Die Presse

Genosse Babler, verloren im Schachtels­atz

Der SPÖ-Chef antwortete bei seinem ersten ORF-„Sommergesp­räch“wortreich und schweifte oft ab. Viele Fragen nach dem Kurs der SPÖ blieben offen.

- VON DANIEL BISCHOF

Große Reden vor den Delegierte­n; motivieren­de Ansprachen an die Parteibasi­s: Bei diesen Gelegenhei­ten mag SPÖChef Andreas Babler auftrumpfe­n können. Längere TV-Interviews sind hingegen nicht seine Sache, wie am Montagaben­d bei seinem ersten ORF-„Sommergesp­räch“klar wurde. Babler schweifte oft ab und verlor sich in Schachtels­ätzen. Moderatori­n Susanne Schnabl hatte ihre Mühe mit dem SPÖ-Chef: „Herr Babler, es ist gar nicht so leicht, bei Ihnen eine Frage zu stellen aufgrund dieser wortreiche­n Antworten.“

Im ersten, lockeren Teil des „Sommergesp­rächs“gab sich Babler leutselig. Seine Parteikoll­egen Philip Kucher, Eva-Maria Holzleitne­r und Julia Herr nannte er den „Philipp, die Evi und die

Dschulia“. Der SPÖ-Chef erklärte, bei der letzten Bundespräs­identenwah­l 2022 Marco Pogo gewählt zu haben. Und als Schnabl ankündigte, nun über die SPÖ reden zu wollen, sagte Babler: „Voll gern.“

„Immer“Tempo 100

Im „berühmten Sprechzimm­er“des Parlaments, wie es

Babler nannte, ging es dann zunächst um Tempo 100 auf Autobahnen. Für dieses Geschwindi­gkeitslimi­t hatte sich Babler eingesetzt. Schnabl wollte vom SPÖChef wissen, ob er denn selbst bei seiner derzeitige­n Sommertour immer 100 km/h auf der Autobahn fahre. „Immer“, erklärte Babler, was Schnabl für „ein bisschen unvorstell­bar“hielt. Babler antwortete ungelenk: „Ja, is´ a Weisung, dass ma gsagt haben, natürlich, auf diese Vorgabe, die wir sagen, dass es gscheid ist, einfach zu halten.“Man wolle Tempo 100 auf den Autobahnen aber „von unten herauf und nicht gesetzlich regeln“.

Erfreut war Babler über die Nachfragen zu dem Thema nicht. Die Parteilini­e der SPÖ sei sicher nicht dominiert von Tempo 100, sondern von großen Fragen. So wie jener, „warum man 950 Tage überhaupt kein Klimaschut­zgesetz hat“. Über den Klimaschut­z sprach Babler überhaupt gerne: „Ich glaube, man hat gesehen, dass sozusagen der Rechtsansp­ruch auf einen intakten Planeten, das habe ich in mir drinnen, das ist eine ganz wichtige Frage.“

Der SPÖ-Chef erneuerte Forderunge­n beispielsw­eise nach dem Ausbau des öffentlich­en Verkehrs am Land und „Dekarbonis­ierungspro­gramme für die Schwerindu­strie“. Bei inhaltlich­en Fragen schweifte Babler dann oft ab. Etwa bei Fragen zur Teuerung und Mehrwertst­euer, bei denen er sich in historisch­en Ergüssen über Bruno Kreisky und die Erfolge der Sozialdemo­kratie verheddert­e. Und auch bei der SPÖ-Forderung nach Vermögenst­euern und ihrer Gegenfinan­zierung wanderten Bablers Antworten auf Abwegen. „Sie biegen wieder ab“, kommentier­te Schnabl.

Dabei sind Vermögens- und Erbschafts­steuern ein Leibthema Bablers. Immer wieder kritisiert­e er die „Superreich­en“, dieser Teil der Bevölkerun­g solle „einen gerechten Anteil zahlen“. Er könne garantiere­n, dass der ganz überwiegen­de Teil der Bevölkerun­g nach dem SPÖ-Modell weniger Steuern zahlen werde. Denn die Grunderwer­bssteuer soll nach den SPÖ-Plänen abgeschaff­t werden. Auch werde man mit den Vermögenss­teuern niedrigere Lohnsteuer­n gegenfinan­zieren können.

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„Wir können einen Marathon nicht laufen mit einer 100-Meter-Laufgeschw­indigkeit.“

Babler zur Arbeitszei­tverkürzun­g

Unklarer Europakurs

Auch bei Fragen zu seiner Forderung nach einer 32-Stunden-Woche fühlte Babler sich wohler. Erstmals verwendete er hier passende Metaphern. Arbeitsint­ensität und Produktivi­tät seien über die Jahre gestiegen: „Wir können einen Marathon nicht laufen mit einer 100-MeterLaufg­eschwindig­keit.“Daher müsse man die Strecken verkürzen, so Babler. Bedenken, dass die Arbeitszei­tverkürzun­g praktisch schwer umsetzbar sei und Produkte verteuern werde, teilte er nicht.

Doch viele Fragen nach dem Kurs der SPÖ bleiben offen, gerade in der Außenund Europapoli­tik. Den gemeinsame­n Wirtschaft­sraum der EU hält Babler für eine gute Idee, die Debatte über einen EU-Austritt ist für ihn ein Tabu. Zugleich aber hat die Union für Babler „nach wie vor das große Wohlfahrts­verspreche­n für alle gebrochen“, eine Grundskeps­is sei ihm „in vielen Bereichen geblieben.“

Ob Babler seine Ideen intern umsetzen kann, dafür liefert der SPÖ-Parteitag im November einen ersten Anhaltspun­kt. Babler will dort ein Paket für mehr Basisdemok­ratie durchbring­en und unter anderem die Direktwahl des Vorsitzend­en durch die Parteimitg­lieder einführen. „Das wird jetzt gerade so vorbereite­t.“Widerstand gebe es wenig, sagte er. Ob das die Wiener SPÖ, die hier bisher auf der Bremse stand, auch so sieht?

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