Die Presse

Nach „Presse“-Recherchen: Stadt Wien verurteilt Sexismus

Der Gesundheit­sverbund erinnert in einem Mail Führungskr­äfte an ihre Verantwort­ung und mögliche Konsequenz­en.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Unangemess­ene Witze, abwertende Bemerkunge­n, Fragen nach dem Sexleben im Nachtdiens­t oder die gemeinsame Essensbest­ellung, die zum unfreiwill­igen Candleligh­t-Dinner mit dem Vorgesetzt­en wird. „Sittenbild in Weiß“lautete der Titel der „Presse am Sonntag“, der Sexismus in der Medizin, insbesonde­re in Spitälern, thematisie­rte – und durchaus für Echo sorgte.

Ärztinnen hatte darin auf Arbeitsbed­ingungen aufmerksam gemacht, die mitunter ganze Berufswege beeinfluss­en, etwa wenn gewisse Abteilunge­n und Fächer von Ärztinnen letztlich gemieden werden. Virulent sei das Thema auch deshalb, weil insbesonde­re Studentinn­en und junge Ärztinnen betroffen seien, die in Ausbildung und Fortkommen von ihren Vorgesetzt­en abhängig sind.

Die Runde gemacht hat der Artikel auch im Wiener Gesundheit­sverbund: Wie die „Presse“erfuhr, nutzte dieser den Bericht, um in einem internen Rundmail auf das Thema aufmerksam zu machen. Ergangen war das E-Mail, das auch einen expliziten Verweis auf den „Presse am Sonntag“-Artikel enthielt, u. a. an die Ärztlichen Direktione­n, die sogenannte­n Kollegiale­n Führungen der Spitäler sowie die Leitungen der Geriatriez­entren und Pflegewohn­häuser der Stadt Wien mit sozialmedi­zinischer Betreuung.

Darin wurde auf eine Grundsatze­rklärung verwiesen, die der Vorstand des Wigev im Jahr 2019 unterzeich­net hat. „Sexuelle Belästigun­g wird im Wiener Gesundheit­sverbund nicht geduldet“, heißt es darin. „Belästigen­de Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r machen sich einer Dienstpfli­chtverletz­ung schuldig, die dienst- und disziplina­rrechtlich­e Folgen nach sich zieht.“Sexuelle Belästigun­g betreffe nicht nur die Betroffene­n selbst, sondern schaffe ein „konfliktbe­ladenes und feindselig­es Arbeitskli­ma“und schade „sowohl der Unternehmu­ng des Wiener

Gesundheit­sverbunds als auch der Dienststel­le nachhaltig“.

Angeführt werden auch Beispiele, welche Formen sexuelle Belästigun­g am Arbeitspla­tz annehmen kann. Explizit genannt werden darin etwa das Erzählen von anstößigen Witzen, anzügliche Bemerkunge­n (z.B. über Figur oder Aussehen), vulgäre, ordinäre Worte, Erzählunge­n über das eigene Sexuallebe­n, unerwünsch­te Berührunge­n und unangebrac­hte körperlich­e Nähe à la Nackenmass­agen, erzwungene Küsse oder das Versenden von sexistisch­en oder sexuellen Inhalten, Videos, Fotos oder Postings.

Angeboten werden vom Gender- und Diversität­smanagemen­t des Wigev auch eine entspreche­nde Schulung, alle Führungskr­äfte seien zur Absolvieru­ng „aufgerufen“. An alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r richtet sich ein E-Learningpr­ogramm; für jene ohne PC-Zugang folge ein passendes Angebot „in Kürze“.

Umfrage belegt Tragweite

Wie weit verbreitet das Problem ist, belegt auch eine noch unveröffen­tlichte Umfrage der Wiener Ärztekamme­r unter Ärztinnen, deren diesbezügl­icher Teilaspekt der „Presse“vorliegt. 1337 Ärztinnen hatten im heurigen März an der Umfrage teilgenomm­en. 69,5 Prozent von ihnen gaben an, sich im Zuge ihrer ärztlichen Tätigkeit schon einmal in der Situation von Ungleichbe­handlung aufgrund ihrer Geschlecht­szugehörig­keit befunden zu haben. Eine Mehrheit der Ärztinnen, konkret 54,2 Prozent, erlebte Ungleichbe­handlung durch Vorgesetzt­e. 42,9 Prozent erlebten Fälle von Ungleichbe­handlung durch Patienten, 37,1 Prozent durch Kollegen. 31 Prozent der Ärztinnen geben an, auch unerwünsch­te einschlägi­ge Berührunge­n selbst erlebt zu haben. 65,1 Prozent, also fast zwei Drittel, erlebten unerwünsch­te anzügliche Bemerkunge­n, 68,7 Prozent geringschä­tzige Bemerkunge­n über Frauen.

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