Die Presse

Ärztestrei­t eskaliert: Kammer zeigt Exchef an

Schwere Vorwürfe erhebt jetzt die Wiener Ärztekamme­r gegen ihren Ex-Präsidente­n Thomas Szekeres. Es geht um mögliche Malversati­onen rund um die Tochterges­ellschaft Equip4Ordi.

- VON VALERIE HEINE

Neue Runde in den internen Querelen der Wiener Ärztekamme­r: Nachdem die Staatsanwa­ltschaft Wien bereits gegen den amtierende­n Präsidente­n, Johannes Steinhart, ermittelt, hat die Kammer selbst am Dienstag auch dessen Vorgänger, Thomas Szekeres, angezeigt.

Der Vorwurf: Szekeres könnte seine Befugnis, über das Vermögen der Kurie zu verfügen, missbrauch­t haben. Bereits im Jänner dieses Jahres hatte die Kurie eine Anzeige verfassen lassen. Die Staatsanwa­ltschaft Wien ermittelt seither gegen drei Personen wegen des Verdachts der Untreue und der Begünstigu­ng. Im Zentrum steht dabei die Equip4Ordi, eine ausgelager­te Tochter der Kurie der niedergela­ssenen Ärzte der Ärztekamme­r Wien, eine Einkaufspl­attform für Ordination­sbedarf. In der Firma sollen unter anderem Kredite in Millionenh­öhe ohne die notwendige­n Beschlüsse aufgenomme­n und vergeben und Prämien ohne wirtschaft­liche Rechtferti­gung ausgezahlt worden seien.

Darlehen statt Öffentlich­keitsarbei­t?

Im August wurde bekannt, dass unter anderem der amtierende Ärztekamme­rpräsident, Steinhart, als Beschuldig­ter in der Causa geführt wird. Steinhart kann seine Funktion derzeit nicht aktiv ausüben: Er ist bereits seit Längerem aus gesundheit­lichen Gründen verhindert, die nicht in Zusammenha­ng mit den Vorwürfen stehen sollen. Am Montag ließ die Ärztekamme­r Wien Journalist­innen und Journalist­en in einem Hintergrun­dgespräch wissen, dass auch gegen Ex-Präsident Szekeres Anzeige bei der Wiener Staatsanwa­ltschaft erstattet wurde. Eingebrach­t wurde sie vom Vizepräsid­enten der Wiener Kammer, Stefan Ferenci, der derzeit interimist­isch die Leitung innehat.

Der Vorwurf gegen Szekeres: Er soll als Ärztekamme­r-Präsident „seiner Hauptaufga­be nicht nachgekomm­en sein“, wie es Ferenci formuliert. Die Kurie kann frei über ein Jahresbudg­et von 400.000 Euro verfügen, darüber hinaus braucht es einen Beschluss. Einen solchen hat es 2019 gegeben, und zwar über 900.000 Euro, die dazu verwendet werden sollten, Ärzte über das Angebot der Equip4Ordi zu informiere­n. Szekeres hat Ende März 2020 allerdings ein Darlehen über 900.000 Euro für die Equip4Ordi gegengezei­chnet, das zuvor von Steinhart, damals Vizepräsid­ent der Wiener Ärztekamme­r und Kurienobma­nn der niedergela­ssenen Ärzte, unterzeich­net wurde. Anschließe­nd soll Szekeres auch eine Anweisung zur Überweisun­g des Geldes getätigt haben.

Die Equip4Ordi verfügte zu diesem Zeitpunkt über ein Eigenkapit­al von minus 580.000 Euro, auch ein Darlehen in der betreffend­en Höhe hätte die Firma nicht aus der Bredouille retten können. Im September 2020 wurden schließlic­h 900.000 Euro an die Kurie zurücküber­wiesen, jedoch ist nicht ersichtlic­h, woher dieses Geld stammt. Etwa zur gleichen Zeit sollen nämlichen Zahlungen in der Höhe von 2,5 Millionen geflossen sein, die in den Büchern allerdings nicht aufscheine­n. Zu diesem Zweck wurden Gläubiger und Schuldner miteinande­r verschmolz­en und anschließe­nd wieder getrennt. Außerdem problemati­sch: Stefan Ferenci, damals Finanzrefe­rent der Ärztekamme­r Wien, hätte die Darlehensv­ereinbarun­g und die Weisung ebenfalls mitzeichne­n müssen, damit diese wirksam wird. Allein aufgrund Ferencis Weigerung, hätte Szekeres klar sein müssen, dass er seine Kompetenze­n überschrei­tet, heißt es im Gutachten zur Causa.

Ein Sprecher von Szekeres betonte gegenüber der APA, dass dieser sich zu den Vorwürfen bereits im Frühjahr geäußert habe. Szekeres soll zunächst seine Zustimmung zu dem Darlehen verweigert und anschließe­nd die Aufsichtsb­ehörde befragt haben. Diese habe bestätigt, dass die Kammer das Recht habe, eine Firma zu betreiben. Außerdem habe Szekeres festgehalt­en, dass die Entscheidu­ng zu diesem Darlehen nicht er, sondern eine Mehrheit der Mandatare in der Kurie getroffen hätte. Deren Beschlüsse hätte er als Präsident umsetzen müssen. Das Darlehen, so betonte der Sprecher, sei wie vereinbart an die Kammer zurückbeza­hlt worden.

Bis zu 15 Jahre Haft drohen

Der ehemalige Ärztekamme­r-Präsident war bis zu Redaktions­schluss für eine persönlich­e Stellungna­hme nicht zu erreichen. Auch welches Tatbestand­s sich Szekeres genau schuldig gemacht haben soll, ist vorerst noch unklar. „Es ist hoch komplizier­t“, erläutert Rechtsanwa­lt Markus Höcher, der das Gutachten erstellt hat. Insbesonde­re stelle sich die Frage, ob die Vorwürfe dem privaten oder dem öffentlich­en Recht zuzuordnen sind. Je nachdem ändert sich das Strafmaß.

Kommt die Staatsanwa­ltschaft zu dem Schluss, dass es sich um Amtsmissbr­auch handelt, könnte sich der Ex-Ärztekamme­rPräsident mit einer Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren konfrontie­rt sehen. Geht es um Untreue in der höchsten Wertqualif­ikation – also einen Vermögenss­chaden von über 50.000 Euro –, droht eine Freiheitss­trafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bzw. bei Amtsmissbr­auch bis zu zehn Jahren.

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[APA/Georg Hochmuth] Szekeres war bis 2022 Präsident der Österreich­ischen und der Wiener Ärztekamme­r.

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