Was die deutsche Bezahlkarte für Asylwerber können soll
Statt Bargeld sollen Asylwerber ab dem Sommer eine Art Bankomatkarte mit Guthaben bekommen. Was nach Digitalisierung der Verwaltung klingt, wird mit der Hoffnung aufgeladen, die hohe Zahl der Asylanträge zu senken. Ein FPÖ-Politiker will die Idee bereits
Sie sieht aus wie eine normale Bankomatkarte. Für ihre Befürworter ist sie aber nicht weniger als eine Lösung für das deutsche Migrationsproblem. „Staatsoperation Bezahlkarte!“, schrieb das deutsche Boulevardblatt „Bild“über das Projekt, das am Mittwoch formal beschlossen wurde. Dieses soll nicht weniger als die „irreguläre Migration eindämmen, Binnenmigration stoppen, Schleuserkriminalität austrocknen“– und auch noch die Verwaltung vereinfachen.
Im November hatten sich der deutsche Kanzler, Olaf Scholz (SPD), und die 16 Bundesländerchefs auf eine Bezahlkarte für Asylwerber geeinigt. Sie soll die bisherigen Bargeldzahlungen ersetzen. Der hessische Ministerpräsident, Boris Rhein (CDU), sagte, das unterbinde „die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in Herkunftsländer zu überweisen“. Mit der Karte können Asylwerber elektronisch bezahlen – aber nur in Deutschland und je nach Konfiguration der Behörde sogar nur in bestimmten Regionen.
Hinter den großen Hoffnungen mancher in die schlichte Karte steckt eine Vermutung, die in Deutschland schon länger zu hören ist: Würden Asylwerber vom Staat kein Bargeld in die Hand gedrückt bekommen, sondern Sachleistungen wie Essen oder Kleidung, kämen am Ende nicht mehr so viele.
Thüringen meldet erste Abreisen
Diesen Schluss legen die Anekdoten aus zwei thüringischen Landkreisen nahe, die in den vergangenen Tagen verbreitet wurden: In Greiz und Eichsfeld wurden die Barzahlungen vor mehr als einem Monat durch die Bezahlkarte abgelöst. Daraufhin seien im einen Fall 15 von rund 200 und im anderen 35 von 135 Asylwerbern nicht mehr gekommen. Die verantwortlichen CDU-Regionalpolitiker führen das auf die neu eingeführte Bezahlkarte zurück. Die Abgereisten kamen bisher nicht zu Wort. Statistisch sind die beiden Pilotprojekte kaum aussagekräftig.
Dass die Auszahlung von Bargeld an Asylwerber zu Missbrauch führen kann, zeigt aber eine länger zurückliegende Anekdote: In Berlin gaben die Behörden während der
Pandemie im Jahr 2021 die Gelder für Essen und Kleidung in bar aus – und zwar gleich drei Monate im voraus, um den persönlichen Kontakt so gering wie möglich zu halten. Die Asylanträge aus der Republik Moldau stiegen daraufhin stark an. Deutsche Medien schrieben damals von größeren Gruppen, die von mutmaßlichen Schleppern vorgefahren wurden, mehrere Tausend Euro in bar bekamen und bald darauf wieder abreisten.
Von mehr als 5000 moldauischen Asylanträgen wurde im Jahr 2021 kein einziger als gerechtfertigt anerkannt. Vom BezahlkartenProjekt im thüringischen Eichsfelden berichtete ein Mitarbeiter der Asylbehörde, es seien Asylwerber aus Serbien und Nordmazedonien, die nicht mehr wiederkamen, als das Bargeld ausblieb. Auch für diese beiden Länder sind die Anerkennungsquoten gering.
Zur möglichen Dimension eines vermuteten Missbrauchs fehlen die belegbaren Zahlen. Zwar gibt es grobe Schätzungen, wie viel Geld pro Jahr von Ausländern aus Deutschland in andere Länder innerhalb und außerhalb Europas überwiesen wird. Was von Asylwerbern stammt, lässt sich aber nicht herauslesen. Wer im deutschen Asylverfahren steckt, kann vom Staat maximal 460 Euro pro Monat ausbezahlt bekommen.
Ob die Bezahlkarte zu einem Rückgang der Asylanträge in Deutschland führen wird, ist offen. Sie soll jedenfalls im Frühsommer eingeführt werden – bevor in Brandenburg, Thüringen und Sachsen der Landtagswahlkampf losgeht. In den drei ostdeutschen Bundesländern wird im Herbst gewählt, die rechte AfD liegt laut Umfragen auf dem ersten Platz. Auch im österreichischen Wahlkampfjahr könnte die Bezahlkarte eine Rolle spielen: Der stellvertretende oberösterreichische Landeshauptmann, Manfred Haimbuchner (FPÖ), will die Idee kopieren.