Nationalrat: Rot-blauer Angriff, türkis-grüner Konter
Nach knapp zwei Monaten wird die Sommerpause im Nationalrat für eine Sondersitzung zur Teuerung unterbrochen. Was die Regierung der rot-blauen Kritik entgegensetzen will.
Der Nationalrat unterbricht am Mittwoch seine Sommerpause, veranlasst hat dies eine nicht gerade alltägliche Allianz: SPÖ und FPÖ beantragten eine Sondersitzung zur Teuerung. Das zentrale Ansinnen, wie aus dem Dringlichen Antrag der Roten hervorgeht, lautet: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihren Sommerurlaub zu beenden und dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz vorzulegen.“Konkret fordern sowohl SPÖ als auch FPÖ grosso modo Bekanntes: von einer Mietpreisbremse über die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel bis hin zu Zinsregulierungen aufgrund gestiegener Kreditraten.
„Wenn Österreich seit Monaten die höchste Inflationsrate in Westeuropa hat, ist das nicht normal“, sagt SPÖ-Klubchef Philip Kucher. „Die SPÖ fordert daher die Wiederherstellung eines guten, leistbaren Lebens für alle Menschen in Österreich durch sofortige und entschlossene staatliche Interventionen.“In der Bundesregierung gab es zuletzt mehrere Ansinnen, der rot-blauen Kritik etwas entgegenzusetzen – beispielsweise mit dem Vorhaben, das Bargeld in der Verfassung zu verankern. Die im Finanzministerium angesiedelte Taskforce dafür soll zur Vorbereitung auf einen runden Tisch demnächst Ergebnisse präsentieren – idealerweise am Tag der Sondersitzung, wie es in den vergangenen Tagen hieß.
Die Umsetzung könnte noch schwierig werden: Abgesehen davon, dass eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, sind die Grünen vom türkisen Plan weiterhin nicht überzeugt, zudem befindet sich kein einziger Vertreter der Grünen in der Taskforce.
Parallel dazu wird auch versucht, für die Sondersitzung ein gemeinsames türkis-grünes Projekt auf den Weg zu bringen: Nach Informationen aus Koalitionskreisen geht es da um Maßnahmen gegen die Teuerung im Bereich des Wohnens. Konkret bestätigen wollte das niemand, was auch an den
schwierigen Verhandlungen liegen könnte: Die Koalition ist schon im März genau an diesem Vorhaben gescheitert. Damals hatten sich ÖVP und Grüne auf eine Mietenbremse verständigt: Die Erhöhung der Kategoriemieten um den Inflationswert von 8,6 Prozent sollte nicht wie vorgesehen im April, sondern aufgeteilt auf drei Jahre erfolgen. Das Vorhaben scheiterte, weil die ÖVP gleichzeitig die Grunderwerbsteuer für das erste Eigenheim kappen wollte, die Grünen lehnten ab.
Möglicherweise gibt es da einen neuen Anlauf – der aber weit entfernt von dem liegt, was SPÖ und FPÖ fordern: Beide Oppositionsparteien wollen nämlich die Mieten für die nächsten Jahre von der Inflation entkoppeln. Bis 2025 bzw. 2026 soll es nur eine Erhöhung um maximal zwei Prozent geben, und zwar nicht nur für Kategoriemieten, deren Höhe gesetzlich festgelegt ist, sondern auch für den freien Wohnungsmarkt, bei dem die Anpassung an die Inflation in den Mietverträgen verankert ist.
Während SPÖ und FPÖ die Sondersitzung mit weitgehend deckungsgleichen Forderungen bestreiten, geht die dritte Oppositionspartei, die Neos, einen anderen Weg: Man sei gegen neue Steuern und Deckelungen, sagte der stellvertretende Klubchef, Nikolaus Scherak, im Vorfeld der Sitzung.
Für Scherak ist es ein „Sommer des Populismus“und der „unausgegorenen Vorschläge“– und zwar von allen Seiten: Die ÖVP hätte „Scheindebatten“über Normalität und Bargeld geführt. Bei SPÖ und FPÖ ortet er ein „skurriles Spiel“, die beiden Parteien hätten versucht, sich mit Vorschlägen zu Deckelungen zu übertreffen. Dementsprechend erwartet er sich auch von der Sondersitzung nicht viel Positives – Sozialdemokraten und Freiheitliche würden wohl versuchen, sich mit „teilweise skurrilen Ideen“zu überbieten, die neue Steuern, neue Deckel oder neue Gutscheine beinhalten. All diese Vorschläge würden das Leben der Menschen allerdings nicht leistbarer machen, sondern Steuergeld kosten und sie zusätzlich belasten. Dass die Neos deshalb beim Dringlichen Antrag der SPÖ mitgehen werden, kann sich Scherak schwer vorstellen. Man müsse den Antrag jedoch erst einmal lesen.
Das Konzept der Neos ist nicht ganz neu: Sie fordern die Senkung der Steuern auf Arbeit sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten um 6,5 Prozentpunkte. Damit könne es bei den Nettolöhnen einen Anstieg von fünf Prozent geben, „ohne dass Unternehmer zusätzlich belastet werden würden“.