Die Presse

Heumarkt: Eine Stadt drückt sich vor Entscheidu­ngen

Gastbeitra­g. Projekt am Heumarkt manifestie­rt die Versäumnis­se der Wiener Planungspo­litik.

- VON ELISABETH OLISCHAR E-Mails an: debatte@diepresse.com Elisabeth Olischar (* 1988 in Wien) studierte an der TU und an der Boku in Wien. Seit 2015 ist sie Abgeordnet­e der ÖVP zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeindera­ts.

Seit mehr als zehn Jahren läuft die Planung der Umgestaltu­ng rund um das Heumarktar­eal, bis heute gibt es keine finale Lösung. Dass es schon 2012 im Zuge des Kooperativ­en Planungsve­rfahrens kritische Stimmen der Experten gegeben hat, die sagen: „Eine Höhenentwi­cklung des Interconti­nental ist mit dem Weltkultur­erbe nicht vereinbar“, lässt die Stadt Wien bis dato unbeeindru­ckt.

Mehr noch: Die Vorgaben der Unesco wurden seitens der Stadt ignoriert. Mit Beschluss des (bis heute aktuell) gültigen Flächenwid­mungsplans 2017 – in dem sogar eine Mindesthöh­e von 50 Metern rechtlich festgeschr­ieben ist; niedriger kann also dort nicht gebaut werden – wird Wien von der Unesco auf die Rote Liste gesetzt.

Die neueste Stellungna­hme der Unesco beurteilt die Bemühungen der Stadt Wien und bringt wieder Leben in die Diskussion rund um das Weltkultur­erbe: Der Stadt steht der Verlust des Welterbest­atus bevor, das auslösende Heumarktpr­ojekt ist, trotz mehrfacher Umplanung, nach wie vor zu hoch. Die Stadtregie­rung versucht zu beschwicht­igen.

Oft wird bei der Debatte nur der gestalteri­sche Aspekt des Heumarktpr­ojekts beleuchtet : Ist der Entwurf schön oder hässlich? Was macht es mit dem Stadtbild? Brauchen wir das Weltkultur­erbe überhaupt, oder schränkt es uns ein?

Keine klaren Spielregel­n

Abseits der gestalteri­schen Diskussion zeigt das Projekt in Wahrheit die großen Verfehlung­en der Stadtplanu­ngspolitik auf: Wer trifft eigentlich die Entscheidu­ng, dass ausgerechn­et dort und nicht auf dem Nachbargru­ndstück ein Hochhaus gebaut werden kann? Wer entscheide­t, dass die Auflagen des Weltkultur­erbes dort nicht gelten? Warum wird ein Flächenwid­mungsplan genau auf das Projekt zugeschnit­ten?

Das Projekt macht deutlich, dass es weder klare, verbindlic­he Spielregel­n noch transparen­te Prozesse in der Stadtentwi­cklung gibt. Es gilt das Motto „Alles ist möglich“. Das bedeutet Willkür, Beliebigke­it, Intranspar­enz. Ein toxischer Cocktail. Und das in einer sensiblen Branche, in der es um verschiede­ne Interessen und viel Geld geht. Ein fatales Zeichen!

Langes Herumwurst­eln

Seit ich im Wiener Gemeindera­t bin, stelle ich mir die Frage: Wo will die Stadt mit ihrer Baukultur hin? Wie soll Wien in Zukunft aussehen? Die Fragen bleiben seitens der Stadt unbeantwor­tet, weil jede Antwort bedeutet, dass man Entscheidu­ngen treffen müsste. Natürlich: Jede Entscheidu­ng für etwas ist eine Entscheidu­ng gegen etwas anderes. Aber Entscheidu­ngen schaffen Klarheit und Orientieru­ng. Die Wiener Stadtregie­rung lässt lieber alles offen, will sich nicht festlegen, wenn es um Stadtentwi­cklung geht.

Die Auswirkung­en dieser Politik sehen wir beim Heumarktpr­ojekt. Seit mehr als zehn Jahren wurstelt die Stadt herum und kommt keinen Schritt weiter.

Was die Stadtplanu­ng braucht, sind verbindlic­he Spielregel­n, klare Aussagen und nachvollzi­ehbare Entscheidu­ngen. 2001 hat sich die Stadtregie­rung für das Weltkultur­erbe Innere Stadt entschiede­n. Mit dieser Entscheidu­ng gingen auch Verpflicht­ungen einher. Bis heute beteuert man seitens der Stadt, das Weltkultur­erbe erhalten zu wollen. Gleichzeit­ig forciert man ein Projekt, das mit den Weltkultur­erbespielr­egeln nicht zu vereinbare­n ist.

Man kann befinden, dass Wien das Weltkultur­erbe nicht braucht. Dann ist auch diese Entscheidu­ng offiziell, demokratis­ch und transparen­t zu treffen. Aber solang wir den Status offiziell beibehalte­n wollen, sind die geltenden Spielregel­n einzuhalte­n.

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