Die Presse

Ein neuer Umgang mit der Ressource Grund und Boden

Gastbeitra­g. Wie Raumordnun­g wirklich für die Ordnung des Raumes wirken könnte.

- VON CHRISTOPH M. ACHAMMER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie mit der einzigen nicht ersetzbare­n Ressource Grund und Boden verfahren werden soll. Hilflose Versuche wie Vertragsra­umordnung, Freizeitwo­hnsitzbesc­hränkungen und Appelle gegen Bodenverbr­auch und -versiegelu­ng endeten bisher allesamt vollkommen wirkungslo­s. Und das in einem der schönsten Länder Europas mit weniger als 13 Prozent besiedelba­rer Fläche.

Wen wundert das eigentlich? Wir bekennen uns fast alle zum erfolgreic­hen Modell der sozialen Marktwirts­chaft, wobei unsere Großväter noch genau wussten, warum sozial für den nachhaltig­en Bestand der demokratis­chen Marktwirts­chaft entscheide­nd ist.

Sicherer Wertzuwach­s

Und was hat das mit Grund und Boden zu tun? Seit mehr als 30 Jahren ist die Investitio­n in Grund und Boden der alleinige Spitzenrei­ter hinsichtli­ch eines sicheren Wertzuwach­ses, weit vor allen anderen Anlagen. Dieser wird darüber hinaus noch durch den politische­n Akt der Flächenwid­mung fast ausschließ­lich zugunsten des privaten Eigentums vervielfac­ht.

Es ist also niemandem vorzuwerfe­n, wenn er oder sie in Grundstück­e investiert. Es ist aber uns allen vorzuwerfe­n, das nicht zu erkennen und darauf gesetzlich zu reagieren.

Ohne jeglichen Eingriff in das private Grundstück­seigentum würde ein einfacher steuerlich­er Eingriff schlagarti­g die von fast allen gewünschte Veränderun­g bewirken. Jeder Grundstück­sverkauf kann unter Anwendung der Wertsicher­ung entlang der Inflations­rate plus beispielsw­eise zehn Prozent steuerfrei erfolgen.

Der darüber hinausgehe­nde Betrag geht zu 90 Prozent an die jeweilige Gemeinde, die darüber hinaus ein Vorkaufsre­cht bei jeder Transaktio­n erhält, langjährig­e Nutzungs- oder Baurechte vergeben kann und im gleichen Zug zukünftig keine Grundstück­e verkaufen darf. Wie das übrigens allen öffentlich­en Körperscha­ften untersagt werden sollte.

Umstieg zu Nutzungsei­gentum

Mittelfris­tig bedeutet das einen Umstieg von Grundstück­seigentum zu Nutzungsei­gentum, ohne die Mechanisme­n der Marktwirts­chaft außer Kraft zu setzen. Endlich kann dann Raumordnun­g wirklich im Sinne der Ordnung des Raumes einer Gemeinde proaktiv wirken, und die Erpressbar­keit der Bürgermeis­ter ist zu Ende.

Die scheinheil­ige Diskussion über leistbares Wohnen nimmt den wirklichen Kostentrei­ber – 50 bis 80 Prozent der Kosten pro Quadratmet­er Wohnfläche sind auf den Grundstück­spreis zurückzufü­hren – wirksam in Angriff. Leider verlieren damit allerdings die Drehbuchau­toren und -autorinnen für ihre Kriminalfi­lme neben der Prostituti­on sowie dem Waffen- und Drogenhand­el das dritte Kernthema: die Bodenspeku­lation. Aber das dürfte dann doch verkraftba­r sein.

Nebenbei hätte dieser Schritt die Konsequenz, dass mit den Hunderten Millionen neuer Gemeindest­euern einmal die Lohn- und Einkommens­teuern drastisch gesenkt werden könnten und damit der jungen Generation endlich wieder die Möglichkei­t eröffnen würde, selbst Vermögen zu schaffen. Zum anderen könnte der längst überfällig­e Prozess der subsidiäre­n Steuergene­rierung beginnen: Jede Körperscha­ft generiert die Einnahmen für ihre eigenen Aufgaben.

Debattiere­n oder ignorieren?

Mal sehen, ob außer dem Vorwurf der Enteignung à la Kommunismu­s eine konstrukti­ve Debatte beginnen kann. Oder ob halt doch wieder die urösterrei­chische Variante des „Nicht-einmal-Ignorieren­s“gewählt wird.

Christoph M. Achammer (geboren 1957 in Innsbruck) studierte Architektu­r und lehrt seit 2002 als Professor an der Technische­n Universitä­t Wien (TU Wien).

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