Im Wettlauf gegen den Zeitgeist
Die „Könige des Wintersports“nehmen in Seefeld den Höhepunkt der Saison unter die Ski, Mario Stecher spricht über den Kampf um Aufmerksamkeit.
Seefeld. Die nordischen Kombinierer springen und laufen einer ungewissen Zukunft entgegen. Ausgerechnet jener Faktor, der ihre Sportart zur Königsdisziplin der nordischen Sparte gemacht hat, scheint beim Publikum immer weniger gefragt zu sein: die Kunst, vermeintlich unvereinbare Disziplinen zu kombinieren. Der Zeitgeist verlangt verstärkt nach Spezialisten, nicht umsonst verschwinden auch im alpinen Skisport sukzessive die „Allrounder“.
Mario Stecher, der sportliche Leiter im Österreichischen Skiverband, glaubt dennoch an das Potenzial der Alleskönner. „Es gibt nicht viele, die es schaffen, aber deren Leistungen sind umso bemerkenswerter“, sagt er. Als ehemaliger Kombinierer weiß der 46-jährige Steirer, wovon er spricht.
Seefeld ist kein Allheilmittel
In Seefeld, wo von Freitag bis Sonntag das Nordic Combined Triple steigt, gilt es für die Kombinierer, Werbung in eigener Sache zu machen. „Das ist das Saisonhighlight, keine Frage“, beschreibt Stecher die drei Bewerbe, deren addierte Ergebnisse am Ende bereits zum elften Mal einen Gesamtsieger hervorbringen werden. Nicht nur als
Österreicher wolle man da gewinnen, auch international sei die Veranstaltung sehr angesehen – besonders in einem Winter wie diesem, ohne Olympia oder WM.
Zur Steigerung der Wertigkeit der Sportart an sich könne das Event jedoch nur wenig beitragen. „Wichtig ist, dass wir in Zukunft den neu eingeführten Kompaktbewerb forcieren. Und dass die FIS (Internationaler Skiverband, Anm.) in Richtung des IOC (Internationales Olympisches Komitee, Anm.) weiter Lobbying betreibt“, lautet die Einschätzung des je zweifachen TeamOlympiasiegers und Weltmeisters.
Im Hintergrund schwelt ein Konflikt mit dem IOC, das entgegen allen Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit die Kombiniererinnen nicht in das Programm für Olympia 2026 aufgenommen hat. Selbst die Männer schafften es beinahe nicht auf die Liste für Mailand und Cortina d’Ampezzo. Zu gering seien die Leistungsdichte an der Weltspitze sowie das Zuschauerinteresse.
Inzwischen steht fest: Die Männer dürfen in zwei Jahren mit dabei sein – jedoch wurde das Starterfeld
auf 36 Athleten, also zwei pro Nation, reduziert. „Diese Quotenregelung bringt für den Sport gar nichts“, ärgert sich Stecher. In der Loipe mag eine möglichst große Anzahl an teilnehmenden Nationen noch Sinn ergeben, auf der Skisprungschanze sei dies jedoch ein utopischer Wunschgedanke.
„Diese Situation bedeutet einen schleichenden Tod der Disziplin“, befand Ronny Ackermann, Ex-Weltmeister und ehemaliger Nationalmannschaftstrainer aus Deutschland, vor rund einem Jahr. So pessimistisch sieht es Stecher nicht, doch ob der Ungewissheit vor einem Rausschmiss von Olympia 2030, sieht er die FIS in der Pflicht. „Wir brauchen Formate, die flott über die Bühne gehen. Ein Bewerb darf keine sechs Stunden dauern“, mahnt er. Schließlich ist der Kampf um Aufmerksamkeit nicht zuletzt auch ein Kampf um Sendezeit im Fernsehen.
Der erwähnte Kompaktbewerb (der Zweitplatzierte nach dem Springen geht mit festgelegten sechs Sekunden Rückstand auf den Ersten in die Loipe) gelte als Schritt in die richtige Richtung. Zwar habe es vor der Saison erheblichen Gegenwind aus Norwegen gegeben, inzwischen sei die dominierende Nation im Kombinationsweltcup jedoch von der sportlichen Wertigkeit sowie der Notwendigkeit dieses Formats überzeugt. „Wir müssen die Kirchturmpolitik hinter uns lassen und erkennen, dass es nicht um den Vorteil einzelner Nationen, sondern um die Existenz der nordischen Kombination an sich geht“, sagt Stecher.
Kein Klotz am Bein
Anders als viele andere Sportarten würde der zwölffache Weltcupsieger nicht zu sehr auf Expansion setzen. „Wir sind viele Jahre in China und Japan gewesen, nachhaltige Vorteile haben wir nicht daraus gezogen“, berichtet er – und fordert viel eher eine Optimierung der Infrastruktur in den etablierten Ländern. „In Ländern, in denen nordische Kombination qualitativ hochwertig betrieben wird, ist die Wertschätzung für diesen Sport sehr hoch. In Deutschland kommt sie im Fernsehen sehr gut an.“
Schlussendlich steht und fällt wohl alles mit dem IOC und einem Olympiaverbleib (oder im Falle der Frauen mit einer Aufnahme). Stecher: „Wir müssen zeigen, dass wir kein Klotz am Bein, sondern eine Kernsportart sind.“
‘‘ Es geht nicht um den Vorteil einzelner Nationen, sondern um die Existenz der nordischen Kombination an sich.
Mario Stecher, Sportlicher Leiter ÖSV