Bernoullistraße: Die wahren Werte hinterm Waschbeton
Ein Bezirkszentrum und die „gute alte Zeit“von morgen: Beobachtungen in Kagran.
Was ein Mann schöner is wie ein Aff, is ein Luxus“, wissen wir von Friedrich Torbergs Tante Jolesch. Und wie schön muss ein Amtshaus sein? Ob das Bezirkszentrum Kagran jemals von irgendjemandem als schön empfunden wurde, ist nicht überliefert. Fakt bleibt: Von dem halben Jahrhundert Amtszeit, das es mittlerweile hinter sich hat, kann es aussehenshalber nicht viel profitiert haben.
In den 1970ern in Dienst gestellt, versammelte es hinter seiner zeittypischen Waschbetonfassade Bezirksamt, Volkshochschule, Veranstaltungssaal und Jugendzentrum samt einer kleinen Ladenzeile, und dass es wie vieles hierorts nur Fragment einer viel großzügiger gedachten Planung geblieben ist, mag heute noch das geringste seiner Probleme sein. Selbst eine Waschbetonfassade kommt in die Jahre, von Notwendigkeiten sonstiger technischer Sanierung gar nicht zu reden.
So ist denn das Bezirksamt mittlerweile hier ausund anderweitig eingezogen. Und also wäre zu vermuten, die verbliebenen Nutzer, maßgeblich Volkshochschule und Jugendzentrum, sollten nichts sehnlicher erhoffen als die baldige Übersiedlung in ein neues, äußeren Kriterien nach schöneres Heim. Doch weit gefehlt. Hie wie da hat man nämlich hinter Waschbeton Werte entdeckt, die dem Passanten zwischen Schrödingerplatz und Bernoullistraße leicht entgehen: die Großzügigkeit der Räumlichkeiten, der Grün- und Freiraum rundum, nicht zuletzt, dass man mangels direkt angrenzender Wohnnachbarschaft sich einigermaßen frei bewegen kann, ohne Anstoß zu erregen.
Was hilft’s? Der Abriss des ganzen Komplexes scheint beschlossene Sache, an seine Stelle soll eine jener hypertrophen Wohntürmereien treten, wie sie überall in Wien aus dem Boden schießen. Nun ja, irgendwann wird sogar die Waschbetonepoche eine gute alte Zeit gewesen sein…