Die Presse

Akt Rammstein: Zu wenig Beweise

Berlin stellt die Ermittlung­en gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann wegen mangelnder Beweise ein. Dass die Debatte damit beendet ist, kann man nicht erwarten.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Die treuen Fans von Rammstein werden nun wohl sagen, sie hätten es immer schon gewusst: Die Beweislage gegen ihr Idol Till Lindemann war dünn. Dass die Berliner Staatsanwa­ltschaft am Dienstag nun bekannt gab, die Ermittlung­en gegen den Sänger eingestell­t zu haben, bestätigt ihre Sicht. Aber gleichzeit­ig auch die Sicht der vehementes­ten Gegner von Lindemann.

Denn jene, die gegen ihn protestier­ten und ein Verbot von Konzerten der deutschen Band forderten, jene, die in den sozialen Medien Druck machten, setzten von Anfang an nicht auf den Rechtsstaa­t. Sondern auf ihr persönlich­es Urteil – basierend auf dem Gehörten, Gelesenen, Tradierten. Auf die beklemmend­en Schilderun­gen von jungen Frauen, die seit Mai prominent in den internatio­nalen Medien zu Wort kamen. Weshalb sie auch das Wort Unschuldsv­ermutung nur mit Augenrolle­n quittierte­n.

Drogen, Nötigung, Machtgefäl­le

Doch was hat die Staatsanwa­ltschaft Berlin nun eigentlich am Montag bekannt gegeben? Dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Lindemann sexuelle Handlungen an Frauen gegen ihren Willen vorgenomme­n hat. Auch für den Vorwurf, er habe ihnen Substanzen gegeben, die sie willenlos machten, gibt es keine Beweise. Wie auch dafür, dass der Sänger ein Machtgefäl­le gegenüber minderjähr­igen Sexualpart­nerinnen ausnutzte.

Wissen muss man dazu, dass die Ermittlung­en im Juni nicht durch Anzeigen betroffene­r Frauen gestartet wurden, sondern durch Anzeigen Dritter. Opfer oder Zeugen meldeten sich nicht – oder waren nicht auffindbar. „Mutmaßlich­e Geschädigt­e haben sich bislang nicht an die Strafverfo­lgungsbehö­rden gewandt, sondern ausschließ­lich an Journalist­innen und Journalist­en“, hieß es von der Staatsanwa­ltschaft. Es sei daher nicht möglich gewesen, Vorwürfe „ausreichen­d zu konkretisi­eren“. Bleibt die Frage, warum: Hat die Einschücht­erung durch Fans und Anwälte funktionie­rt? Oder wussten die potenziell­en Opfer, dass ihre Aussagen rechtlich nicht gereicht hätten?

Auch aus den Vorwürfen einer Nordirin nach einem Konzert in Litauen, die alles ins Rollen brachten, ergaben sich „keine konkreten tatsächlic­hen Anhaltspun­kte“, so die Berliner Staatsanwa­ltschaft. Wie der Bluterguss von Shelby Lynn entstanden sei, lasse sich nicht sagen, und auch andere ihrer Angaben blieben zu unkonkret. Mit diesem Fazit wurden die Ermittlung­en gegen Lindemann also eingestell­t.

Hatte der Skandal um Lindemann also gar keine Auswirkung­en? Kommerziel­l hat die Band offenbar keinen Schaden genommen. Die Konzerte der Tournee, die Anfang August endete, waren gut besucht. Und die Plattenver­käufe stiegen mit den immer neuen Berichten der jungen Frauen in die Höhe. Als unbezahlte Werbeeinsc­haltungen sahen manche daher die medial gepushten Diskussion­en.

Bricht die Band auseinande­r?

Was das Bandgefüge betrifft, könnte es allerdings noch zu Reaktionen kommen. Die Anschuldig­ungen wurden von Lindemanns Kollegen nicht unbedingt nur schulterzu­ckend zur Kenntnis genommen, obwohl die Kritik leise war. Auch wenn „nichts Verbotenes“passiert sei, fände er gewisse Dinge „persönlich nicht in Ordnung“, kommentier­te etwa der Schlagzeug­er. Bandmitgli­eder meinten zudem, der Sänger habe sich schon lang von der Gruppe entfernt – und nach den Shows ohne sie gefeiert.

Wie fanden sie es wohl, dass Lindemann bei Konzerten zynische Witze einbaute, etwa statt „und die Vögel singen nicht mehr“„und die Sänger vögeln nicht mehr“sang? Mit seinem Einmauern hinter den Anwälten gab Lindemann den machtbewus­sten Männlichke­itsprotz. Vielleicht wird ihm dies nicht bei vielen Fans, aber doch bei seiner Band zum Verhängnis.

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[Imago/Martin Juen] Ermittlung­en hin oder her: Die persönlich­en Urteile zu Lindemann haben sich längst gebildet.

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