Zwischen Wolkendecke und Schneedecke
Aus der Perspektive eines Heißluftballons zeigt sich das Dorf Filzmoos als winterliches Idyll. In der Pferdekutsche und im Winterwald dann erst recht. Gemütlichkeit abseits vom Rummel.
Die Venus strahlt hell neben dem fast vollen Mond, während der Pferdeschlitten mit Glockengeläut durch den tief verschneiten Fichtenwald fährt. Pferdeschlittenfahren gehört zu den schönsten Erlebnissen eines Winterurlaubs in Filzmoos. Diese Art der Fortbewegung hat in dem romantischen Bergdorf am Fuße der Bischofsmütze Tradition, nur Winterwandern wäre eine Alternative, wenn die Forststraße von November bis März für den Autoverkehr gesperrt ist. Es gibt noch rund 20 Gespanne mit robusten Haflingern, Norikern und Friesen im Ort, die ganzjährig und nicht nur für Touristen im Einsatz sind. Im Winter gleiten die Kufen über den Schnee, im Sommer rollt der Schlitten zu den umliegenden Almen und dient dem Forstbetrieb. Abfahrt ist am Gelände vom Gasthof Fiakerwirt, eines der ältesten und urigsten Holzhäuser, unweit vom Dorfplatz, im Zentrum von Alt-Filzmoos.
Ein Grad entscheidet
Georg oder Schorschei, wie die Einheimischen sagen, nimmt in seiner Kutschertracht auf dem Bock vorn Platz. Im Schlitten kuscheln sich bis zu zehn Personen unter dicken Wolldecken eng zusammen. Los geht’s mit einem Jodler und weiter mit Anekdoten und Witzen, die schnell für gute Stimmung sorgen, Lachen wärmt! Luki und Grandezza traben im gleichmäßigen Schritt an der Warmen Mandling entlang, die trotz klirrender Kälte in Richtung Enns fließt. Von warm ist im Hochwinter zwar nichts zu spüren, aber die Filzmooser unterscheiden zwischen „kalter“und „warmer“Mandling aufgrund von einem Grad Temperaturunterschied, das erzählt jedenfalls Georg, und man glaubt dem sympathischen Kutscher alles, was er sagt.
Besonderes Wasser?
Auf halbem Weg, inmitten der vom Mondschein beleuchteten und schneereflektierenden Berglandschaft hält plötzlich der Schlitten, das Glockenspiel verstummt, und das Plätschern kommt jetzt nicht mehr aus dem Bach, sondern aus einem eingeschneiten Brunnen. Es ist die Meeräuglquelle, einer der sieben Kraftplätze in Filzmoos, die wegen angeblich spezieller Schwingungen markiert wurde und laut dem Wunderheiler Bruno Gröning (1906–1959) eine revitalisierende Wirkung auf den Menschen ausüben soll. Am besten ausprobieren und die mitgebrachte Flasche mit dem „rechtsdrehenden“Wasser auffüllen. In Kombination mit dem Zirbenschnaps, den die Kutschenfahrgäste zum Aufwärmen gern zu sich nehmen, verliert das heilende Wasser allerdings an Kraft, aber am nächsten Morgen auf nüchternen Magen wirkt es tatsächlich Wunder.
In der Unterhofalm lodert ein gemütliches Feuer im offenen Kamin, die Wärme und der herzliche Empfang der Wirtin sind eine willkommene Wohltat nach viel frischer Luft bei der einstündigen Schlittenfahrt. Die Vorfreude auf die Fleischkrapfen mit Sauerkraut und den Kaiserschmarren hat sich gelohnt, auf der Alm schmeckt es einfach besonders gut. Darauf und auf die neue Wirtin wird nach dem Essen noch einmal mit Hausschnaps angestoßen. Nur der Kutscher verzichtet darauf, denn auch ein Pferdeschlitten ist ein Personentransport, und bei allem Spaß trägt er die Verantwortung für die Rückfahrt.
Auf der Hammerwiese herrscht schon reges Treiben, bevor noch die ersten Lifte den Betrieb aufnehmen. Peter und sein Team bereiten die Heißluftballons zur Abfahrt vor, während schaulustige Frühaufsteher und aufgeregte Passagiere rund um die Körbe stehen, fotografieren und abwarten, ob sich der dichte Morgennebel doch noch rechtzeitig auflösen wird. Von der Bischofsmütze, dem Filzmooser Hausberg, ist nur ein Zipfel zu sehen, das Dachsteingebirge versteckt sich hinter einer dicken Wolkendecke. Zwei bunte Ballons sind inzwischen mit heißer Luft gefüllt und zum Start bereit. Tatsächlich ist der Wettergott gnädig gestimmt, wie die Flugwetterprognose vom Salzburger Flughafen bestätigt. Mehr und mehr blauer Himmel wird sichtbar, der erste Ballon hebt bei elf km/h Windgeschwindigkeit am Boden und winterlichen minus zwölf Grad ab. Kaum merkbar verlieren die Passagiere den Boden unter den Füßen und schweben sanft dem Himmel entgegen.
