Das drohende Aus für die Holzpalette
Die Holzverpackungsindustrie läuft Sturm gegen neue EU-Regeln. Sie würden zu strenge Vorgaben für Recycling enthalten.
Wien/Brüssel. Sie sind der Boden, auf dem der Handel abgewickelt wird, auf dem das Material für den Hausbau, für die Industrie, für sämtliche Branchen transportiert wird. Mittlerweile werden sie sogar als Sitzmöbel oder Gartenzäune eingesetzt. Doch nun warnt die Holzverpackungsindustrie, dass durch die neue EU-Verpackungsverordnung den Europaletten das Aus droht.
Die neuen Regelungen, die im Bereich der Kunststoffverpackungen vielleicht sinnvoll sein mögen, hätten im Bereich der Holzverpackungen absurde Konsequenzen, argumentiert der deutsche Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung (HPE). „Paletten und Co. halten die Versorgung von uns allen am Laufen. Damit ist zum 1. Januar 2030 Schluss, sofern nicht wesentliche Korrekturen am Gesetzestext vorgenommen werden“, warnt Marcus Kirschner vom HPE.
Derzeit wird die neue EU-Verpackungsverordnung in den sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Vertretern des EU-Parlaments, des Rats der EU und der EU-Kommission finalisiert. Am 4. März soll die letzte Runde der Verhandlungen stattfinden. Danach muss die Verordnung noch vom Rat und Parlament endgültig abgesegnet werden. Einige umstrittene Passagen wie jene zum Ende von Zuckersäckchen in Kaffeehäusern wurden bereits entfernt. Die wichtigsten Ziele der Verordnung blieben aber bestehen: die deutliche Reduzierung von Müll und die völlige Recycelbarkeit von Verpackungsmaterialien.
Kein explizites Verbot
Paletten, für die es in der aktuellen EU-Verpackungsverordnung von 2021 noch eine Ausnahmeregelung gibt, werden auch künftig nicht explizit verboten. Allerdings, so die Kritik der Hersteller, ist nun ein „High Quality Recycling“für jegliches Verpackungsmaterial vorgesehen. Das bedeutet, dass Recyclingmaterial aus Holzpaletten die Voraussetzung erfüllen muss, dass es wieder für die Herstellung von Paletten genutzt werden kann. Das ist laut den Herstellern aber technisch nicht möglich. Derzeit werden Europaletten ebenso wie Einwegpaletten zu Holzspänen verarbeitet, aus denen dann Spanplatten erzeugt werden.
Wird das Holz für Paletten nicht als ausreichend recycelbares Verpackungsmaterial eingestuft, so die Befürchtung der Hersteller, könnten die Transportböden nach und nach durch solche aus Kunststoff ersetzt werden. Diese würden zwar den Vorgaben entsprechen, ihre Ökobilanz sei aber mit Sicherheit schlechter. Allerdings gibt es mittlerweile auch andere Materialalternativen wie jene von Atta im ungarischen Szombathely. Das Unternehmen stellt aus recyceltem Papier und Karton Paletten mit einer Belastbarkeit von bis zu 3500 Kilogramm her. Auch sie erfüllen die Vorgabe der völligen Recycelbarkeit.
Zwar wird über ihr Material diskutiert, ein generelles Aus, wie es die Holzverpackungsindustrie behauptet, steht sowieso nicht im Raum. Aktuell sind laut Schätzungen weltweit rund fünf Milliarden Europaletten im Umlauf. Sie werden auch in Zukunft für den Transport per Lkw, Bahn oder Schiff notwendig sein. Und sie bleiben mit ihrer standardisierten Größe von 120/80/14,4 cm das Maß aller Dinge: Sowohl die Dimensionen von Transportfahrzeugen als auch von Stellagen in Lagerhallen sind längst auf die Größen der genormten Paletten ausgerichtet.
Die Holzverpackungsindustrie sorgt sich freilich nicht nur um Paletten, sondern auch um Transportkisten aus Holz, wie sie beispielsweise bei der Lieferung von Maschinen zum Einsatz kommen. Ihre Interessenverbände fordern nun, dass Holzverpackungen generell aus dem Geltungsbereich der neuen EU-Verpackungsverordnung ausgeklammert werden.
In Teilen bereits recycelt
„Holzpackmittel sind Produkte der Kreislaufwirtschaft: Sie enthalten in vielen Teilprodukten bereits Recyclingholz und sind ihrerseits recyclingfähig. Daran ist nichts falsch, daran ist im Gegenteil alles gut“, argumentiert Anemon Strohmeyer vom Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie (VHI) in einer Aussendung. „Doch das wird im aktuellen Verordnungsentwurf mit seinen Mindestrecyclingvorgaben und der noch nicht ganz vom Tisch gefegten Idee eines Closed Loop, mit dem eine Palette wieder zu einer Palette recycelt werden müsste, nicht berücksichtigt.“
Regeln zu Holzverpackungen haben in den Verhandlungen zur Verordnung bereits einmal für Kontroversen gesorgt. So bemühten sich Vertreter Frankreichs darum, dass Camembert weiterhin in dünnen Holzdosen verpackt werden darf. Im Europäischen Parlament wurde letztlich eine Ausnahme für nicht vollkommen recycelbare Käseverpackungen vereinbart. Es ist möglich, dass eine ähnliche Ausnahme auch für Holzpaletten formuliert wird. Denn zweifelsfrei ist einer ihrer größten Vorteil, dass sie schon jetzt ohne jeglichen Energieaufwand mehrfach wiederverwendet werden können.