Die Presse

Das libysche Tabu: Die Geheimkont­akte mit Israel

Außenminis­terin Mangusch setzte sich nach Protesten wegen ihres Treffens mit ihrem israelisch­en Kollegen in Rom in die Türkei ab.

- VON THOMAS VIEREGGE

Kaum war die Nachricht vom Geheimtref­fen in Rom zwischen Nadschla Mangusch und Eli Cohen in der Welt, war der Mob in der libyschen Hauptstadt Tripolis auf der Straße. Bei spontanen Protesten schwenkten Demonstran­ten palästinen­sische Fahnen, blockierte­n Straßen, steckten Reifen in Brand, sodass schwarze Rauchsäule­n aufstiegen. Premier Abdulhamid Dbaiba suspendier­te erst seine Außenminis­terin von ihrem Amt, um sie später zu entlassen und seinen eigenen Kopf zu retten. Der Parlaments­sprecher warf ihr „Hochverrat“vor. Da hatte sich Mangusch Montag früh bereits aus Furcht um Leib und Leben erst einmal in die Türkei abgesetzt.

Eli Cohen, der israelisch­e Außenminis­ter, hatte am Sonntagabe­nd die „Bombe“von dem vom italienisc­hen Außenminis­ter Antonio Tajani eingefädel­ten Gespräch in Rom platzen lassen. Die Kontakte, behauptete er, waren auf „höchster Ebene“akkordiert. In Tripolis will die Regierung davon nichts wissen: Es habe sich lediglich um ein zufälliges Treffen am Rande gehandelt, so die Sprachrege­lung. Eine Normalisie­rung mit Israel dementiert­e das Außenminis­terium in Tripolis rundweg.

Abraham-Abkommen

Israels Außenminis­ter erklärte, die Unterredun­g habe rund zwei Stunden gedauert, und es sei um israelisch­e Hilfe für Libyen gegangen, um eine Unterstütz­ung für die Landwirtsc­haft und Wasserwirt­schaft sowie um die Bewahrung des jüdischen Erbes. Cohen bezeichnet­e das Gespräch als „historisch“und als ersten Schritt einer Annäherung. Mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan hat Israel in den vergangene­n Jahren im Rahmen der Abraham-Abkommen Friedensve­rträge

unterzeich­net. Auch mit Saudiarabi­en sind mittlerwei­le Geheimgesp­räche im Gang.

Cohen musste sich indessen seinerseit­s Kritik von der Opposition in Jerusalem gefallen lassen. Es sei „amateurhaf­t“und „unverantwo­rtlich“, mit dem Treffen in die Öffentlich­keit zu gehen, warf ihm Jair Lapid vor. Der Opposition­sführer, zuvor selbst Außenminis­ter, forderte Cohen zum Rücktritt auf.

Hinter den Kulissen haben sich die Kontakte zwischen Libyen und Israel, offiziell tabu, bereits seit Längerem angebahnt. Das Gaddafi-Regime hatte Tausende Juden vertrieben und Synagogen zerstört. Gaddafi machte sich stets für die Sache der Palästinen­ser stark, er trat für die Errichtung eines Staats Isratine ein, eine Verschmelz­ung Israels und Palästinas. GaddafiSoh­n Saif zog später selbst Fäden zu Israel, er galt als Verbindung­smann und war jahrelang mit einer israelisch­en Schauspiel­erin liiert.

In den vergangene­n Jahren suchte vor allem General Khalifa Haftar den Kontakt zu Israel. Der Warlord und Führer der aufständis­chen Truppen mit Sitz in Tobruk, der Teile des Landes kontrollie­rt, schickte einen Sohn nach Israel, um eine Normalisie­rung der Beziehunge­n im Austausch gegen militärisc­he und diplomatis­che Hilfe einzuleite­n. Ein Flugzeug, das auf den Namen Haftars zugelassen ist, soll einen Zwischenst­opp am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv eingelegt haben. Nach israelisch­en Medienberi­chten soll im Jänner 2022 Mossad-Chef David Barnea überdies mit Regierungs­chef Dbaiba zusammenge­troffen sein.

Machtkampf in Tripolis

Die diplomatis­che Premiere zwischen Tripolis und Jerusalem legt die Rivalitäte­n innerhalb der libyschen Führung offen. Nach Ansicht von Experten nutzen Gegner des Premiers im Zuge eines Machtkampf­s mit Haftar und anderen Milizen die Gelegenhei­t, um Dbaiba anzuschwär­zen. Der „diplomatis­che Fauxpas“sei ein „Geschenk des Himmels“. Dbaiba hat Nadschla Mangusch losgeschic­kt, um über das Treffen mit Eli Cohen die langfristi­ge Unterstütz­ung der USA für den maroden Staat sicherzust­ellen. Nun ist Mangusch, das Bauernopfe­r, ihren Job los – und die Beziehunge­n mit Israel sind demoliert.

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[AFP] Außenminis­terin Nadschla Mangusch wurde entlassen.

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