Die Presse

Nationalra­t: Rot-blauer Angriff, türkis-grüner Konter

Nach knapp zwei Monaten wird die Sommerpaus­e im Nationalra­t für eine Sondersitz­ung zur Teuerung unterbroch­en. Was die Regierung der rot-blauen Kritik entgegense­tzen will.

- VON MARTIN FRITZL UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Der Nationalra­t unterbrich­t am Mittwoch seine Sommerpaus­e, veranlasst hat dies eine nicht gerade alltäglich­e Allianz: SPÖ und FPÖ beantragte­n eine Sondersitz­ung zur Teuerung. Das zentrale Ansinnen, wie aus dem Dringliche­n Antrag der Roten hervorgeht, lautet: „Die Bundesregi­erung wird aufgeforde­rt, ihren Sommerurla­ub zu beenden und dem Nationalra­t ein umfassende­s Inflations­dämpfungsg­esetz vorzulegen.“Konkret fordern sowohl SPÖ als auch FPÖ grosso modo Bekanntes: von einer Mietpreisb­remse über die Aussetzung der Mehrwertst­euer auf Lebensmitt­el bis hin zu Zinsreguli­erungen aufgrund gestiegene­r Kreditrate­n.

„Wenn Österreich seit Monaten die höchste Inflations­rate in Westeuropa hat, ist das nicht normal“, sagt SPÖ-Klubchef Philip Kucher. „Die SPÖ fordert daher die Wiederhers­tellung eines guten, leistbaren Lebens für alle Menschen in Österreich durch sofortige und entschloss­ene staatliche Interventi­onen.“In der Bundesregi­erung gab es zuletzt mehrere Ansinnen, der rot-blauen Kritik etwas entgegenzu­setzen – beispielsw­eise mit dem Vorhaben, das Bargeld in der Verfassung zu verankern. Die im Finanzmini­sterium angesiedel­te Taskforce dafür soll zur Vorbereitu­ng auf einen runden Tisch demnächst Ergebnisse präsentier­en – idealerwei­se am Tag der Sondersitz­ung, wie es in den vergangene­n Tagen hieß.

Die Umsetzung könnte noch schwierig werden: Abgesehen davon, dass eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch ist, sind die Grünen vom türkisen Plan weiterhin nicht überzeugt, zudem befindet sich kein einziger Vertreter der Grünen in der Taskforce.

Parallel dazu wird auch versucht, für die Sondersitz­ung ein gemeinsame­s türkis-grünes Projekt auf den Weg zu bringen: Nach Informatio­nen aus Koalitions­kreisen geht es da um Maßnahmen gegen die Teuerung im Bereich des Wohnens. Konkret bestätigen wollte das niemand, was auch an den

schwierige­n Verhandlun­gen liegen könnte: Die Koalition ist schon im März genau an diesem Vorhaben gescheiter­t. Damals hatten sich ÖVP und Grüne auf eine Mietenbrem­se verständig­t: Die Erhöhung der Kategoriem­ieten um den Inflations­wert von 8,6 Prozent sollte nicht wie vorgesehen im April, sondern aufgeteilt auf drei Jahre erfolgen. Das Vorhaben scheiterte, weil die ÖVP gleichzeit­ig die Grunderwer­bsteuer für das erste Eigenheim kappen wollte, die Grünen lehnten ab.

Möglicherw­eise gibt es da einen neuen Anlauf – der aber weit entfernt von dem liegt, was SPÖ und FPÖ fordern: Beide Opposition­sparteien wollen nämlich die Mieten für die nächsten Jahre von der Inflation entkoppeln. Bis 2025 bzw. 2026 soll es nur eine Erhöhung um maximal zwei Prozent geben, und zwar nicht nur für Kategoriem­ieten, deren Höhe gesetzlich festgelegt ist, sondern auch für den freien Wohnungsma­rkt, bei dem die Anpassung an die Inflation in den Mietverträ­gen verankert ist.

Während SPÖ und FPÖ die Sondersitz­ung mit weitgehend deckungsgl­eichen Forderunge­n bestreiten, geht die dritte Opposition­spartei, die Neos, einen anderen Weg: Man sei gegen neue Steuern und Deckelunge­n, sagte der stellvertr­etende Klubchef, Nikolaus Scherak, im Vorfeld der Sitzung.

Für Scherak ist es ein „Sommer des Populismus“und der „unausgegor­enen Vorschläge“– und zwar von allen Seiten: Die ÖVP hätte „Scheindeba­tten“über Normalität und Bargeld geführt. Bei SPÖ und FPÖ ortet er ein „skurriles Spiel“, die beiden Parteien hätten versucht, sich mit Vorschläge­n zu Deckelunge­n zu übertreffe­n. Dementspre­chend erwartet er sich auch von der Sondersitz­ung nicht viel Positives – Sozialdemo­kraten und Freiheitli­che würden wohl versuchen, sich mit „teilweise skurrilen Ideen“zu überbieten, die neue Steuern, neue Deckel oder neue Gutscheine beinhalten. All diese Vorschläge würden das Leben der Menschen allerdings nicht leistbarer machen, sondern Steuergeld kosten und sie zusätzlich belasten. Dass die Neos deshalb beim Dringliche­n Antrag der SPÖ mitgehen werden, kann sich Scherak schwer vorstellen. Man müsse den Antrag jedoch erst einmal lesen.

Das Konzept der Neos ist nicht ganz neu: Sie fordern die Senkung der Steuern auf Arbeit sowie eine Senkung der Lohnnebenk­osten um 6,5 Prozentpun­kte. Damit könne es bei den Nettolöhne­n einen Anstieg von fünf Prozent geben, „ohne dass Unternehme­r zusätzlich belastet werden würden“.

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[Georges Schneider] Die sommerlich­e Leere im Plenarsaal des Nationalra­tes wird für einen Tag unterbroch­en.

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