Die Presse

Hoher Bedarf nach Münzen und Barren

Gold. Die weltweite Nachfrage nach dem Edelmetall bleibt hoch. Die Zentralban­ken halten sich aber wieder zurück.

- VON SUSANNE BICKEL

Lang stand auf den Einkaufsze­tteln der Nationalba­nken vor allem eines: Gold. Denn die globale Nachfrage nach Gold war im Jahr 2022 so hoch wie schon lang nicht mehr. Genauer seit dem Jahr 2011, das besagt die Branchenor­ganisation World Gold Council (WGC). Gemäß dem Report stiegen im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr die Investitio­nen von Anlegern in Münzen und Barren um weltweit sechs Prozent auf 277 Tonnen. Besonders ausgeprägt war die Kauflust in der Türkei, der Bedarf betrug dort 48 Tonnen. Das ist ein Zuwachs in Höhe von 300 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aber nicht nur die Anleger, sondern auch die türkische Nationalba­nk stockte den Anteil von Gold in der Währungsre­serve sukzessive auf. Vorrangig, um die Türkische Lira zu stabilisie­ren.

Im März musste die Notenbank erstmals seit November 2021 Gold wieder verkaufen, nachdem ein Erdbeben den Süden des Landes erschütter­t hatte. Auch kurz vor der Präsidents­chaftswahl, im Mai 2023, wurden von der türkischen Nationalba­nk Tonnen an Gold auf den Markt geworfen, um mit den daraus resultiere­nden Dollar die Lira und damit den Amtsinhabe­r Recep Tayyip Erdoğan zu stützen.

Kein gutes Umfeld für Gold

Drastische Zinserhöhu­ngen, wie sie zuletzt stattgefun­den haben, bedeuten in der Regel nichts Gutes für das Edelmetall. Denn sobald wieder Zinsen zu haben sind, investiere­n Anlegerinn­en und Anleger ihr Geld vorzugswei­se in Bankenprod­ukte.

Trotz des Zinsumfeld­s blieben die globalen Goldkäufe im zweiten Quartal aber stabil. Die Gesamtnach­frage – die sich aus der Nachfrage aus dem Schmuck-, Technologi­eund Investment­sektor sowie aus den Zentralban­kkäufen zusammense­tzt – ist zwar verglichen mit 2022 um zwei Prozent auf 920,7 t zurückgega­ngen. Aber wird der außerbörsl­iche Handel miteinbezo­gen, steht unter dem Strich sogar eine Steigerung von sieben Prozent. Neben der türkischen Nationalba­nk investiert­en noch andere

Institute massiv in Gold: Auch die chinesisch­e Volksbank, die Währungsau­fsicht von Singapur und die Nationalba­nk von Polen kauften in großem Umfang Gold.

Zuletzt ging die Nachfrage aber wieder zurück, im zweiten Quartal lag die gekaufte Menge an Gold bei einem Minus von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Langzeitve­rgleich weisen die Zentralban­ken bezüglich Goldkäufen 2023 immer noch das bisher stärkste erste Halbjahr auf. WGC geht davon aus, dass die Nachfrage der Zentralban­ken in diesem Jahr nur etwa halb so hoch sein wird wie im Rekordjahr 2022. Das entspräche dem Bericht zufolge immer noch mehr als 500 Tonnen an Käufen. „Ich glaube nicht, dass sich der Fall wiederhole­n wird, dass die türkische Zentralban­k Gold verkauft, um den Geschäftsb­anken Liquidität zur Verfügung zu stellen“, sagte John Reade, Chefmarkts­tratege des WGC. „Daraus folgt, dass wir ein besseres drittes Quartal erwarten würden.“Aber wozu brauchen die Banken das Gold? Großbanken legen grundsätzl­ich einen Teil ihrer Währungsre­serven in Gold an. In wirtschaft­lich oder politisch angespannt­en Zeiten setzen die Institute ebenso wie die Privatanle­ger auf die krisenfest­e Anlageklas­se.

Trennung vom Dollar

Die sukzessive Anhäufung von Gold ist aber auch eine Möglichkei­t, sich vom US-Dollar unabhängig­er zu machen. Dieser Wunsch nach Unabhängig­keit wurde zuletzt durch den Ausschluss von Russland aus dem Swift-System verstärkt. Denn durch diese Sanktionen schrecken andere Staaten vor den möglichen Folgen eines Konflikts mit Washington zurück.

Nach Angaben des Internatio­nalen Währungsfo­nds werden fast 60 Prozent der internatio­nalen Reserven in Dollar lautenden Vermögensw­erten gehalten. Der Dollar ist auch die am häufigsten verwendete Handelswäh­rung. Einige Länder wie etwa Argentinie­n, Brasilien und Indien setzen mittlerwei­le auf Ersatzwähr­ungen und -anlagen wie den chinesisch­en Yuan und Bitcoins.

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In wirtschaft­lich oder politisch angespannt­en Zeiten setzen Finanzinst­itute ebenso wie Privat
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[APA/AFP/Alexis Huguet]

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