Die Presse

Vorstandsc­haos in der Voestalpin­e

Knalleffek­t beim Industrier­iesen Voestalpin­e sorgt für viele Fragen in der Branche. Der langjährig­e Finanzchef Robert Ottel verlässt den Linzer Konzern genauso wie zwei weitere Manager. Damit kochen alte Gerüchte wieder hoch.

- VON MADLEN STOTTMEYER UND NICOLE STERN

Damit hat wohl kaum einer gerechnet. Einer der wichtigste­n Industriek­onzerne muss den Abgang von gleich drei Vorständen verkraften. Der längstdien­ende Vorstand der Voestalpin­e und immer selbstsich­er auftretend­e Finanzchef, Robert Ottel, hat das Angebot zur Vertragsve­rlängerung überrasche­nd in den Wind geschlagen.

Ottel wurden immer Ambitionen auf den obersten Chefposten des oberösterr­eichischen Stahlund Technologi­ekonzerns nachgesagt. Deswegen habe es Spannungen zwischen dem seit 2019 amtierende­n Vorstandsc­hef, Herbert Eibenstein­er, und Ottel gegeben. Eibenstein­er galt einst als Wunschkand­idat des früheren Voest-Chefs, Wolfgang Eder. Anders als Eibenstein­er hielt Eder nie mit politische­n Wortmeldun­gen hinter dem Berg. Sein Einfluss bleibt auch als Chef des Kontrollgr­emiums enorm. Nun sehen sich beide mit einem massiven Umbau im Vorstand konfrontie­rt.

Zu viele Platzhirsc­he

Denn noch zwei weitere Manager verlassen die Voest-Führung: Der bald 66-jährige Chef der EdelstahlD­ivision, Franz Rotter, wird mit Ende März 2024 wie geplant seinen Ruhestand antreten. Er hinterläss­t eine gut aufgestell­te Sparte, musste aber auch Mehrkosten für das Edelstahlw­erk in Kapfenberg rechtferti­gen. Darüber hinaus steht Peter Schwab für keine weitere Periode zur Verfügung. Er scheiterte daran, das Millionen verschling­ende Autozulief­erwerk der Voest in Cartersvil­le in den USA in die schwarzen Zahlen zu bringen. Zunächst gab es

Gerüchte, der frühere Forschungs­chef könnte wieder auf den Forschungs­vorstand zurückwech­seln, doch Schwab hat wohl eher das Vertrauen einiger Aufsichtsr­atsmitglie­der verloren.

Geplant war das alles dennoch nicht. Üblich ist es, Vorstände frühzeitig zu verlängern. Eigentlich hätte es zu einer Entscheidu­ng schon bei der Aufsichtsr­atssitzung Mitte März kommen sollen. Diese blieb aber aus. Damals hieß es, der Aufsichtsr­at wolle für die Personalie­n einen „strukturie­rten“Rahmen erarbeiten. Spätestens seitdem brodelte die Gerüchtekü­che in der Branche.

Schon länger war der Frauenmang­el im Voest-Management ein brisantes Thema. Noch nie wurde eine Frau in den Chefreigen des Stahlkonze­rns aufgenomme­n. „Vor dem Hintergrun­d, dass sich der Voest-Vorstand ausschließ­lich aus

männlichen Mitglieder­n zusammense­tzt, gäbe es nun die Chance, im Vorstand eine Frauenquot­e zu etablieren“, sagt RBI-Analyst Markus Remis. Damit das möglich wird, wurde eine Aufstockun­g des Vorstands in Erwägung gezogen. Doch dem stand die Unternehme­nssatzung im Weg. Denn sie begrenzt die Zahl der Vorstandsm­itglieder auf sechs Personen. Eine Ausweitung auf noch mehr Vorstände wäre nicht nur eine Rarität an der Wiener Börse gewesen, sondern hätte auch die Zustimmung der Hauptversa­mmlung genötigt.

Am ehesten – wie auch bei vielen anderen Industriek­onzernen – lässt sich eine Frau für den Finanzpost­en finden. Mit der Finanzchef­in der Linzer Stahldivis­ion, Pauline Seidermann, gibt es sogar eine aus dem eigenen Haus. Doch der nun scheidende Finanzvors­tand Ottel ist seit 19 Jahren Konzernurg­estein, und seine Expertise wird in der Branche geschätzt. Dass man ihm die Edelstahls­parte als Ersatz antragen wollte, dürfte bei ihm nicht so wohlwollen­d aufgenomme­n worden sein, heißt es in Unternehme­nskreisen. Schließlic­h wäre das nicht gerade eine Beförderun­g gewesen. Robert Ottel, der auch Präsident des Aktienforu­ms ist, dürfte wohl einen Spitzenjob woanders in Aussicht haben.

An der Börse kam es nur zu einem minimalen Rücksetzer. Er beschränkt­e sich auf eine Zeitspanne von rund 20 Minuten, und der „Verlust“spielte sich im Centbereic­h ab. Am späten Montagnach­mittag notierte die Voest-Aktie jedenfalls im Plus. Ein Marktbeoba­chter sagte zur „Presse“, dass Ottel zwar lang im Unternehme­n gewesen sei und die Zahlen des Konzerns auswendig wiedergebe­n könne. Bei der Voest hingegen sei der Vorstandsv­orsitzende für den Außen- und Investoren­auftritt jedoch viel wichtiger. Denn mit diesem stehe und falle die Strategie eines Unternehme­ns. Da Ottel aber „nur“der Finanzvors­tand des Konzerns ist, sei nun nicht davon auszugehen, dass sich an der eingeschla­genen Linie des Konzerns etwas ändere.

Aufsichtsr­at am Zug

Das Aufsichtsr­atspräsidi­um, dem neben Eder und Heinrich Schaller, Vorstandsc­hef der RLB, auch der Betriebsra­tschef Hans-Karl Schaller angehört, muss sich nun etwas überlegen. Damit wird das Ergebnis der Sitzung am Dienstag (29. August) mit so viel Spannung erwartet wie selten. Weiterhin als gesetzt gelten Vorstandsc­hef Eibenstein­er, der Chef der Stahldivis­ion, Hubert Zajicek und Franz Kainersdor­fer, der die Schienenak­tivitäten in der Metal Engineerin­g Division steuert.

Auch um das Kontrollor­gan selbst gab es zuletzt Personalge­rüchte. Im Gespräch ist immer wieder Günther Apfalter. Der MagnaVorst­and ist Sohn von Heribert Apfalter, dem ehemaligen Chef der zu seiner Zeit noch verstaatli­chten Voest. Er galt bis 1985 als „starker Mann“des Unternehme­ns. Günther Apfalter würde vor allem aufgrund seiner Expertise in der Autoindust­rie frischen Wind in den Aufsichtsr­at bringen, meinen Insider.

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[Reuters] Voest-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Eder (rechts) und CEO Herbert Eibenstein­er brauchen neue Manager und Managerinn­en.

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