Das libysche Tabu: Die Geheimkontakte mit Israel
Außenministerin Mangusch setzte sich nach Protesten wegen ihres Treffens mit ihrem israelischen Kollegen in Rom in die Türkei ab.
Kaum war die Nachricht vom Geheimtreffen in Rom zwischen Nadschla Mangusch und Eli Cohen in der Welt, war der Mob in der libyschen Hauptstadt Tripolis auf der Straße. Bei spontanen Protesten schwenkten Demonstranten palästinensische Fahnen, blockierten Straßen, steckten Reifen in Brand, sodass schwarze Rauchsäulen aufstiegen. Premier Abdulhamid Dbaiba suspendierte erst seine Außenministerin von ihrem Amt, um sie später zu entlassen und seinen eigenen Kopf zu retten. Der Parlamentssprecher warf ihr „Hochverrat“vor. Da hatte sich Mangusch Montag früh bereits aus Furcht um Leib und Leben erst einmal in die Türkei abgesetzt.
Eli Cohen, der israelische Außenminister, hatte am Sonntagabend die „Bombe“von dem vom italienischen Außenminister Antonio Tajani eingefädelten Gespräch in Rom platzen lassen. Die Kontakte, behauptete er, waren auf „höchster Ebene“akkordiert. In Tripolis will die Regierung davon nichts wissen: Es habe sich lediglich um ein zufälliges Treffen am Rande gehandelt, so die Sprachregelung. Eine Normalisierung mit Israel dementierte das Außenministerium in Tripolis rundweg.
Abraham-Abkommen
Israels Außenminister erklärte, die Unterredung habe rund zwei Stunden gedauert, und es sei um israelische Hilfe für Libyen gegangen, um eine Unterstützung für die Landwirtschaft und Wasserwirtschaft sowie um die Bewahrung des jüdischen Erbes. Cohen bezeichnete das Gespräch als „historisch“und als ersten Schritt einer Annäherung. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan hat Israel in den vergangenen Jahren im Rahmen der Abraham-Abkommen Friedensverträge
unterzeichnet. Auch mit Saudiarabien sind mittlerweile Geheimgespräche im Gang.
Cohen musste sich indessen seinerseits Kritik von der Opposition in Jerusalem gefallen lassen. Es sei „amateurhaft“und „unverantwortlich“, mit dem Treffen in die Öffentlichkeit zu gehen, warf ihm Jair Lapid vor. Der Oppositionsführer, zuvor selbst Außenminister, forderte Cohen zum Rücktritt auf.
Hinter den Kulissen haben sich die Kontakte zwischen Libyen und Israel, offiziell tabu, bereits seit Längerem angebahnt. Das Gaddafi-Regime hatte Tausende Juden vertrieben und Synagogen zerstört. Gaddafi machte sich stets für die Sache der Palästinenser stark, er trat für die Errichtung eines Staats Isratine ein, eine Verschmelzung Israels und Palästinas. GaddafiSohn Saif zog später selbst Fäden zu Israel, er galt als Verbindungsmann und war jahrelang mit einer israelischen Schauspielerin liiert.
In den vergangenen Jahren suchte vor allem General Khalifa Haftar den Kontakt zu Israel. Der Warlord und Führer der aufständischen Truppen mit Sitz in Tobruk, der Teile des Landes kontrolliert, schickte einen Sohn nach Israel, um eine Normalisierung der Beziehungen im Austausch gegen militärische und diplomatische Hilfe einzuleiten. Ein Flugzeug, das auf den Namen Haftars zugelassen ist, soll einen Zwischenstopp am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv eingelegt haben. Nach israelischen Medienberichten soll im Jänner 2022 Mossad-Chef David Barnea überdies mit Regierungschef Dbaiba zusammengetroffen sein.
Machtkampf in Tripolis
Die diplomatische Premiere zwischen Tripolis und Jerusalem legt die Rivalitäten innerhalb der libyschen Führung offen. Nach Ansicht von Experten nutzen Gegner des Premiers im Zuge eines Machtkampfs mit Haftar und anderen Milizen die Gelegenheit, um Dbaiba anzuschwärzen. Der „diplomatische Fauxpas“sei ein „Geschenk des Himmels“. Dbaiba hat Nadschla Mangusch losgeschickt, um über das Treffen mit Eli Cohen die langfristige Unterstützung der USA für den maroden Staat sicherzustellen. Nun ist Mangusch, das Bauernopfer, ihren Job los – und die Beziehungen mit Israel sind demoliert.