Frankreich verbietet Abayas in Schulen
Immer mehr Schülerinnen kamen zuletzt in religiösen Umhängen zum Unterricht. Der Bildungsminister schreitet nun ein.
Paris. Nach einem Verbot islamischer Kopftücher und anderer Verschleierungen will Frankreich auch das Tragen von langen Kleidern im Stil der Abayas in Schulen untersagen. Damit reagiere die Republik auf sich häufende Provokationen, rechtfertigte der neue Erziehungsminister, Gabriel Attal, seinen Beschluss.
Mit dem expliziten Verbot kommt er dem eindringlichen Wunsch zahlreicher Schulleiter entgegen, die sich über die bisherige Rechtsunsicherheit in dieser Frage beklagt hatten. Unklar war die Frage, ob diese bis zu den Füßen reichenden Gewänder – namentlich „Abaya“für Frauen und „Qami“für Männer – auf einem religiösen Gebot im Islam beruhen. Nicht dieser Meinung ist der Repräsentative Rat der Muslime in Frankreich (CFCM), für den die Abaya keine spezifisch muslimische Kleidung darstellt. Und darum sieht der CFCM auch keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Zunahme um 100 Prozent
Ostentative Zeichen einer religiösen Zugehörigkeit sind per Gesetz aus den öffentlichen Schulen verbannt. „Wenn ein Lehrer das Klassenzimmer betritt, soll er nicht auf den ersten Blick die Religion seiner Schülerinnen und Schüler erkennen können“, argumentiert Attal. In diesem Sinne hat er mit dem expliziten Verbot vor allem eine von den lokalen Schulleitungen gewünschte Klärung geliefert. Einen neuen Paragrafen braucht es seiner Darstellung nach dazu nicht, ihm zufolge reicht das Gesetz von 2004 be
reits, weil darin keine ausführliche Liste der nicht zulässigen Bekleidungen aufgeführt ist.
Die Beschwerden wegen Verstößen gegen die Laizität, die strikte religiöse Neutralität in den staatlichen Schulen, haben laut einem von mehreren Medien zitierten internen Zirkular des Erziehungsministeriums um mehr als 100 Prozent
zugenommen: von 2167 für 2021/2022 auf 4710 für 2022/2023. Staatspräsident Emmanuel Macron warnte, das nationale Bildungssystem sei wegen zunehmender islamischer Kleider in Schulen „mit einer Epidemie konfrontiert“. „Unser Schulsystem wird getestet. Wir wissen, dass in den vergangenen Monaten religiöse Bekleidungen wie Abaya und Qami in gewissen Schulen aufgetaucht sind. Wir werden dem entschieden die Stirn bieten“, hatte Attal bereits am Donnerstag den in der Sorbonne versammelten Rektoren angekündigt.
Sein Vorgehen entspricht der Politik der vergangenen drei Jahrzehnte, in denen islamische Kopftücher in Schulen sowie den Verwaltungen und die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit sukzessive verboten worden sind. Zweifellos wird dem Erziehungsminister in den kommenden Tagen auch vorgeworfen werden, er habe mit seinem resoluten Vorgehen dem Druck von Rechtspopulisten nachgegeben, die von einer „Gefahr der Islamisierung“sprechen.
Positive Reaktion in Schulen
Positiv sind die Reaktionen auf das Verbot seitens der Schulleitungen, die sich bisher im Stich gelassen gefühlt haben. Die Lehrergewerkschaften haben Attals Entscheid ebenfalls begrüßt, doch es wird auch betont, dass in jedem Fall der Dialog mit den betroffenen Familien einer Sanktion vorzuziehen sei.
Aus eigener Erfahrung meint in „Le Monde“der Lehrer RémyCharles Sirvent, „in neun von zehn Streitfällen“könnten die Schulbehörden im Gespräch eine Lösung finden. Zudem müsse vermieden werden, dass wegen solcher Konflikte Schülerinnen und Schüler aus dem Bildungssystem der Republik ausgeschlossen und in private religiöse Einrichtungen ausgegrenzt werden.