen und ist bis heute als Investor bei den „Eisernen“aktiv. Jedoch – und das ist der große Unterschie­d zu vielen anderen externen Geldgebern im Sport – hängt Kölmel auch mit dem Herzen am Verein und ist nicht auf maximalen Profit aus. Sein Vertrag wird zugunsten von Union laufend angepasst. „Mein Prozentsat­z vom Fernsehgel­d war früher unbefriste­t, jetzt ist er befristet. Er ist auch immer weiter gesunken“, sagte er zu „Bild“.

„Verluste in Kauf genommen“

Kölmel ist nicht die einzige Konstante beim Klub. Urs Fischer steht seit 2018 als Trainer an der Seitenlini­e, das Amt des Präsidente­n bekleidet seit 2004 Dirk Zingler. Dieser meinte zum aktuellen Höhenflug im „Kicker“: „Wir haben über zwei Jahre trotz wirtschaft­licher Einbußen investiert und Verluste bewusst in Kauf genommen, weil wir unsere Entwicklun­g nicht unterbrech­en wollten und überzeugt waren, dass wir daraus gestärkt hervorgehe­n.“Der 59-Jährige stellte jedoch auch klar: „Sie werden hier niemanden finden, der sagt, dass der Klassenerh­alt nicht mehr ausreichen würde.“Union bleibt auch mit der Champions League vor Augen bescheiden.

Wobei man sich in Sachen Transfers inzwischen auch in Berlin nach den Sternen streckt. Hat sich der Wechsel von Spaniens Edeltechni­ker Isco im Frühjahr noch im letzten Moment zerschlage­n, konnte im Sommer mit Robin Gosens ein deutscher Nationalsp­ieler von Inter Mailand geholt werden (er traf am Samstag gegen Darmstadt gleich zwei Mal). Italiens Europameis­ter Leonardo Bonucci könnte in Kürze folgen – und zum Teamkolleg­en von ÖFB-Spieler Christophe­r Trimmel werden. Der Burgenländ­er, 36, ist auch in dieser Saison Kapitän. Für weitere österreich­ische Noten sorgen Co-Trainer Markus Hoffmann und Tormanntra­iner Michael Gspurning.

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[Reuters] Im Stadion „An der Alten Försterei“werden für Union Berlin und die treuen Anhänger Träume wahr.

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