Wie links ist mein Bier?
Im Dezember 1986, als Dominik Wlazny, Gründer der Bierpartei (und der Band Turbobier), geboren wurde, gab es die deutsche Band Die Toten Hosen bereits seit gut vier Jahren. Auf ihrem damals neuen Album „Damenwahl“fand sich ein Lied mit besonders eingängigem Refrain: „Ja sind wir im Wald hier, wo bleibt unser Altbier?“Es war die Coverversion eines 1978 vom Düsseldorfer Hans Ludwig Lonsdorfer verfassten Karnevalslieds, das mit heimattreuen Zeilen begann: „Jeder Mensch, der liebt nun mal stolz sein Heimatland, darum lieben wir ganz klar unseren rheinischen Strand.“
Fun-Punk nennt man das bis heute populäre Genre der Toten Hosen. Neben diesen sind Die Ärzte seine prominentesten deutschen Vertreter. Auch sie loben das Bier, in „Einmal ein Bier“identifiziert sich Sänger Bela B sogar mit diesem: „Ein Bier wollte ich schon immer sein, ein Bier wie goldgelber Sonnenschein.“Auf demselben Ärzte-Album, „Hell“(2020), findet sich ein Song namens „Liebe gegen rechts“, mit der weisen Zeile: „Niemand wird als Faschist geboren.“
Punkbands standen und stehen durchaus nicht immer politisch links. Die Toten Hosen und Die Ärzte schon, wie ihre – allerdings gar nicht auf Fun bedachten, beinahe bierernsten – britischen Vorbilder The Clash. Oder eben wie der österreichische Arzt, Mediziner, Politiker und Kabarettist Dominik Wlazny, der sich den Künstlernamen Marco Pogo gegeben hat, nach dem für Punk typischen Tanzstil Pogo. Oder die US-Punkband Anti-Flag, die in den Nullerjahren gegen die Bush-Regierung auftrat und das Bier besang. In „Drink Drank Punk“hieß es: „I want to drink more beer, until I puke.“Ein ähnliches
Geständnis brachte die ebenfalls klar linke Hardcore-Band Black Flag im Song „Six Pack“: „I was born with a bottle in my mouth, now I got a six pack, so I‘ll never run out.“
Gut, das war schon deutlich selbstironisch. Selbstironie gehört eben zum Fun-Punk. Und zum Spiel mit der ostentativen Liebe zum Bier. Diese ist ja – auch – politisch rechts konnotiert. „Deutsche Frauen, deutsches Bier, Schwarz-Rot-Gold, wir steh’n zu dir“, skandierten die Böhsen Onkelz; die dezidiert linke ehemalige Fun-Punk-Band Die Goldenen Zitronen zitierte diese Zeilen bitter in ihrem Stück „80 Millionen Hooligans“.
Wenn Linke ihre Gegner charakterisieren, fehlt selten der Verweis darauf, dass deren Slogans an das Bierzelt oder den Biertisch gerichtet seien. Tatsächlich spielt das Biertrinken in den Riten der Burschenschaften eine zentrale Rolle; der unglückselige FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache, wiewohl selbst weder studierend noch studiert, diente sich diesen an, indem er sich eine „Biertonne“auf den Kopf setzte.
Eine solche Kopfbedeckung wäre bei einem Konzert der Toten Hosen oder Dominik Wlaznys Band Turbobier nicht comme il faut, das ist klar. Aber wäre es denkbar, dass eine solche linksgerichtete Punkband etwa zur Zugabe das deutsche Trinklied „Bier her, Bier her, oder ich fall um“vorträgt? Dieses wird in manchen Listen als „Studentenlied“geführt, also eher nicht.
Oder sollte man das als gelungene kulturelle Aneignung werten? Was wäre andererseits, wenn bei der Sauferei einer rechtsextremen Burschenschaft ein Alter Herr das erwähnte „Altbier-Lied“anstimmt? Würde ihn ein junger Fuchs, der die Toten Hosen kennt, der antifaschistischen Umtriebe überführen?
„Mei Bier is net deppert“, sagte Edmund Sackbauer. In dieser Tradition könnte man fragen: Wie links oder wie rechts kann ein Bier sein? Und: Merkt man es dem Trinkenden an? Ist es rechts, einen Maßkrug anzusetzen, und links, aus der Flasche zu trinken? Ältere erinnern sich: Als das Wiener Musiklokal Flex noch „hardcore“und in Meidling war, taten das alle dort, es gab weder Gläser noch Wein. Was offenlässt, ob wenigstens der Bierkonsum via Dose politisch neutral (oder liberal?) ist.
Oder kommt es auf die Marke an? Wie sozialdemokratisch punziert ist Ottakringer? Auf der sicheren linken Seite ist man wohl mit dem Freistädter Bier, das in einer „Braucommune“im Mühlviertel gebraut wird. Wer sich als sensibel für Sexismus profilieren will, könnte beim Hirter Bier zögern: Es wurde einst mit drei nackten Frauen beworben, die jeweils ein Bier mit ihrem Haar entsprechender Farbe hielten. Auf Beschwerden, unter anderem der Wiener Frauenstadträtin, reagierte die Firma mit einem Sujet mit (allerdings bekleideten) Männern.
Heftiger protestierte der Southern-Rock-Star Kid Rock, ein Donald-Trump-Unterstützer, gegen einen Werbespot der Sorte Bud Light, in dem eine Transfrau zu sehen war: Er schoss mit einer Maschinenpistole auf die Bierdosen. Dazu muss man wissen, dass Budweiser in liberalen US-Kreisen als provinzielles Getränk, ja als „Redneck Beer“gilt. In „Iowa“, Stefanie Sargnagels geistreichem Bericht über eine Reise, die noch vor der KidRock-Affäre stattgefunden hat, wird es viel getrunken, vor allem in einer definitiv nicht gentrifizierten Bar. „Noch sind unsere Flaschen Bud Light unbelastet von den kulturkämpferischen Verwerfungen des Zielgruppenmarketings“, schreibt Sargnagel: „Noch symbolisieren sie nichts außer einen gemütlichen Abendausklang.“
Egal ob die Bierpartei antritt oder nicht, diesen apolitischen Symbolwert wird das Bier wohl behalten, ob in Iowa, am rheinischen Strand oder in Downtown Ottakring.