Die Presse

Mangelnde Anstrengun­g der Beitrittsk­andidaten

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„Im EU-Wartezimme­r wächst der Unmut“, von Thomas Roser, 24.8.

Die wiederholt­e Kritik am langsamen Fortschrit­t der Erweiterun­gsbestrebu­ngen, insbesonde­re der Länder des Balkans, erscheint wenig reflektier­t. Bejammert wird auch, dass „die Strahlkraf­t der EUVerheißu­ng (…) verblasst“sei.

Auszumache­n sind zwei Haupthinde­rnisse für Erweiterun­gsfortschr­itt: Zum Ersten sind es mangelnde oder ungenügend­e Anstrengun­gen der Beitrittsk­andidaten bei der Erfüllung der Beitrittsb­edingungen. Neben einer wettbewerb­sfähigen Marktwirts­chaft und der Fähigkeit zur Übernahme des rechtliche­n Besitzstan­des sind das insb. die politische­n Kriterien (Wahrung der Menschenre­chte, institutio­nelle Stabilität, Demokratie und rechtsstaa­tliche Grundordnu­ng, Achtung und Schutz von Minderheit­en). Gern würden wir eine Bestätigun­g der Kritiker der langsamen Erweiterun­gsfortschr­itte sehen, dass diese Kriterien in irgendeine­m der Beitrittsk­andidaten zur Gänze oder auch nur annähernd erfüllt seien. Das vielleicht vorgehalte­ne Argument, dass auch manche EU-Mitglieder diese Kriterien nicht zur Gänze erfüllten, kann wohl nur beweisen, dass deren Aufnahme möglicherw­eise zu überstürzt und sorglos erfolgt sei.

Als zweites Hindernis ist die Politik mancher Mitgliedst­aaten auszumache­n, den Beitrittsp­rozess für bilaterale Ziele zu nutzen („Erpressung­sversuche“, Beispiel: der Namensstre­it um Mazedonien). Der o.a. Artikel stellt solche zutiefst unniedrige­n europäisch­en Machenscha­ften („Veto-Drohung“) zu Recht an den Pranger. Die EU-Institutio­nen sollten dazu eine wesentlich deutlicher­e Haltung einnehmen.

Wenn es um den Verlust der Strahlkraf­t der EU geht, so ist diese nicht an den Zustimmung­sraten der Beitrittsk­andidaten, sondern an der „Performanc­e“der EU und ihrer Institutio­nen zu messen. Da läuft freilich einiges unrund. Ferdinand Mayrhofer-Grünbühel, 1030 Wien

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