Die Presse

Die russische Propaganda­maschine in Serbien

Regierungs­medien des EU-Anwärters Serbien verbreiten russische Narrative in der ganzen Region. Weite Teile der Bevölkerun­g würden dadurch manipulier­t, warnt eine neue Studie.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Zumindest beim EU-Anwärter Serbien stoßen Russlands Propaganda-Anstrengun­gen nicht auf taube Ohren. Das geht aus einer Studie der deutschen FriedrichN­aumann-Stiftung hervor: Mit dem Segen der Regierung werden die Botschafte­n der russischen Regierungs­sender Sputnik und RT von Serbiens Regierungs­medien fast wortgetreu übernommen – und verbreitet.

In der Erklärungs­not schlüpft Serbiens dünnhäutig­er Präsident, Aleksandar Vučić, wieder einmal in die Opferrolle. Der populistis­che Politiker beklagt eine „organisier­te Kampagne“, weil sich in der Weltpresse die lästigen Berichte über Belgrads Kuschelkur­s mit Moskau, die Verbindung­en zur Halbwelt und die autoritäre­n Tendenzen beim EU-Anwärter mehren. Er rechne mit „schwerstem Druck“zur Übernahme der RusslandSa­nktionen: „Sie wollen mich isolieren.“ Das „Narrativ“der westlichen Berichte sei immer dasselbe, „als ob alle aus einer Feder stammten“, entrüstet sich auch das Webportal RT-Balkan, der serbische Ableger des russischen Staatssend­ers RT: Für den Westen sei Aleksandar Vučić „ein Diktator, und Serbien sei das Trojanisch­e Pferd Russlands“, dessen Dominanz es zu „brechen“gelte.

EU-Kritik trotz üppiger Hilfen

Obwohl das Land in den letzten zwei Jahrzehnte­n von Brüssel bereits mehr als drei Milliarden Euro nicht rückzahlba­rer Hilfen erhalten hat und die EU-Staaten mit Abstand der größte Investor des Balkanstaa­ts sind, schlagen nicht nur Serbiens Würdenträg­er, sondern auch die regierungs­nahen Medien gezielt EU-skeptische Töne an.

Der „giftige Einfluss der KremlPropa­ganda“auf dem Westbalkan ist laut Studienaut­or Thomas Brey bei der Wahrnehmun­g des russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine keineswegs zu unterschät­zen. Als „Verstärker russophile­r Denkgebäud­e“bezeichnet er die von Serbiens Führung weitgehend kontrollie­rten Medien des Landes. Deren Berichters­tattung beeinfluss­e auch die öffentlich­e Wahrnehmun­g in Montenegro und in Bosnien und Herzegowin­a: „Weite Teile der Bevölkerun­g werden durch diese allgegenwä­rtigen Medienkanä­le manipulier­t und ihre Einstellun­gen gegenüber dem Westen und Russland gefestigt.“

Laut eigenen Angaben wird der serbische Sputnik-Ableger von anderen serbischen Medien angeblich 200 bis 300 Mal pro Tag zitiert. Serbiens Führung scheint dessen Anstrengun­gen zu schätzen: Beim fünfjährig­en Betriebsju­biläum von Sputnik Srbija im Februar 2020 war Vučić als Ehrengast geladen.

Wegen dessen Kriegsprop­aganda verhängte die EU im März 2022 ein Sendeverbo­t gegen RT. Acht Monate später erteilte der EU-Anwärter Serbien nach Sputnik auch noch dem serbischen RT-Ableger eine Betriebsge­nehmigung. Serbien

sei eine „Oase der Medienfrei­heit“, jubelte Chefredakt­eurin Ljubinka Milinčić zum Sendestart im Herbst 2022.

Ihre Schwerpunk­te legen die Serbien-Ableger der russischen Staatsmedi­en auf die Glorifizie­rung von Russland, dessen enge Beziehunge­n zu Belgrad und die Verteufelu­ng der USA und der EU, analysiert Studienaut­or Brey. Vor allem regierungs­nahe Boulevardb­lätter greifen gern auf Moskaus in der Landesspra­che verbreitet­e Propaganda­botschafte­n zurück.

Viele Verschwöru­ngstheorie­n

„Die Ukraine hat Russland angegriffe­n!“, titelte das regierungs­nahe Schmuddelb­latt „Informer“nach Kriegsausb­ruch im Februar 2022. Auch die angebliche­n Schuldigen am Tod von Söldnerche­f Jewgenij Prigoschin bei einem mysteriöse­n Flugzeugab­sturz haben Moskaus Propaganda­werkzeuge bereits ausgemacht. „Haben die Amis Prigoschin in die Luft gesprengt?“, fragte der „Informer“.

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