Bewertungsbeben auf dem Immobilienmarkt
Bisher dementierten Experten einen breiten Preiseinbruch auf dem Immobilienmarkt. Doch neue Daten widersprechen der Gelassenheit und deuten auf größere Risken als bisher gedacht.
Bisher hieß es von den Branchenexperten, die Immobilienpreise brechen nicht ein. Diese würden zwar stagnieren, aber von einem flächendeckenden starken Rückgang könne keine Rede sein. Doch die jüngsten Zahlenvorlagen der Immobilienunternehmen zeichnen ein anderes Bild, welches seine Schatten auch auf Banken, Pensionskassen und damit auch auf die Finanzstabilität wirft. Dabei geht das Thema über die Gerüchteküche um René Benkos Signa oder die kriselnde Adler Group hinaus.
Aktuelle Geschäftsberichte zeigen, dass viele Gebäude plötzlich weniger wert sind. So stutzte eine Abwertung den Konzerngewinn des milliardenschweren Büroinvestors CA Immo zusammen. Dieser lag für das Halbjahr nur mehr bei 13,5 Mio. Euro. Der Wert des Immobilienportefeuilles reduzierte sich um 2,5 Prozent. Allein für die österreichischen Objekte kam es zu einem Abschlag von 9,9 Mio. Euro, in Deutschland von 119,9 Mio. Euro.
Objekte sind weniger wert
Spannend wird es bei UBM. Der Büro- und Wohnungsentwickler bewertete seine Projekte außertourlich neu. Grund dafür waren die gestiegenen Rendite-Erwartungen seitens der Käufer. Das Ergebnis: eine Abschreibung in Höhe von 31,3 Millionen Euro. Zuletzt hatte UBM den Wert seines Portfolios mit 1,5 Milliarden Euro beziffert, 26 Prozent davon entfallen auf Österreich, 41 Prozent auf Deutschland sowie 15 Prozent auf Polen. Der Entwickler betont, dass er – im Gegensatz zu vielen in der Branche – in der Vergangenheit keine umfänglichen Aufwertungen vorgenommen habe. Infolge der jetzigen Abwertung dürfte ein Halbjahresverlust von bis zu 35 Mio. Euro anfallen. Die geprüften Zahlen folgen in wenigen Tagen.
In Kürze legen auch die Immofinanz und die von ihr im vergangenen Jahr übernommene S Immo Zahlen für das Halbjahr vor. S Immo hatte schon im ersten Quartal ein negatives Bewertungsergebnis von zehn Millionen Euro. Das Immofinanz-Portfolio ist derzeit rund acht Milliarden Euro schwer, wobei der Löwenanteil aus Bestandsimmobilien besteht. Mit den geplanten Verkäufen will die Immofinanz
unter anderem Schulden tilgen. Auch bei deutschen Unternehmen hagelt es Verluste bei neuen Bewertungen der Büroanlagen, Gebäude und anderen Immobilienobjekten. So wertete die im Umbau befindliche Adler Group ihren Bestand um rund eine Milliarde ab.
Sicherlich handelt sich bei dem deutschen Immobilieninvestor mit österreichischen Beratern im Hintergrund um einen Sonderfall. Im vergangenen Juni hatten Ermittler Büros der Tochter Adler Real Estate zudem wegen des Verdachts der Falschbilanzierung, der Marktmanipulation und der Untreue durchsucht. Dennoch bleibt kaum ein Branchevertreter von Abwertungen verschont. Erste kleinere Bau
träger und Wohnungsentwickler in Deutschland meldeten bereits Insolvenz an.
Versteckte Risken
Die Entwicklung zieht weite Kreise. Die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa hält deutliche Abwärtskorrekturen auch bei der Neubewertung der Immobilienportfeuilles von Versicherern für wahrscheinlich. Die Behörde erwartet quer durch Europa einen Wertrückgang von sieben Prozent. Die Versicherer selbst hätten ihre Immobilienportfolios dagegen durchschnittlich nur um marginal 0,4 Prozent abgewertet. Die österreichischen Pensionskassen veranlagen
rund sieben Prozent ihres Vermögens in Immobilien.
Der deutsche Pleite- und Restrukturierungsexperte Tobias Moser sieht Immobilien als „neue Krisenbranche“, sagte er in einem Interview mit der Branchenzeitung „IZ“. Ab September rechnet er zwar nicht mit mehr Pleiten, aber mit einer größeren Unsicherheit.
Untermauert wird die Aussage des Rechtsanwalts von der wachsenden Zahl an Unternehmen, die von ihren Anleihegläubigern mehr Geduld fordern. Wegen der steigenden Zinsen gerät der Sektor unter Druck, denn die Refinanzierungskosten haben in kurzer Zeit sprunghaft zugelegt. Konzerne müssen Objekte verkaufen, um die
Anleihen noch bedienen zu können.
In den vergangenen 18 Jahren profitierten Österreichs Unternehmen von dem Preisboom auf dem Immobilienmarkt. Auf dem Papier wurden ihre Gebäude immer mehr wert, aber mehr Geld ist ihnen dadurch nicht zugeflossen. Das ist erst bei einem Verkauf der Fall, wenn sich der hohe Buchwert auch im Kaufpreis widerspiegelt.
Nun bereiten sich Banken bereits auf Kreditausfälle vor und stocken ihre Rückstellungen auf. Banken haben in den vergangenen Jahren signifikante Portfolios an gewerblichen Immobilienkrediten aufgebaut. Mit pauschalen Anpassungen der Kreditbewertung bereiten sich Finanzinstitute auf etwaige Kreditausfälle vor, ohne dass es bereits konkrete Vorfälle gibt.
Bankenrisiko: Benkos Signa
Einen speziellen Fall scheint die Europäische Zentralbank allerdings bei Signa zu sehen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge dränge die Notenbank mehrere Banken zu Abschreibungen in Bezug auf ihr Engagement beim Geschäftsimperium des Tiroler Immobilienmanagers René Benko beziehungsweise zu zusätzlichen Rückstellungen für drohende Verluste. Die Signa sowie andere Immobilienunternehmen sitzen auf einem hohen Schuldenberg. Vonovia zum Beispiel hat eine Verschuldungsquote von 47 Prozent, die Adler Group von fast 90 Prozent.
Da kommt einiges auf die Branche zu. Die europäische Ratingagentur Scope gab den 34 Immobilienkonzernen, mit denen sie sich regelmäßig beschäftigt, schon heuer deutlich häufiger schlechtere Noten als in den Vorjahren. Die „Downgrades“konzentrieren sich überwiegend auf Vertreter aus Deutschland und Skandinavien.