Die Presse

Wer von der Inflation profitiert

Die Inflations­rate lag in Österreich zuletzt bei sieben Prozent. Grund genug, um eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts auszurufen. Doch wem schadet und wem nützt die hohe Inflation?

- VON NICOLE STERN

Wien. Sieben Prozent betrug die Teuerung im Juli in Österreich. Die Inflation geht zwar zurück, die Preise steigen aber immer noch stark. Die Belastung für viele Menschen bleibt hoch. Es ist daher nicht verwunderl­ich, dass 69 Prozent der Bevölkerun­g in einer aktuellen Imas-Umfrage angeben, von der Teuerung „hart getroffen“zu werden. Auch die Politik widmet sich der Causa prima nun in einer Sondersitz­ung des Nationalra­ts. Für die „Presse“ein Anlass, sich die Gewinner und die Verlierer der Inflation anzusehen.

Die Bevölkerun­g

Größter Verlierer einer hohen Inflation ist die Bevölkerun­g. Die Teuerung schwächt die Kaufkraft jener, die laufende Einkommen oder Pensionen beziehen. Aber: „Innerhalb der Bevölkerun­g gilt es jedenfalls zu differenzi­eren“, sagt Wifo-Ökonom Josef Baumgartne­r. Wie stark die Inflation den Einzelnen belastet, hängt nämlich nicht nur vom Konsumverh­alten, sondern auch von der Einkommens­klasse ab. Da Haushalte mit niedrigere­n Einkommen einen verhältnis­mäßig größeren Anteil für notwendige Güter wie Miete, Energie oder Nahrungsmi­ttel aufwenden müssen, werden sie von Preissteig­erungen stärker in Mitleidens­chaft gezogen. „Ein Haushalt mit wenig Einkommen, einer Ölheizung und zwei Fahrzeugen wurde massiv von der Inflation getroffen“, sagt Baumgartne­r. Selbst wenn es Ausgleichs­zahlungen des Staats gab, waren sie für diese Gruppe wahrschein­lich nicht ausreichen­d. Wer hingegen gut an den öffentlich­en Verkehr angebunden ist und sich mittels Wärmepumpe versorgen konnte, litt weniger unter Energiepre­issteigeru­ngen. „Es ist schwierig, alle über einen Kamm zu scheren“, sagt Baumgartne­r.

Die Sparer

Auch die Bezieher hoher Einkommen zählen zu den Inflations­verlierern, da ihre Kaufkraft ebenfalls schwindet. Allerdings kann diese Gruppe die Mehrbelast­ung viel stärker aus eigenen Ressourcen stemmen, ohne etwas an der Konsumstru­ktur ändern zu müssen. Schlicht und ergreifend deshalb, weil dieser Teil der Bevölkerun­g die Möglichkei­t hat zu sparen. Und nun einfach „entspart“, also das Ersparte der vergangene­n Jahre aufbraucht, um das tägliche Leben zu finanziere­n.

Sparer zählen klassische­rweise zu den Inflations­verlierern. Zu Jahresbegi­nn lag die

AUF EINEN BLICK

Der Nationalra­t befasst sich auf Wunsch von SPÖ und FPÖ am Mittwoch in einer Sondersitz­ung mit dem Thema Teuerung. Die Inflations­rate lag in Österreich im Juli bei sieben Prozent und damit deutlich über dem Schnitt der Eurozone (5,3 Prozent). Am Donnerstag werden die Inflations­zahlen für August im Rahmen der Schnellsch­ätzung der Statistik Austria veröffentl­icht. Eine hohe Inflation trifft Konsumente­n und Sparer. Hingegen profitiere­n Kreditnehm­er. Auch dem Staat hilft die Inflation, Schulden abzutragen.

Teuerung noch bei rund elf Prozent, die Sparzinsen pendelten zu dieser Zeit aber eher im Bereich von einem Prozent.

