Die Presse

Londons Labour-Bürgermeis­ter weitet City-Maut aus

Erweiterun­g der Umweltzone auf das gesamte Stadtgebie­t tritt in Kraft. Premier Sunak gibt sich als Advokat der Autofahrer.

- Von unserem Korrespond­enten PETER STÄUBER

London. Der Londoner Bürgermeis­ter Sadiq Khan hat sich am Ende durchgeset­zt, sehr zur Konsternat­ion des Premiermin­isters. Am Dienstag wird die kontrovers­e „Ultra Low Emission Zone“(ULEZ) auf die gesamte britische Hauptstadt ausgeweite­t. Das heißt: Ab sofort werden Autos mit Verbrenner-Motoren auf dem gesamten Londoner Stadtgebie­t zur Kasse gebeten. Der Labour-Bürgermeis­ter war dafür heftig unter Beschuss gekommen, nicht zuletzt von Rishi Sunak selbst. Dieser sagte, er „stehe auf der Seite der Autofahrer“. Er forderte Khan auf, die Ausweitung zu überdenken. Aber dieser hielt Kurs: Khan hält ULEZ für eine zentrale Maßnahme, um die Luftqualit­ät in London zu verbessern.

Maut für 700.000 Autofahrer

Die ursprüngli­che ULEZ wurde 2019 eingeführt, sie galt damals nur im Zentrum der britischen Hauptstadt. Es ist eine Abgabe für Dreckschle­udern: Autos, die nicht der Schadstoff­klasse Euro 4 entspreche­n (Euro 6 für Dieselmoto­ren), müssen pro Tag 12.50 Pfund zahlen, wenn sie in dieser Zone unterwegs sind. Betroffen sind in der Regel Fahrzeuge, die vor 2005 zugelassen wurden. Die Folgen waren spürbar. Laut Angaben des Bürgermeis­teramts sind im ULEZ-Gebiet an einem durchschni­ttlichen Tag 47.000 weniger alte, abgasinten­sive

Autos unterwegs als vor Einführung der Maut. Auch sei die Konzentrat­ion von Stickstoff­dioxid merklich zurückgega­ngen.

So entschied sich Khan im Vorjahr, ganz London – 500 Quadratkil­ometer – zur Niedrig-Abgas-Zone zu machen. „Die Ausweitung wird es fünf Millionen Londonern ermögliche­n, saubere Luft zu atmen“, sagte er. Es wird geschätzt, dass ab Dienstag fast 700.000 Autofahrer in den äußeren Stadtbezir­ken die Maut bezahlen müssen.

Die Erweiterun­g stieß mancherort­s auf heftigen Widerstand. In den vergangene­n Monaten hat es immer wieder Proteste gegeben. Viele Kraftfahre­r klagen, dass die Gebühr ärmere Leute bestraft, die für ihren Beruf auf das Auto oder den Lieferwage­n angewiesen sind. Es gibt zwar eine Abwrackprä­mie, um ihnen unter die Arme zu greifen. Aber die 2000 Pfund, die man beantragen kann, reichen kaum aus für einen neuen Wagen.

Ablehnung im Speckgürte­l

Auch in Gebieten rund um die Hauptstadt stößt ULEZ bei vielen auf Ablehnung. Manche Regionalbe­hörden in den an London angrenzend­en Grafschaft­en haben sich sogar aus Protest geweigert, an den Straßen entspreche­nde ULEZWarnsc­hilder anzubringe­n.

Dass die Tory-Regierung unter Rishi Sunak so vehement gegen Khans Pläne angekämpft hat, hat auch mit politische­m Kalkül zu tun: Sie hofft, so Wähler zu gewinnen – oder zumindest zu verhindern, dass sie zu Labour überlaufen. Dass dies funktionie­ren könnte, zeigte die Nachwahl im Londoner Stadtteil Uxbridge Ende Juli: Der Widerstand gegen die ULEZ-Erweiterun­g in diesem Wahlkreis sorgte dafür, dass die Tories den Unterhauss­itz halten konnten.

Allerdings stößt die Umweltmaßn­ahme bei den Londonern insgesamt auf breite Zustimmung: Eine Umfrage Ende Juni kam zum Ergebnis, dass 57 Prozent der Bevölkerun­g die ULEZ unterstütz­en. Angesichts der miesen Luftqualit­ät in der Metropole überrascht das kaum: 2019 kam eine Studie zum Schluss, dass Luftvergif­tung zum frühzeitig­en Tod von rund 4000 Londonern beigetrage­n hat.

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