Londons Labour-Bürgermeister weitet City-Maut aus
Erweiterung der Umweltzone auf das gesamte Stadtgebiet tritt in Kraft. Premier Sunak gibt sich als Advokat der Autofahrer.
London. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan hat sich am Ende durchgesetzt, sehr zur Konsternation des Premierministers. Am Dienstag wird die kontroverse „Ultra Low Emission Zone“(ULEZ) auf die gesamte britische Hauptstadt ausgeweitet. Das heißt: Ab sofort werden Autos mit Verbrenner-Motoren auf dem gesamten Londoner Stadtgebiet zur Kasse gebeten. Der Labour-Bürgermeister war dafür heftig unter Beschuss gekommen, nicht zuletzt von Rishi Sunak selbst. Dieser sagte, er „stehe auf der Seite der Autofahrer“. Er forderte Khan auf, die Ausweitung zu überdenken. Aber dieser hielt Kurs: Khan hält ULEZ für eine zentrale Maßnahme, um die Luftqualität in London zu verbessern.
Maut für 700.000 Autofahrer
Die ursprüngliche ULEZ wurde 2019 eingeführt, sie galt damals nur im Zentrum der britischen Hauptstadt. Es ist eine Abgabe für Dreckschleudern: Autos, die nicht der Schadstoffklasse Euro 4 entsprechen (Euro 6 für Dieselmotoren), müssen pro Tag 12.50 Pfund zahlen, wenn sie in dieser Zone unterwegs sind. Betroffen sind in der Regel Fahrzeuge, die vor 2005 zugelassen wurden. Die Folgen waren spürbar. Laut Angaben des Bürgermeisteramts sind im ULEZ-Gebiet an einem durchschnittlichen Tag 47.000 weniger alte, abgasintensive
Autos unterwegs als vor Einführung der Maut. Auch sei die Konzentration von Stickstoffdioxid merklich zurückgegangen.
So entschied sich Khan im Vorjahr, ganz London – 500 Quadratkilometer – zur Niedrig-Abgas-Zone zu machen. „Die Ausweitung wird es fünf Millionen Londonern ermöglichen, saubere Luft zu atmen“, sagte er. Es wird geschätzt, dass ab Dienstag fast 700.000 Autofahrer in den äußeren Stadtbezirken die Maut bezahlen müssen.
Die Erweiterung stieß mancherorts auf heftigen Widerstand. In den vergangenen Monaten hat es immer wieder Proteste gegeben. Viele Kraftfahrer klagen, dass die Gebühr ärmere Leute bestraft, die für ihren Beruf auf das Auto oder den Lieferwagen angewiesen sind. Es gibt zwar eine Abwrackprämie, um ihnen unter die Arme zu greifen. Aber die 2000 Pfund, die man beantragen kann, reichen kaum aus für einen neuen Wagen.
Ablehnung im Speckgürtel
Auch in Gebieten rund um die Hauptstadt stößt ULEZ bei vielen auf Ablehnung. Manche Regionalbehörden in den an London angrenzenden Grafschaften haben sich sogar aus Protest geweigert, an den Straßen entsprechende ULEZWarnschilder anzubringen.
Dass die Tory-Regierung unter Rishi Sunak so vehement gegen Khans Pläne angekämpft hat, hat auch mit politischem Kalkül zu tun: Sie hofft, so Wähler zu gewinnen – oder zumindest zu verhindern, dass sie zu Labour überlaufen. Dass dies funktionieren könnte, zeigte die Nachwahl im Londoner Stadtteil Uxbridge Ende Juli: Der Widerstand gegen die ULEZ-Erweiterung in diesem Wahlkreis sorgte dafür, dass die Tories den Unterhaussitz halten konnten.
Allerdings stößt die Umweltmaßnahme bei den Londonern insgesamt auf breite Zustimmung: Eine Umfrage Ende Juni kam zum Ergebnis, dass 57 Prozent der Bevölkerung die ULEZ unterstützen. Angesichts der miesen Luftqualität in der Metropole überrascht das kaum: 2019 kam eine Studie zum Schluss, dass Luftvergiftung zum frühzeitigen Tod von rund 4000 Londonern beigetragen hat.