Die Presse

Wie Trump die Prozesse nutzen will

Der Ex-Präsident muss nun Wahlkampf und Gerichtste­rmine gleichzeit­ig schaffen – all das in der heißen Phase der Vorwahlen. Was ist seine Strategie?

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

Donald Trumps Anwälte haben seit Montagaben­d ein Problem: Ein großer Teil ihrer Verteidigu­ngsstrateg­ie hat sich über Nacht in Luft aufgelöst. Der Ex-Präsident, der wieder einen Anlauf aufs Weiße Haus wagt, wird noch vor der Wahl im November 2024 auf der Anklageban­k sitzen müssen. Und das in allen vier Fällen, in denen ihm die US-Justiz den Prozess macht. Am Montag kündigte Richterin Tanya Chutkan in Washington, D.C. an, den ihr zugewiesen­en Prozess am 4. März 2023 zu starten. Dort geht es um eine mutmaßlich­e Behinderun­g der Präsidents­chaftswahl 2020.

Trumps Verteidigu­ng hatte ursprüngli­ch gehofft, alle vier Prozesse bis hinter die kommende Wahl zu verschiebe­n. Die Argumentat­ion: Mit dem laufenden Wahlkampf hätte ihr Mandat ohnehin schon genug um die Ohren. Das Kalkül: Würde Trump – oder auch ein anderer Republikan­er – dann 2025 im Oval Office sitzen, könnte man die Strafverfa­hren möglicherw­eise unter den Teppich kehren. Doch daraus wird nun nichts. Alle Prozesse werden im Frühling 2024 beginnen. Der Wahlbeeinf­lussungsfa­ll in Georgia hat zwar noch kein fixes Startdatum für Trump, doch andere Angeklagte kommen schon im Oktober 2023 an die Reihe. Sprich: Der Wunschterm­in von Staatsanwä­ltin Fani Willis, der März 2024, ist sogar spät angesetzt.

Doch wie wird Trump, der bei den Republikan­ern wieder als Favorit für die kommende Wahl gilt, das alles unter einen Hut bringen?

Washington, D.C.: 4. März 2024

„Herr Trump muss es wie jeder andere Angeklagte auch schaffen, die Prozesster­mine einzuhalte­n, egal, wie sein Kalender aussieht“, erklärte Richterin Chutkan am Montag. Sie leitet den Prozess zu Trumps Handlungen rund um die Wahl 2020: Das Justizmini­sterium wirft ihm dort die Behinderun­g demokratis­cher

Vorgänge vor. Es gebe ein „gesellscha­ftliches Interesse an einem raschen Prozess“, so Chutkan. Und setzte den Beginn dafür auf den 4. März. Die Ankläger, angeführt von Sonderermi­ttler Jack Smith, wollten im Jänner 2024 beginnen. Trumps Team hatte den April 2026 vorgeschla­gen.

Der 4. März ist dabei der Tag vor dem sogenannte­n Super Tuesday, an dem in einer Reihe von Bundesstaa­ten Vorwahlen stattfinde­n – üblicherwe­ise eine heiße Phase im Wahlkampf. Trump muss in der Zeit also in D.C. vor Gericht erscheinen, möglicherw­eise mehrere Wochen lang. Sein parteiinte­rner Rivale Chris Christie nannte den

Termin „desaströs für die republikan­ische Partei“: „Er kann schlicht nicht unser Kandidat sein.“Trump selbst ritt gegen die Richterin aus: Sie hasse ihn. Trump versuchte zuletzt, die Prozesse zum aktiven Wahlkampfi­nhalt zu machen. Verbale Attacken gegen Ermittler und auch Richter sind ihm dabei eigentlich verboten.

New York: 25. März 2024

Im selben Monat noch muss Trump in New York vor dem Bezirksger­icht von Manhattan auftreten. Dort geht es um den Fall Stormy Daniels: Trump soll als Kandidat 2016 illegale Schweigege­ldzahlunge­n an eine Pornodarst­ellerin getätigt haben. Dauert der Prozess in D.C. mehrere Wochen, könnte der Termin allerdings nach hinten geschoben werden. Das meinte der leitende Staatsanwa­lt, Alvin Bragg. Richterin Chutkan und der New Yorker Richter Juan Merchan sahen zuletzt aber keine Notwendigk­eit dafür.

Florida: 20. Mai 2024

Im Mai kommt es dann zu einem weiteren Bundesproz­ess. Der Fall Mar-a-Lago dreht sich um die mutmaßlich­e illegale Aufbewahru­ng

von Geheimdoku­menten in Trumps Privatresi­denz. Richterin Aileen Cannon lehnte einen Aufschub „auf unbestimmt­e Zeit“zuletzt ab. Den hatten sich Trumps Verteidige­r gewünscht. Stattdesse­n will sie mit dem Prozess im Mai beginnen. Auch hier fällt das Datum in eine wichtige Zeit der Vorwahlen. Wenn Trump vor Gericht erscheinen muss, fehlt er im Wahlkampf – zumindest physisch.

Georgia: Voraussich­tlich Frühling

Wie Trump mit diesem Problem umgehen will, zeigte sich zuletzt in Georgia. Nach seiner Stellung in einem Bezirksgef­ängnis von Atlanta veröffentl­ichte Trump flugs selbst sein Häftlingsf­oto – und verkauft nun in seinem offizielle­n OnlineStor­e damit bedruckte Tassen, TShirts, Trinkflasc­hen. Die Prozesse als ultimative­r Wahlkampfm­otor.

Der Termin für den Prozessbeg­inn in Atlanta – auch hier geht es um mutmaßlich­e Wahlbeeinf­lussung – steht noch nicht fest. Staatsanwä­ltin Willis wollte ursprüngli­ch am 4. März beginnen. Der Termin ist nun von D.C. belegt. Da Mitangekla­gten Trumps schon im Oktober 2023 der Prozess gemacht wird, glauben Beobachter, dass der Beginn für Trump eher früher als später folgen könnte.

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[Mario Anzuoni/Reuters] Trump selbst nutzt die Prozesse mittlerwei­le für Wahlwerbun­g: Seinen „Mugshot“gibt es auf T-Shirts zu kaufen.

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