Gipfel zählen in der Stille
Gesprochen wird kaum, in wenigen Minuten steigt der Ballon, die Aussicht beeindruckt vor allem jene, die das erste Mal die Bischofsmütze auf 2458 Metern von Angesicht zu Angesicht erleben. Den Wind spürt man nicht, er bestimmt allein die Fahrgeschwindigkeit und Richtung. Ein Teilnehmer aus Bayern meldet sich mit Begeisterung über die Entdeckung des Watzmanns am nördlichen Horizont, und schon übernimmt der Pilot die Reiseleitung mit alpinen Informationen, indem er mit der freien Hand auf Gosaukamm, Dachsteinmassiv, Tennengebirge und Großglockner zeigt. In den Tälern liegen noch vereinzelt Nebelfelder und tiefe Wolken, der Horizont gleicht einer Aquarellmalerei aus Blautönen mit pointierten weißen Gipfeln und Gletschern. In einer Höhe von 3000 Metern dreht Peter den Gashahn zu – keine Energiesparmaßnahme, vielmehr ein Genussmoment der absoluten Stille, die sonst im Minutentakt von den Flammen unterbrochen wird.
Höhenangst ist kein Thema, aber als der Gasanzünder nicht gleich wieder funktioniert, fühlt sich die Luft plötzlich sehr dünn an. „Keine Sorge, ein bisschen Spaß muss sein, es geht schon wieder weiter“, sagt Peter lachend und erklärt zur Sicherheit noch einmal alle technischen Details, damit kein Zweifel aufkommt, während der Heißluftballon wieder Fahrt aufnimmt.
Im Sinkflug (das Wort Flug darf man eigentlich in Zusammenhang mit Ballonfahrten nicht in den Mund nehmen) über dem Ennstal, erkennt man die weißen Pisten der Reiteralm, der Hochwurzen und des Hauser Kaiblings, bevor der Korb ganz sanft auf einem Schneefeld aufsetzt. Der „Verfolger“,
also das Begleitfahrzeug, wartet schon mit dem Anhänger, im Teamwork werden der gefaltete Ballon und der leere Korb verfrachtet. Anschließend gehen die Teilnehmer zur Ballonfahrertaufe und erhalten einen adeligen Namen, der mit der Geschichte den Gebrüder Montgolfier und dem ersten Flugversuch 1783 von Jean-Francois Pilâtre de Rozier zu tun hat. Mit der persönlichen Urkunde und dem Titel „Baronesse, die Edle von Filzmoos“wird das unvergessliche Erlebnis besiegelt.
Hohe Kulinarik
Johanna Maier, die berühmteste Filzmooser Köchin hat durch ihre Auszeichnungen mit vier Hauben von Gault-Millau und zwei Michelin-Sternen nicht nur Österreich zu internationalem Renommee verholfen, sondern hat auch die Latte hochgelegt für die Gastronomiebetriebe in ihrem Heimatort. Egal, in welchem Lokal – Wirtshaus oder Hütte – man einkehrt, es schmeckt immer besonders, natürlich und mit viel Liebe gekocht.
Bachforelle und Saibling kommen täglich frisch direkt aus der Mandling – kalt oder warm – auf den Tisch, Fleisch und Milchprodukte gibt es dank Viehhaltung auf sattgrünen Almwiesen. Nach kreativen Rezepten landen sie auf dem Teller. Wildspezialitäten sind sowieso eine einheimische Angelegenheit. Feine Bergkräutermischungen auf Salaten und Gemüse machen den feinen Unterschied, Lust auf die nächste Mahlzeit oder gar auf einen Kochkurs in Johanna Maiers Kochschule.
Es klingt fast wie ein Märchen, und es sieht auch so aus, wenn die Sonnenstrahlen durch die mit Raureif und Schnee bedeckten Nadelwälder dringen und den frisch gefallenen Schnee zum Glitzern bringen. Nur sechs Minuten benötigt die Papagenobahn, um das Hochplateau und die Bergstation vom Rossbrand auf 1600 Metern zu erreichen. Hier starten Langlaufloipen und Rundwanderweg, hier ist auch der Treffpunkt zur Schneeschuhwanderung mit Edi. Während sich Skifahrer und Snowboarder ins Tal schwingen, folgen wir einer kurzen Einschulung und Fixierung der Schneeschuhe, die höchste Aufmerksamkeit gilt aber dem traumhaften Ausblick auf das umliegende Bergpanorama.
Edi und die Schneeschuhe
Die Bischofsmütze hat ihr Sonntagsgewand angezogen und strahlt mit dem tiefblauen Himmel um die Wette. Edi, deutet auf das Dachsteinmassiv und nennt die Gipfel beim Namen: Rettenstein, Torstein, Mitterspitz und Hoher Dachstein. Unser Guide kennt sich aus in den Bergen, er ist ausgebildeter Biologe. Am liebsten geht er Skitouren, aber seit einer Knieverletzung findet er auch Spaß daran, mit Schneeschuhen durch die unberührte Winterlandschaft zu wandern. Ohne ihn würden wir schnell die Orientierung verlieren und spannendes Wissen über Schneebruch, Hermelinspuren und Landeplätze für Auerhähne auf den höchsten Baumspitzen versäumen. Nach dreißig Jahren Berufserfahrung als Bergführer und Skilehrer, hat Edi Geduld gelernt und zeigt ehrliches Verständnis für zahlreiche Verschnaufpausen und Fotostopps. Der Abschied wird auf der Schörgi-Alm mit Germknödel und Vanillesauce gefeiert, Tradition muss sein.