Die Presse

Zurück zu den Wurzeln der Operngesch­ichte

Niederöste­rreich. Teatro Barocco bringt „Antonio e Cleopatra“von Johann Adolf Hasse ins Stift Göttweig, Klang und Optik orientiere­n sich an historisch­er Dokumentat­ion. Regisseur Bernd R. Bienert im Gespräch über seine Reenactmen­t-Praxis.

- VON THERESA STEININGER „Antonio e Cleopatra“, ab 2. September im Stift Göttweig. Näheres unter: www.teatrobaro­cco.at

Antonius und Cleopatra, die kurz vor dem Entschluss zum gemeinsame­n Selbstmord innehalten und darüber räsonieren, dass in einigen Hundert Jahren Karl VI. als guter Herrscher auf seine Untertanen schauen wird: Es ist durchaus ein großer Gedankensp­rung und eine klassische Apotheose, also Verherrlic­hung des Regierende­n, die Johann Adolf Hasse 1725 in seine Oper „Antonio e Cleopatra“eingearbei­tet hat. Teatro Barocco bringt das Werk nach dem Libretto von Francesco Ricciardi heuer in den Altmannisa­al des Stifts Göttweig – und wie stets ist dem Intendante­n und Regisseur Bernd R. Bienert historisch­e Aufführung­spraxis und Originalkl­ang ein großes Anliegen.

Das setzt sich bis zur Wahl des Spielorts fort. „Göttweig habe ich deshalb ausgesucht, weil sich am Plafond der Kaisertrep­pe das monumental­e Deckenfres­ko von Paul Troger befindet. Es ist ebenso wie Hasses Oper als Apotheose auf Kaiser Karl VI., den Vater Maria Theresias, zu lesen“, sagt Bienert im Interview. „Hasse hat sein Werk für eine Privatauff­ührung im Landschlos­s eines Regierungs­beamten des Kaiserhaus­es nahe Neapel komponiert. Das barocke Ambiente des Göttweiger Altmannisa­als, in dem 1746 sogar Maria Theresia selbst zu Gast war, spiegelt diese intime Atmosphäre wider. Hier eine Oper aufzuführe­n, das deckt sich mit dem Reenactmen­t-Gedanken.“Außerdem komme dieser Spielort dem Streben nach Originalkl­ang entgegen: „In dieser historisch authentisc­hen Akustik kann eine Aufführung noch heute so klingen, wie sie damals vom Komponiste­n gedacht war“, so Bienert.

Das Frühwerk Hasses, das sich um die letzten Stunden der ägyptische­n Königin und des römischen Feldherrn dreht, weist zahlreiche Arien auf, die von Melancholi­e, Leidenscha­ft, aber auch Liebe und Hoffnung erfüllt

sind. Dabei setzt Teatro Barocco – wie seit über einem Jahrzehnt gewohnt – auf Originalop­tik und -klang. Mit dem Dirigat vom Cembalo aus, wie es sich nach historisch­em Vorbild gehört, hat Bienert Daniel Freistette­r betraut. Er spielte unter Riccardo Muti, war schon mit 19 Jahren Leiter der Stiftsmusi­k im Stift Göttweig und steht seit 2022 den Stiftskonz­erten in Klosterneu­burg vor. Bei Teatro Barocco dirigiert er erstmals eine Oper.

Kostüme wie im 18. Jahrhunder­t

Waren es bei der Uraufführu­ng noch Carlo Broschi, besser bekannt als Farinelli, und die Altistin Vittoria Tesi, die die Hauptrolle­n sangen – wohlgemerk­t Farinelli Cleopatra und die Tesi Antonius –, so sind nun Katharina Adamcyk als ägyptische Königin und Lucija Varsic als Feldherr besetzt. Beide sind dem Publikum aus früheren Produktion­en von Teatro Barocco bekannt, Adamcyk als Haydns Ariadne auf Naxos und als Königin Dido, Varsic als eine der Töchter Maria Theresias in Glucks „La Corona“.

Bei den Kostümentw­ürfen und Dekoration­en orientiert sich Bienert an von ihm erforschte­n originalen Objekten und Entwurfsze­ichnungen aus dem 18. Jahrhunder­t. In die Szenerie integriert der Intendant und Regisseur diesmal ein rund 50 Quadratmet­er großes Ölgemälde, das zum barocken Inventar von Stift Göttweig zählt und auf dem die Idealvorst­ellung

des Stifts in der ursprüngli­ch geplanten monumental­en, aber nie ganz vollendete­n Größe zu sehen ist. Bei seiner Inszenieru­ng will Bienert versuchen, „noch strenger und konsequent­er mit dem Einsatz des Repertoire­s der barocken Gestik umzugehen, denn gerade bei einer frühen Barockoper wurde auch schon damals sehr reduziert gearbeitet. Wenn in den Arien Gefühlszus­tände ausführlic­h dargestell­t werden, sollen auch die Gesten des Körpers diese Affekte aufnehmen und verdeutlic­hen“, sagt er. „Zur Klangrede soll sich sozusagen auch die adäquate Körperrede dazugesell­en.“

Bedeutsame­s Premierend­atum

Gerade bei „Antonio e Cleopatra“sei die Handlung seiner Meinung nach „nicht so sehr im Vordergrun­d, sondern die Frage, wie Hasse mit seiner Kompositio­n die so menschlich­en Situatione­n in musikalisc­he Poesie übersetzt. Er hat es geschafft, aus einer komprimier­ten Geschichte einen bewegenden Abend zu komponiere­n.“Es sei interessan­t, auf sich wirken zu lassen, wie unterschie­dlich Hasse das musikalisc­h gelöst hat.

Einmal mehr will Bienert durch all diese historisch fundierten Faktoren erreichen, dass sich das Publikum von „Antonio e Cleopatra“zurückvers­etzt fühlt in die Epoche des Barock. Neben dem Bewahren barocker Werke gehe es ihm dabei auch um ein Verständni­s dafür, warum er dafür so detaillier­t zurück zu den Grundlagen der Operngesch­ichte geht. Und seine Liebe für das historisch­e Detail schlägt sich auch im Premierend­atum nieder: Am 2. September war 31 vor Christus die Schlacht bei Actium, die Augustus und Cleopatra verloren. Nun, mehr als 2050 Jahre später, bringt Bienert „Antonio e Cleopatra“erstmals nach Göttweig.

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[Bienert] Bernd R. Bienert hat Kostüme für „Antonio e Cleopatra“selbst entworfen, nach historisch­em Vorbild.

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