Ölriese: Welt scheitert an Klimazielen
Exxon hat sich früh als akkurater Prophet der Klimakrise bewiesen und legt nun eine „realistische Prognose“nach. Das Zwei-Grad-Ziel wird demnach klar verfehlt.
Der US-Ölkonzern Exxon Mobile gibt der Welt kaum noch eine Chance, ihre selbst gesteckten Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Angetrieben von starkem Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern würden die Treibhausgasemissionen zur Jahrhundertmitte bei 25 Milliarden Tonnen CO2 zu liegen kommen, heißt es im jährlichen „Energy Outlook“des Unternehmens. Das ist zwar mehr als ein Viertel weniger als heute. Aber immer noch mehr als doppelt so viel wie die elf Milliarden Tonnen CO2, die gerade noch erlaubt wären, will die Welt den Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit bis 2100 bei zwei Grad deckeln.
Sind E-Autos überschätzt?
Klimastudien von Ölkonzernen haben natürlich einen gewissen Beigeschmack, schließlich verdienen die Unternehmen ihr Geld auch heute noch mit dem Verkauf von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen. Doch es hat einen Grund, warum selbst Fachleute aufhorchen, wenn gerade dieser
Ölkonzern etwas zur Causa zu sagen hat: Die Klimastudien von Exxon Mobile haben sich in den vergangenen Jahrzehnten als besonders akkurat erwiesen. 1977 sah das Unternehmen als eines der ersten den Zusammenhang zwischen dem Verbrennen von Öl und Gas und dem Temperaturanstieg ganz klar. 1985 erstellte Exxon eine interne Prognose über die emissionsgetriebene Erhitzung, die zu 99 Prozent korrekt war. Exxon habe diese Ergebnisse freilich lange verschwiegen oder schöngeredet, um das eigene Geschäft nicht zu gefährden, sagen Kritiker. Ein Vorwurf, den das Unternehmen stets von sich gewiesen hat.
Und so ist auch den Ergebnissen aus diesem Exxon-Bericht große Aufmerksamkeit garantiert: 2050 würden zwei Milliarden mehr Menschen auf dem Planeten leben, die globale Wirtschaftsleistung
pro Kopf um 85 Prozent höher liegen als heute, der Energieverbrauch vor allem in Asien drastisch steigen. Nur in den westlichen Industrienationen können sich die Exxon-Forscher einen Rückgang des Energieverbrauchs vorstellen. Erdöl werde in privaten Autos hingegen kaum noch eine Rolle spielen, wohl aber bei Schiff- und Luftfahrt sowie im Schwerverkehr. Den Umstieg auf Elektroautos hält Exxon in seiner Wirkung für überschätzt: Selbst wenn ab 2035 jedes neu verkaufte Auto auf der Welt nur noch mit Strom unterwegs wäre, würde das den Ölverbrauch bis 2050 nur um 17 Prozent senken.
Erneuerbare billiger als Fossile
Man wolle eine „realistische Prognose“abgeben, erklärte das Unternehmen seine Beweggründe. Quasi als Kontrapunkt zu den vielen Studien, die vom Idealziel „Nullemissionen“auf den heutigen Tag herunterrechnen und dann aufzählen, was alles theoretisch notwendig wäre, um das aus Exxons Sicht Unmögliche zu erreichen. Man kann den Bericht des Ölriesen aber auch als Warnschuss an Politiker und Industrien lesen, die weit davon entfernt sind, ihre grünen Versprechen zu halten.
Die Chancen, mit einem rascheren Umstieg auf erneuerbare Energien auch ein gutes Geschäft zu machen, stehen gut wie nie zuvor, heißt es in einem Bericht von Irena (Internationale Agentur für Erneuerbare Energien). Von 2010 bis 2022 wurden Solar- und Windenergie demnach auch ohne Förderung wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Brennstoffen.
Im Vorjahr sparten sich die Stromkunden weltweit durch den Ausbau von Wind-, Wasser- und Solarkraftwerken über 500 Milliarden Euro. Von einem Scheitern in der Klimakrise will Irena ohnedies nichts wissen. Selbst das 1,5-GradZiel sei in Reichweite. Freilich nur dann, wenn ab sofort jedes Jahr drei Mal so viel Erneuerbare zugebaut werden wie im Rekordjahr 2022.