Zurück zu den Wurzeln der Operngeschichte
Niederösterreich. Teatro Barocco bringt „Antonio e Cleopatra“von Johann Adolf Hasse ins Stift Göttweig, Klang und Optik orientieren sich an historischer Dokumentation. Regisseur Bernd R. Bienert im Gespräch über seine Reenactment-Praxis.
Antonius und Cleopatra, die kurz vor dem Entschluss zum gemeinsamen Selbstmord innehalten und darüber räsonieren, dass in einigen Hundert Jahren Karl VI. als guter Herrscher auf seine Untertanen schauen wird: Es ist durchaus ein großer Gedankensprung und eine klassische Apotheose, also Verherrlichung des Regierenden, die Johann Adolf Hasse 1725 in seine Oper „Antonio e Cleopatra“eingearbeitet hat. Teatro Barocco bringt das Werk nach dem Libretto von Francesco Ricciardi heuer in den Altmannisaal des Stifts Göttweig – und wie stets ist dem Intendanten und Regisseur Bernd R. Bienert historische Aufführungspraxis und Originalklang ein großes Anliegen.
Das setzt sich bis zur Wahl des Spielorts fort. „Göttweig habe ich deshalb ausgesucht, weil sich am Plafond der Kaisertreppe das monumentale Deckenfresko von Paul Troger befindet. Es ist ebenso wie Hasses Oper als Apotheose auf Kaiser Karl VI., den Vater Maria Theresias, zu lesen“, sagt Bienert im Interview. „Hasse hat sein Werk für eine Privataufführung im Landschloss eines Regierungsbeamten des Kaiserhauses nahe Neapel komponiert. Das barocke Ambiente des Göttweiger Altmannisaals, in dem 1746 sogar Maria Theresia selbst zu Gast war, spiegelt diese intime Atmosphäre wider. Hier eine Oper aufzuführen, das deckt sich mit dem Reenactment-Gedanken.“Außerdem komme dieser Spielort dem Streben nach Originalklang entgegen: „In dieser historisch authentischen Akustik kann eine Aufführung noch heute so klingen, wie sie damals vom Komponisten gedacht war“, so Bienert.
Das Frühwerk Hasses, das sich um die letzten Stunden der ägyptischen Königin und des römischen Feldherrn dreht, weist zahlreiche Arien auf, die von Melancholie, Leidenschaft, aber auch Liebe und Hoffnung erfüllt
sind. Dabei setzt Teatro Barocco – wie seit über einem Jahrzehnt gewohnt – auf Originaloptik und -klang. Mit dem Dirigat vom Cembalo aus, wie es sich nach historischem Vorbild gehört, hat Bienert Daniel Freistetter betraut. Er spielte unter Riccardo Muti, war schon mit 19 Jahren Leiter der Stiftsmusik im Stift Göttweig und steht seit 2022 den Stiftskonzerten in Klosterneuburg vor. Bei Teatro Barocco dirigiert er erstmals eine Oper.
Kostüme wie im 18. Jahrhundert
Waren es bei der Uraufführung noch Carlo Broschi, besser bekannt als Farinelli, und die Altistin Vittoria Tesi, die die Hauptrollen sangen – wohlgemerkt Farinelli Cleopatra und die Tesi Antonius –, so sind nun Katharina Adamcyk als ägyptische Königin und Lucija Varsic als Feldherr besetzt. Beide sind dem Publikum aus früheren Produktionen von Teatro Barocco bekannt, Adamcyk als Haydns Ariadne auf Naxos und als Königin Dido, Varsic als eine der Töchter Maria Theresias in Glucks „La Corona“.
Bei den Kostümentwürfen und Dekorationen orientiert sich Bienert an von ihm erforschten originalen Objekten und Entwurfszeichnungen aus dem 18. Jahrhundert. In die Szenerie integriert der Intendant und Regisseur diesmal ein rund 50 Quadratmeter großes Ölgemälde, das zum barocken Inventar von Stift Göttweig zählt und auf dem die Idealvorstellung
des Stifts in der ursprünglich geplanten monumentalen, aber nie ganz vollendeten Größe zu sehen ist. Bei seiner Inszenierung will Bienert versuchen, „noch strenger und konsequenter mit dem Einsatz des Repertoires der barocken Gestik umzugehen, denn gerade bei einer frühen Barockoper wurde auch schon damals sehr reduziert gearbeitet. Wenn in den Arien Gefühlszustände ausführlich dargestellt werden, sollen auch die Gesten des Körpers diese Affekte aufnehmen und verdeutlichen“, sagt er. „Zur Klangrede soll sich sozusagen auch die adäquate Körperrede dazugesellen.“
Bedeutsames Premierendatum
Gerade bei „Antonio e Cleopatra“sei die Handlung seiner Meinung nach „nicht so sehr im Vordergrund, sondern die Frage, wie Hasse mit seiner Komposition die so menschlichen Situationen in musikalische Poesie übersetzt. Er hat es geschafft, aus einer komprimierten Geschichte einen bewegenden Abend zu komponieren.“Es sei interessant, auf sich wirken zu lassen, wie unterschiedlich Hasse das musikalisch gelöst hat.
Einmal mehr will Bienert durch all diese historisch fundierten Faktoren erreichen, dass sich das Publikum von „Antonio e Cleopatra“zurückversetzt fühlt in die Epoche des Barock. Neben dem Bewahren barocker Werke gehe es ihm dabei auch um ein Verständnis dafür, warum er dafür so detailliert zurück zu den Grundlagen der Operngeschichte geht. Und seine Liebe für das historische Detail schlägt sich auch im Premierendatum nieder: Am 2. September war 31 vor Christus die Schlacht bei Actium, die Augustus und Cleopatra verloren. Nun, mehr als 2050 Jahre später, bringt Bienert „Antonio e Cleopatra“erstmals nach Göttweig.