Heumarkt: Eine Stadt drückt sich vor Entscheidungen
Gastbeitrag. Projekt am Heumarkt manifestiert die Versäumnisse der Wiener Planungspolitik.
Seit mehr als zehn Jahren läuft die Planung der Umgestaltung rund um das Heumarktareal, bis heute gibt es keine finale Lösung. Dass es schon 2012 im Zuge des Kooperativen Planungsverfahrens kritische Stimmen der Experten gegeben hat, die sagen: „Eine Höhenentwicklung des Intercontinental ist mit dem Weltkulturerbe nicht vereinbar“, lässt die Stadt Wien bis dato unbeeindruckt.
Mehr noch: Die Vorgaben der Unesco wurden seitens der Stadt ignoriert. Mit Beschluss des (bis heute aktuell) gültigen Flächenwidmungsplans 2017 – in dem sogar eine Mindesthöhe von 50 Metern rechtlich festgeschrieben ist; niedriger kann also dort nicht gebaut werden – wird Wien von der Unesco auf die Rote Liste gesetzt.
Die neueste Stellungnahme der Unesco beurteilt die Bemühungen der Stadt Wien und bringt wieder Leben in die Diskussion rund um das Weltkulturerbe: Der Stadt steht der Verlust des Welterbestatus bevor, das auslösende Heumarktprojekt ist, trotz mehrfacher Umplanung, nach wie vor zu hoch. Die Stadtregierung versucht zu beschwichtigen.
Oft wird bei der Debatte nur der gestalterische Aspekt des Heumarktprojekts beleuchtet : Ist der Entwurf schön oder hässlich? Was macht es mit dem Stadtbild? Brauchen wir das Weltkulturerbe überhaupt, oder schränkt es uns ein?
Keine klaren Spielregeln
Abseits der gestalterischen Diskussion zeigt das Projekt in Wahrheit die großen Verfehlungen der Stadtplanungspolitik auf: Wer trifft eigentlich die Entscheidung, dass ausgerechnet dort und nicht auf dem Nachbargrundstück ein Hochhaus gebaut werden kann? Wer entscheidet, dass die Auflagen des Weltkulturerbes dort nicht gelten? Warum wird ein Flächenwidmungsplan genau auf das Projekt zugeschnitten?
Das Projekt macht deutlich, dass es weder klare, verbindliche Spielregeln noch transparente Prozesse in der Stadtentwicklung gibt. Es gilt das Motto „Alles ist möglich“. Das bedeutet Willkür, Beliebigkeit, Intransparenz. Ein toxischer Cocktail. Und das in einer sensiblen Branche, in der es um verschiedene Interessen und viel Geld geht. Ein fatales Zeichen!
Langes Herumwursteln
Seit ich im Wiener Gemeinderat bin, stelle ich mir die Frage: Wo will die Stadt mit ihrer Baukultur hin? Wie soll Wien in Zukunft aussehen? Die Fragen bleiben seitens der Stadt unbeantwortet, weil jede Antwort bedeutet, dass man Entscheidungen treffen müsste. Natürlich: Jede Entscheidung für etwas ist eine Entscheidung gegen etwas anderes. Aber Entscheidungen schaffen Klarheit und Orientierung. Die Wiener Stadtregierung lässt lieber alles offen, will sich nicht festlegen, wenn es um Stadtentwicklung geht.
Die Auswirkungen dieser Politik sehen wir beim Heumarktprojekt. Seit mehr als zehn Jahren wurstelt die Stadt herum und kommt keinen Schritt weiter.
Was die Stadtplanung braucht, sind verbindliche Spielregeln, klare Aussagen und nachvollziehbare Entscheidungen. 2001 hat sich die Stadtregierung für das Weltkulturerbe Innere Stadt entschieden. Mit dieser Entscheidung gingen auch Verpflichtungen einher. Bis heute beteuert man seitens der Stadt, das Weltkulturerbe erhalten zu wollen. Gleichzeitig forciert man ein Projekt, das mit den Weltkulturerbespielregeln nicht zu vereinbaren ist.
Man kann befinden, dass Wien das Weltkulturerbe nicht braucht. Dann ist auch diese Entscheidung offiziell, demokratisch und transparent zu treffen. Aber solang wir den Status offiziell beibehalten wollen, sind die geltenden Spielregeln einzuhalten.