Antifaschistischer Karneval wird die Regierenden auch nicht retten
Wenn Linke die Demokratie beseitigen wollen, bleiben sie unbehelligt, wenn Rechte davon fantasieren, droht das Ende der Demokratie. Warum eigentlich?
Dem hervorragenden österreichischen Philosophen Rudolf Burger (1938–2021) verdanken wir den hübschen Begriff „antifaschistischer Karneval“. So bezeichnete der scharfsinnige Denker den albernen, von der politischen Linken und der berühmten „Zivilgesellschaft“orchestrierten Massenprotest samt Lichtermeer gegen die Regierung von ÖVP und FPÖ unter Kanzler Wolfgang Schüssel, die am 4. Februar 2000 angelobt wurde. Eine milde Form der Massenhysterie ergriff damals erhebliche Teile von Medien und Politik, die sich gebärdeten, als stünde eine Machtübernahme des Nationalsozialismus bevor. „Die Schande Europas“nannte damals etwa das Magazin „Profil“das neue Kabinett und berauschte sich dabei an dem ganz großartigen Gefühl, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.
An jenen politischen Karneval vor fast einem Vierteljahrhundert erinnerten mich die Demos, die in den vergangenen Wochen in Deutschland und Österreich stattfanden und die angeblich das Ziel hatten, die Demokratie zu retten. In Gefahr geraten war die angeblich, weil ein paar politisch eher irrelevante Herren aus dem Rechtsaußen-Sektor der Politik in einer Villa nahe Berlin in privater Runde radikale und wohl grundrechtswidrige Überlegungen zum Thema Migration angestellt hatten.
Ich persönlich bin nicht ganz sicher, ob die obskure Runde in der Villa bei Berlin wirklich so eine Gefahr für die deutsche Demokratie darstellt, wie manche Medienberichte und Politikerreden unterstellt haben, aber man kann das natürlich anders sehen. Schnell war jedenfalls in fast allen Medien – etwa auch orf.at – die Rede davon, dass es hier um eine Manifestation „gegen rechts“gehe – und genau darum geht es in Wahrheit auch: alles, was politisch nicht links ist, zu desavouieren und ins Nazi-Eck zu rücken.
Dass sowohl in Deutschland die AfD als auch hierzulande die FPÖ immer stärker und stärker werden, hat damit natürlich rein überhaupt nichts zu tun – es wird ganz, ganz sicher ein Zufall sein, dass sich jetzt die noch regierenden Parteien an diesem antifaschistischen Karneval höchst ambitioniert beteiligen. Ohne jedes Eigeninteresse, versteht sich, es geht da nur um die Demokratie. Oder so.
Interessant und auch ein wenig irritierend daran ist freilich, dass sich die selbst ernannten Retter der Demokratie vor ihren Feinden als einigermaßen elastisch erweisen in der Frage, vor welchen Feinden diese Demokratie eigentlich geschützt werden muss – und vor welchen seltsamerweise nicht. Der österreichische Identitären-Aktivist Martin Sellner, Teilnehmer an der Sitzung in der Villa, wurde von den deutschen Behörden flugs zur Fahndung ausgeschrieben, Medienberichten zufolge wegen einer „Gefahrenprognose“der Polizei.
Vor ein paar Monaten hingegen durfte ein hochrangiger Vertreter der Taliban unbehelligt nach Deutschland einreisen, seine mit dem deutschen Grundgesetz eher nicht kompatiblen Ansichten in einer Predigt verbreiten und wieder abreisen. Islamismus, offenbar keine Gefahr. Genauso wenig wie radikale Klima-Aktivisten, die notfalls die Demokratie abwracken wollen, wenn sie ihrem ideologischen Endziel entgegensteht, aber von keinem Verfassungsschutz zur Fahndung ausgeschrieben werden. Ohne Konsequenzen blieb es auch für den Schweizer Soziologen und Links-Aktivisten Jean Ziegler, als er vor ein paar Jahren öffentlich erklärte, der Sturz des kapitalistischen Systems werde „nicht ohne Gewalt“möglich sein. Das ist zwar, anders als im Fall Sellner, eindeutig ein verfassungswidriger Gewaltaufruf – aber Ziegler durfte trotzdem weiterhin nach Deutschland oder Österreich einreisen, ohne zur Fahndung ausgeschrieben zu werden. In Wien durfte er gar auf Einladung der Stadt einen Vortrag halten, die SPÖ ehrte ihn mit einer Medaille.
Wir sehen: Hier wird ganz eindeutig mit zweierlei Maß gemessen, und sehr viele Menschen spüren das und sind darüber verärgert. Aber wenn sie dann aus Wut darüber AfD oder FPÖ wählen, kann man ja noch immer einen antifaschistischen Karneval gegen sie inszenieren.
‘‘ Ein milde Form von Massenhysterie ergriff Medien und Politik.