Die Presse

Österreich wird die Ukraine weiterhin unterstütz­en

Eineinhalb Jahre Krieg. Warum sich Österreich im Russland-Krieg gegen die Ukraine klar positionie­ren muss. Und warum das kein Widerspruc­h zur Neutralitä­t des Landes ist.

- VON DMYTRO KULEBA UND ALEXANDER SCHALLENBE­RG

Außenpolit­ik ist selten schwarz oder weiß. Vielmehr besteht unsere Welt, und damit auch die Außenpolit­ik, die trachtet sie zu gestalten, aus Grauschatt­ierungen und Nuancen. Es ist Aufgabe der Diplomatie, diese Schattieru­ngen zu analysiere­n und auf ihrer Basis Entscheidu­ngen zu treffen. Je komplexer die Welt, desto seltener sind Einteilung­en in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse, in Optimum und Pessimum. Doch es gibt sie noch, die Fälle, in denen solche Einteilung­en valide, ja sogar notwendig sind. Der brutale russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine, den Präsident Putin seit dem 24. Februar 2022 führt, ist ein solch seltenes Beispiel.

Eine simple Wahrheit

Der Grund für den völkerrech­tswidrigen und ungerechtf­ertigten Angriffskr­ieg kann nicht in Relativier­ungen oder der faktenfrei­en Behauptung einer ukrainisch­en Mitschuld gefunden werden. Genauso wenig in der Ausdehnung der Nato, der sich souveräne Staaten aus freien Stücken angeschlos­sen haben. Der Grund für den Angriffskr­ieg ist die neoimperia­listische Aggression, die Präsident Putin seit 18 Monaten antreibt. Diese simple Wahrheit muss auch eineinhalb Jahre nach Kriegsbegi­nn wiederholt werden. Besonders in diesen Tagen.

Denn am 24. August beging die Ukraine ihren Unabhängig­keitstag. In diesem Jahr kommt dem Gedenken der ukrainisch­en Unabhängig­keit eine besondere Bedeutung zu, denn sie fällt mit dem traurigen Meilenstei­n von eineinhalb Jahren Krieg in Europa zusammen.

Vor 32 Jahren, am 25. August 1991 hat Russland die Unabhängig­keit der Ukraine anerkannt, und ihre Souveränit­ät und territoria­le Integrität bekräftigt. Am 24. Februar 2022 hat Präsident Putin, in völliger Missachtun­g dieser historisch­en Tatsachen, seinen Angriffskr­ieg entfacht. Intendiert als Blitzkrieg, hat sich der russische Überfall zu einem zähen Abnützungs­krieg gewandelt. Während Russland seine besondere Verantwort­ung für Frieden und Sicherheit, als ständiges Mitglied des UN-Sicherheit­srates, derart mit Füßen tritt, steht die freie Welt solidarisc­h an der Seite der angegriffe­nen Ukraine.

Kolossale Fehleinsch­ätzung

Putin hat mit seiner kolossalen kriegerisc­hen Fehleinsch­ätzung nicht nur Russland ins internatio­nale Abseits gestellt. Er hat vielmehr zur außen- und sicherheit­spolitisch­en Stärkung der EU, zur Vergrößeru­ng der Nato und zum EU-Beitrittsk­andidatens­tatus für die UA beigetrage­n. Die EU war nie so geeint und entschloss­en wie heute, die Ukraine, diesen Inbegriff einer europäisch­en Nation, zu unterstütz­en und in ihrer Mitte aufzunehme­n. Es wird unsere wesentlich­ste Aufgabe als EU sein, diese Geschlosse­nheit aufrechtzu­erhalten, während die Ukraine ihren europäisch­en Weg weiter beschreite­t. Österreich wird die Ukraine auf diesem Weg unterstütz­en.

Und immer noch fragen manche, wieso sich Österreich zum russischen Angriffskr­ieg klar positionie­ren muss. Die Antwort ist ganz einfach: Weil es auch um Österreich­s Sicherheit geht, und um das System einer regelbasie­rten, internatio­nalen Ordnung, in der das Prinzip Pacta sunt servanda gilt. Dieses Fundament ist für einen Staat wie Österreich mit neun Millionen Einwohnern, im Zentrum dieses Kontinents, überlebens­wichtig.

Und das hat mitnichten etwas mit Österreich­s Neutralitä­t zu tun. Denn das militärisc­h neutrale Österreich war in seiner Geschichte noch nie gesinnungs­neutral. Was hat das junge Österreich getan, als 1956 sowjetisch­e Panzer durch Budapest gerollt sind, kaum ein Jahr nach der Wiedererla­ngung der österreich­ischen Souveränit­ät und der Annahme des Bundesverf­assungsges­etzes über die immerwähre­nde Neutralitä­t? Es hat nicht nur jede Resolution in der UNOGeneral­versammlun­g gegen die Sowjetunio­n unterstütz­t, sondern sogar eine eigene eingebrach­t.

Kein falscher Frieden

Viele – auch in Österreich – rufen heute nach sofortigem Frieden. Ein Ruf, in den wir alle gern einstimmen würden. Doch wenn Waffenstil­lstand faktisch Anerkennun­g gewaltsame­r Eroberunge­n bedeutete, wenn das Unrecht „eingefrore­n“würde, dann wäre das kein Friede. Vielmehr würde ein solcher Zustand die Eroberungs­lust des Kremls weiter anregen und Keim zukünftige­r Aggression sein. Aus ukrainisch­er Sicht hieße das Kapitulati­on, die ein Überleben in Unabhängig­keit und Freiheit unmöglich macht. Wer sofortigen Frieden fordert, meint es vielleicht gut, unterstütz­t aber in Wirklichke­it Russland. Frieden und Appeasemen­t sind nicht gleichbede­utend.

Vielmehr braucht es einen umfassende­n, gerechten und dauerhafte­n Frieden, wie er im ZehnPunkte-Friedenspl­an von Präsident Selenskij angelegt ist. Österreich unterstütz­t diesen Ansatz. Einen stabilen, dauerhafte­n Frieden wird es am Ende nur am Verhandlun­gstisch geben.

Unser gemeinsame­s Ziel bleibt deshalb unveränder­t: die Wiederhers­tellung der Souveränit­ät und territoria­len Integrität der Ukraine in ihren internatio­nal anerkannte­n Grenzen. Die Unabhängig­keit der Ukraine. Bis dahin steht Österreich weiter unverbrüch­lich an der Seite der Ukrainerin­nen und Ukrainer.

As long as it takes.

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