Vorstandschaos in der Voestalpine
Knalleffekt beim Industrieriesen Voestalpine sorgt für viele Fragen in der Branche. Der langjährige Finanzchef Robert Ottel verlässt den Linzer Konzern genauso wie zwei weitere Manager. Damit kochen alte Gerüchte wieder hoch.
Damit hat wohl kaum einer gerechnet. Einer der wichtigsten Industriekonzerne muss den Abgang von gleich drei Vorständen verkraften. Der längstdienende Vorstand der Voestalpine und immer selbstsicher auftretende Finanzchef, Robert Ottel, hat das Angebot zur Vertragsverlängerung überraschend in den Wind geschlagen.
Ottel wurden immer Ambitionen auf den obersten Chefposten des oberösterreichischen Stahlund Technologiekonzerns nachgesagt. Deswegen habe es Spannungen zwischen dem seit 2019 amtierenden Vorstandschef, Herbert Eibensteiner, und Ottel gegeben. Eibensteiner galt einst als Wunschkandidat des früheren Voest-Chefs, Wolfgang Eder. Anders als Eibensteiner hielt Eder nie mit politischen Wortmeldungen hinter dem Berg. Sein Einfluss bleibt auch als Chef des Kontrollgremiums enorm. Nun sehen sich beide mit einem massiven Umbau im Vorstand konfrontiert.
Zu viele Platzhirsche
Denn noch zwei weitere Manager verlassen die Voest-Führung: Der bald 66-jährige Chef der EdelstahlDivision, Franz Rotter, wird mit Ende März 2024 wie geplant seinen Ruhestand antreten. Er hinterlässt eine gut aufgestellte Sparte, musste aber auch Mehrkosten für das Edelstahlwerk in Kapfenberg rechtfertigen. Darüber hinaus steht Peter Schwab für keine weitere Periode zur Verfügung. Er scheiterte daran, das Millionen verschlingende Autozulieferwerk der Voest in Cartersville in den USA in die schwarzen Zahlen zu bringen. Zunächst gab es
Gerüchte, der frühere Forschungschef könnte wieder auf den Forschungsvorstand zurückwechseln, doch Schwab hat wohl eher das Vertrauen einiger Aufsichtsratsmitglieder verloren.
Geplant war das alles dennoch nicht. Üblich ist es, Vorstände frühzeitig zu verlängern. Eigentlich hätte es zu einer Entscheidung schon bei der Aufsichtsratssitzung Mitte März kommen sollen. Diese blieb aber aus. Damals hieß es, der Aufsichtsrat wolle für die Personalien einen „strukturierten“Rahmen erarbeiten. Spätestens seitdem brodelte die Gerüchteküche in der Branche.
Schon länger war der Frauenmangel im Voest-Management ein brisantes Thema. Noch nie wurde eine Frau in den Chefreigen des Stahlkonzerns aufgenommen. „Vor dem Hintergrund, dass sich der Voest-Vorstand ausschließlich aus
männlichen Mitgliedern zusammensetzt, gäbe es nun die Chance, im Vorstand eine Frauenquote zu etablieren“, sagt RBI-Analyst Markus Remis. Damit das möglich wird, wurde eine Aufstockung des Vorstands in Erwägung gezogen. Doch dem stand die Unternehmenssatzung im Weg. Denn sie begrenzt die Zahl der Vorstandsmitglieder auf sechs Personen. Eine Ausweitung auf noch mehr Vorstände wäre nicht nur eine Rarität an der Wiener Börse gewesen, sondern hätte auch die Zustimmung der Hauptversammlung genötigt.
Am ehesten – wie auch bei vielen anderen Industriekonzernen – lässt sich eine Frau für den Finanzposten finden. Mit der Finanzchefin der Linzer Stahldivision, Pauline Seidermann, gibt es sogar eine aus dem eigenen Haus. Doch der nun scheidende Finanzvorstand Ottel ist seit 19 Jahren Konzernurgestein, und seine Expertise wird in der Branche geschätzt. Dass man ihm die Edelstahlsparte als Ersatz antragen wollte, dürfte bei ihm nicht so wohlwollend aufgenommen worden sein, heißt es in Unternehmenskreisen. Schließlich wäre das nicht gerade eine Beförderung gewesen. Robert Ottel, der auch Präsident des Aktienforums ist, dürfte wohl einen Spitzenjob woanders in Aussicht haben.
An der Börse kam es nur zu einem minimalen Rücksetzer. Er beschränkte sich auf eine Zeitspanne von rund 20 Minuten, und der „Verlust“spielte sich im Centbereich ab. Am späten Montagnachmittag notierte die Voest-Aktie jedenfalls im Plus. Ein Marktbeobachter sagte zur „Presse“, dass Ottel zwar lang im Unternehmen gewesen sei und die Zahlen des Konzerns auswendig wiedergeben könne. Bei der Voest hingegen sei der Vorstandsvorsitzende für den Außen- und Investorenauftritt jedoch viel wichtiger. Denn mit diesem stehe und falle die Strategie eines Unternehmens. Da Ottel aber „nur“der Finanzvorstand des Konzerns ist, sei nun nicht davon auszugehen, dass sich an der eingeschlagenen Linie des Konzerns etwas ändere.
Aufsichtsrat am Zug
Das Aufsichtsratspräsidium, dem neben Eder und Heinrich Schaller, Vorstandschef der RLB, auch der Betriebsratschef Hans-Karl Schaller angehört, muss sich nun etwas überlegen. Damit wird das Ergebnis der Sitzung am Dienstag (29. August) mit so viel Spannung erwartet wie selten. Weiterhin als gesetzt gelten Vorstandschef Eibensteiner, der Chef der Stahldivision, Hubert Zajicek und Franz Kainersdorfer, der die Schienenaktivitäten in der Metal Engineering Division steuert.
Auch um das Kontrollorgan selbst gab es zuletzt Personalgerüchte. Im Gespräch ist immer wieder Günther Apfalter. Der MagnaVorstand ist Sohn von Heribert Apfalter, dem ehemaligen Chef der zu seiner Zeit noch verstaatlichten Voest. Er galt bis 1985 als „starker Mann“des Unternehmens. Günther Apfalter würde vor allem aufgrund seiner Expertise in der Autoindustrie frischen Wind in den Aufsichtsrat bringen, meinen Insider.