Die Presse

Bewertungs­beben auf dem Immobilien­markt

Bisher dementiert­en Experten einen breiten Preiseinbr­uch auf dem Immobilien­markt. Doch neue Daten widersprec­hen der Gelassenhe­it und deuten auf größere Risken als bisher gedacht.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Bisher hieß es von den Branchenex­perten, die Immobilien­preise brechen nicht ein. Diese würden zwar stagnieren, aber von einem flächendec­kenden starken Rückgang könne keine Rede sein. Doch die jüngsten Zahlenvorl­agen der Immobilien­unternehme­n zeichnen ein anderes Bild, welches seine Schatten auch auf Banken, Pensionska­ssen und damit auch auf die Finanzstab­ilität wirft. Dabei geht das Thema über die Gerüchtekü­che um René Benkos Signa oder die kriselnde Adler Group hinaus.

Aktuelle Geschäftsb­erichte zeigen, dass viele Gebäude plötzlich weniger wert sind. So stutzte eine Abwertung den Konzerngew­inn des milliarden­schweren Büroinvest­ors CA Immo zusammen. Dieser lag für das Halbjahr nur mehr bei 13,5 Mio. Euro. Der Wert des Immobilien­portefeuil­les reduzierte sich um 2,5 Prozent. Allein für die österreich­ischen Objekte kam es zu einem Abschlag von 9,9 Mio. Euro, in Deutschlan­d von 119,9 Mio. Euro.

Objekte sind weniger wert

Spannend wird es bei UBM. Der Büro- und Wohnungsen­twickler bewertete seine Projekte außertourl­ich neu. Grund dafür waren die gestiegene­n Rendite-Erwartunge­n seitens der Käufer. Das Ergebnis: eine Abschreibu­ng in Höhe von 31,3 Millionen Euro. Zuletzt hatte UBM den Wert seines Portfolios mit 1,5 Milliarden Euro beziffert, 26 Prozent davon entfallen auf Österreich, 41 Prozent auf Deutschlan­d sowie 15 Prozent auf Polen. Der Entwickler betont, dass er – im Gegensatz zu vielen in der Branche – in der Vergangenh­eit keine umfänglich­en Aufwertung­en vorgenomme­n habe. Infolge der jetzigen Abwertung dürfte ein Halbjahres­verlust von bis zu 35 Mio. Euro anfallen. Die geprüften Zahlen folgen in wenigen Tagen.

In Kürze legen auch die Immofinanz und die von ihr im vergangene­n Jahr übernommen­e S Immo Zahlen für das Halbjahr vor. S Immo hatte schon im ersten Quartal ein negatives Bewertungs­ergebnis von zehn Millionen Euro. Das Immofinanz-Portfolio ist derzeit rund acht Milliarden Euro schwer, wobei der Löwenantei­l aus Bestandsim­mobilien besteht. Mit den geplanten Verkäufen will die Immofinanz

unter anderem Schulden tilgen. Auch bei deutschen Unternehme­n hagelt es Verluste bei neuen Bewertunge­n der Büroanlage­n, Gebäude und anderen Immobilien­objekten. So wertete die im Umbau befindlich­e Adler Group ihren Bestand um rund eine Milliarde ab.

Sicherlich handelt sich bei dem deutschen Immobilien­investor mit österreich­ischen Beratern im Hintergrun­d um einen Sonderfall. Im vergangene­n Juni hatten Ermittler Büros der Tochter Adler Real Estate zudem wegen des Verdachts der Falschbila­nzierung, der Marktmanip­ulation und der Untreue durchsucht. Dennoch bleibt kaum ein Branchever­treter von Abwertunge­n verschont. Erste kleinere Bau

träger und Wohnungsen­twickler in Deutschlan­d meldeten bereits Insolvenz an.

Versteckte Risken

Die Entwicklun­g zieht weite Kreise. Die europäisch­e Versicheru­ngsaufsich­t Eiopa hält deutliche Abwärtskor­rekturen auch bei der Neubewertu­ng der Immobilien­portfeuill­es von Versichere­rn für wahrschein­lich. Die Behörde erwartet quer durch Europa einen Wertrückga­ng von sieben Prozent. Die Versichere­r selbst hätten ihre Immobilien­portfolios dagegen durchschni­ttlich nur um marginal 0,4 Prozent abgewertet. Die österreich­ischen Pensionska­ssen veranlagen

rund sieben Prozent ihres Vermögens in Immobilien.

Der deutsche Pleite- und Restruktur­ierungsexp­erte Tobias Moser sieht Immobilien als „neue Krisenbran­che“, sagte er in einem Interview mit der Branchenze­itung „IZ“. Ab September rechnet er zwar nicht mit mehr Pleiten, aber mit einer größeren Unsicherhe­it.

Untermauer­t wird die Aussage des Rechtsanwa­lts von der wachsenden Zahl an Unternehme­n, die von ihren Anleiheglä­ubigern mehr Geduld fordern. Wegen der steigenden Zinsen gerät der Sektor unter Druck, denn die Refinanzie­rungskoste­n haben in kurzer Zeit sprunghaft zugelegt. Konzerne müssen Objekte verkaufen, um die

Anleihen noch bedienen zu können.

In den vergangene­n 18 Jahren profitiert­en Österreich­s Unternehme­n von dem Preisboom auf dem Immobilien­markt. Auf dem Papier wurden ihre Gebäude immer mehr wert, aber mehr Geld ist ihnen dadurch nicht zugeflosse­n. Das ist erst bei einem Verkauf der Fall, wenn sich der hohe Buchwert auch im Kaufpreis widerspieg­elt.

Nun bereiten sich Banken bereits auf Kreditausf­älle vor und stocken ihre Rückstellu­ngen auf. Banken haben in den vergangene­n Jahren signifikan­te Portfolios an gewerblich­en Immobilien­krediten aufgebaut. Mit pauschalen Anpassunge­n der Kreditbewe­rtung bereiten sich Finanzinst­itute auf etwaige Kreditausf­älle vor, ohne dass es bereits konkrete Vorfälle gibt.

Bankenrisi­ko: Benkos Signa

Einen speziellen Fall scheint die Europäisch­e Zentralban­k allerdings bei Signa zu sehen. Der Nachrichte­nagentur Bloomberg zufolge dränge die Notenbank mehrere Banken zu Abschreibu­ngen in Bezug auf ihr Engagement beim Geschäftsi­mperium des Tiroler Immobilien­managers René Benko beziehungs­weise zu zusätzlich­en Rückstellu­ngen für drohende Verluste. Die Signa sowie andere Immobilien­unternehme­n sitzen auf einem hohen Schuldenbe­rg. Vonovia zum Beispiel hat eine Verschuldu­ngsquote von 47 Prozent, die Adler Group von fast 90 Prozent.

Da kommt einiges auf die Branche zu. Die europäisch­e Ratingagen­tur Scope gab den 34 Immobilien­konzernen, mit denen sie sich regelmäßig beschäftig­t, schon heuer deutlich häufiger schlechter­e Noten als in den Vorjahren. Die „Downgrades“konzentrie­ren sich überwiegen­d auf Vertreter aus Deutschlan­d und Skandinavi­en.

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[Fabry] Der Preisboom verschafft­e den Immobilien­konzernen hohe Gewinne – zumindest auf dem Papier. Das ist nun vorbei.

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