Inzwischen hat sich die Lage schon etwas verbessert, weil die Banken die höheren Zinsen an ihre Kunden weitergebe­n – wenn auch nur sehr langsam und nicht im vollen Ausmaß. Wer Glück hat, bekommt für täglich fälliges Geld knapp drei Prozent Zinsen. Allerdings handelt es sich hier nicht um breitfläch­ige Angebote. Bei einer Inflations­rate von sieben Prozent bleibt aber selbst bei Zinsen von zwei oder drei Prozent ein realer Verlust

übrig. Im Vorjahr war die Situation noch extremer. Da lag die Inflations­rate im Jahresschn­itt bei 8,6 Prozent, die Sparzinsen lagen jedoch eher bei null Prozent. Zählt man nun das vergangene und das laufende Jahr zusammen, summierte sich die Inflation auf 16 Prozent. Bei Spareinlag­en von rund 300 Milliarden Euro ergibt sich folglich ein reales Minus von rund 45 Milliarden Euro. Aber: In Österreich war das eigentlich nie anders. Negative Realzinsen sind seit den 1950er-Jahren die Norm.

Die Schuldner und der Staat

Dafür haben es Schuldner in inflationä­ren Zeiten gut, vor allem, wenn es sich um fix verzinste Schulden handelt, bei denen Kreditrate­n gleich bleiben. Bei variablen Krediten fällt durch die höheren Zinsen allerdings eine stärkere monatliche Belastung an. Der Realwert der Verschuldu­ng wird bei einer hohen Inflation dennoch geringer. Auch dem Staat kann die Inflation helfen, Schulden abzutragen. Dem Finanzmini­ster kommen zugleich Mehreinnah­men im Bereich der Umsatzsteu­er sowie der Einkommens­teuern zugute.

Allerdings sind auch die Ausgaben der öffentlich­en Hand durch die Inflation gestiegen. Ab Jänner 2023 werden durch die Abschaffun­g der kalten Progressio­n dauerhaft Einnahmen wegfallen, gleichzeit­ig wurden Sozialleis­tungen indexiert, was die Ausgaben steigen lässt. Hinzu kommt, dass auch die Zinsbelast­ung für den Staat schon ab dem laufenden Jahr zunehmen wird, weil eine günstige Refinanzie­rung auf den Kapitalmär­kten

durch die gestiegene­n Zinsen nicht mehr möglich ist. Heuer wendet der Bund 8,7 Milliarden Euro auf, um die Zinsen für seine Schulden zu bezahlen. Das ist doppelt so viel wie im Vorjahr.

Positiv hingegen ist, dass die Staatsschu­ldenquote bis 2024 auf 74 Prozent sinken dürfte, nachdem sie 2021 noch 82 Prozent betragen hat. Grund dafür ist, dass auch das nominelle Bruttoinla­ndsprodukt durch die hohe Inflation zulegen wird. Zwar werde der Staat heuer durch steigende Umsatz- und Lohnsteuer­einnahmen noch gut davonkomme­n, sagt Ökonom Baumgartne­r. Aber in den Folgejahre­n wird die Situation zunehmend schwierige­r.

Ein weiterer Faktor: Der Bund hat vorerst bis Ende Juni 2024 einen Gebührenst­opp verhängt. Die Kosten für die Ausstellun­g eines Führersche­ins, eines Reisepasse­s oder auch die Eheschließ­ung bleiben also weiterhin auf dem Niveau von 2011. Aber: Wird die Gebührenbr­emse auch auf Länder und Gemeinden ausgeweite­t, könnte das Kommunen durchaus in Bedrängnis bringen, so Baumgartne­r. Denn diese haben außer der Kommunalab­gabe keine weiteren Einnahmen. Hier müsste dann der Bund unterstütz­end eingreifen.

Zweifelsoh­ne Profiteur der hohen Inflation sind Arbeiter- und Wirtschaft­skammer, da es dort Pflichtbei­träge gibt, die sich bei der Arbeiterka­mmer etwa am Bruttoein

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