Leute machen Kleider
Die Ausstellung „Critical Consumption“im MAK liefert einen rasanten und kritischen Streifzug durch die Geschichte der Kleiderproduktion.
Von Wien aus schielte Marie Antoinette bereits im 18. Jahrhundert nach Paris. Um sich über die jüngsten Trends der Modehauptstadt zu informieren, wurden der Erzherzogin von Österreich Miniaturpuppen – sogenannte Pandoras – geschickt, gewandet in die schönsten neuen Kreationen der französischen Schneider. Davon ließ Marie Antoinette sich dann zu ihrer Garderobe inspirieren – und im Handumdrehen war aus Kleidung durch gekonnte Vermarktung und Verbreitung Mode geworden.
Symbolisch für diese frühe Form der grenzüberschreitenden Trendsetzung steht ein historisches Paar Puppenschuhe in der Ausstellung „Critical Consumption“, die am Dienstag im Wiener Museum für angewandte Kunst eröffnete. Ein Jahr lang kann hier anhand von Objekten aus der hauseigenen Sammlung ein rasanter Streifzug durch die Historie des Modebegriffs und der Materialentwicklung unternommen werden – bis hin zu aktuellen Fragen wie einer kritischen Auseinandersetzung mit Massenkonsum und Fast Fashion. „Wir zeigen Strategien des Bewahrens und Erhaltens auf“, so Museumschefin Lilli Hollein. Außerdem will sie den „Beitrag, den jeder Einzelne leisten kann, ohne dass es der Lust an Mode zuwiderläuft“, vorführen.
Hier legt sie die gar nicht sonderlich geheime Mission dieser thematisch eigentlich sehr breit angelegten Ausstellung offen: die Änderung des individuellen Konsumverhaltens.
Die Perspektiven und vorgeschlagenen Lösungsansätze beschäftigen sich weniger mit systemischen Problemen und politischen Maßnahmen als mit Konsumkritik.
An einer der Wände im Ausstellungsraum entdeckt man etwa eine Liste guter Vorsätze für die Kleiderwahl – „Kaufe, was du liebst, und liebe, was du kaufst“oder „Stelle aus kontrollierten Materialien deine Kleidung im DIY-Verfahren selbst her“. Im Eingangsbereich findet sich eine Hilfestellung zur „Kleiderschrankanalyse“mithilfe eines Fragebogens.
Die Nachhaltigkeit der eigenen Garderobe wird anhand von Fragen wie „Wie hoch ist der VintageAnteil deines Schranks?“oder „Wie viel Stück geben ein unpassendes Bild von dir ab?“abgeklopft. Im hinteren Teil der Ausstellung kann man dann via Spiegel-Selfie seine liebsten Vintage-Kleiderstücke in eine Bildergalerie einspeisen.
Auch Secondhand macht Mist
Ergänzt wird die historische Abhandlung zum einen durch aktuelle Best-Practice-Beispiele. Das bekannteste Exponat dabei ist hier eine Tasche aus Lkw-Planen des Schweizer Upcycling-Unternehmens Freitag. Auch Kleidungsstücke aus wiederverwerteten Materialien von Wiener Modeschaffenden sind zu finden, ein Baumwoll-Frottee-Pullover von Amaaena, eine modular zusammensetzbare Wolljacke von Meshit und dem Post-Couture-Collective sowie aufgewertete SecondhandKleidung von Dead White Men’s Clothes.
Zum anderen treiben künstlerische Positionen die Ausstellung auch inhaltlich an. Die Videoinstallation „Return to Sender – Delivery Details“der kenianischen Künstlergruppe „The Nest Collective“wurde zum Beispiel bereits 2022 auf der Documenta 15 in Kassel gezeigt. Sie beschäftigt sich mit den Secondhand-Textilabfällen, die aus dem globalen Norden nach Kenia und in andere Teile Afrikas verschifft werden. Die Leinwand wird von in Plastik eingehüllten Altkleiderballen flankiert, die wohl sinnbildlich für die unglaublichen Mengen an Abfall stehen sollen.
Auf Omis Leintücher projiziert
Von der Wiener Fotografin und Installationskünstlerin Stefanie Moshammer kommt ebenso ein Video: Auf alte zusammengenähte Leintücher ihrer Großmutter projiziert die junge Künstlerin einen Zusammenschnitt von YouTube-Videos, die Influencer dabei zeigen, wie sie die Ausbeute ihrer jüngsten Einkaufsbummel („Shopping Hauls“) präsentieren.
„Critical Consumption“verfolgt in seiner Ausrichtung einen beinahe pädagogisch anmutenden Ansatz und richtet sich dabei an mehreren Stellen (und im Rahmenprogramm!) explizit an ein junges Publikum. Was aber auch Erwachsene nicht davon abhalten soll, sich an Werkstätten rund um „Visible Mending“und „Upcycling“zu beteiligen. Allein schon, um zu verstehen, was sich hinter diesen Begriffen verbirgt.