„Auf fruchtbaren Böden darf man nicht bauen“
Warum die Finanzierung nicht nachhaltiger Immobilien teuer wird und wer von der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen ist, erklärt Peter Engert von der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (Ögni).
Die Presse: In vielen Randlagen sind in den letzten Jahrzehnten Neubausiedlungen entstanden, während die Ortskerne veröden. Wäre es nicht wichtiger, den Bestand zu erhalten?
Peter Engert: Auf jeden Fall, nicht zuletzt unter den Aspekten der Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Darüber steht allerdings die EU-Taxonomie-Verordnung, die in Österreich noch nicht angekommen zu sein scheint. Können Sie das erklären?
Künftig müssen berichtspflichtige Unternehmen, die im Besitz von Immobilien sind, Auskunft über die Umweltfreundlichkeit ihrer Objekte geben. Um diese festzustellen, gibt es sechs Umweltziele – eines davon ist die Biodiversität. Demnach darf auf mittelmäßig bis gut fruchtbaren Böden nicht mehr gebaut werden. Selbst wenn eine entsprechende Widmung vorliegt. Sprich: Bauträger können eine taxonomiekonforme Immobilie nur mehr auf „schlechten“Böden errichten?
Entweder das, oder sie nutzen Brachen beziehungsweise Bestandsgebäude.
Verdichtung und Sanierung sind die Themen der Zukunft. Was passiert, wenn sie sich nicht daran halten?
An Nachhaltigkeit führt kein Weg vorbei. Wem das nicht bewusst ist, der wird das noch deutlich spüren: Denn die Finanzierung von nicht nachhaltigen Immobilien wird teurer. Banken haben fehlende Nachhaltigkeit als Risikofaktor erkannt, und selbst in den USA und Asien, wo es keinen EU-Green-Deal gibt, fragen Banken Nachhaltigkeitskriterien ab. Und: Nicht nachhaltige Gebäude lassen sich zunehmend schwieriger verkaufen. Findet sich doch ein Käufer, muss man bei unsanierten oder nicht taxonomiefähigen Gebäuden mit Preisabschlägen zwischen zehn und 30 Prozent rechnen. Ich gehe davon aus, dass die Abschläge künftig zunehmen werden. Sind nur die Bauträger von der EU-Taxonomie betroffen?
Nein, sie gilt auch für Gemeinden, Länder und den Bund. Das bedeutet, Länder werden ein Problem bekommen, wenn sie über die Wohnbauförderung Bauträger finanzieren, die nicht der EU-Taxonomie entsprechend bauen. Denn auch
Bund, Länder und Kommunen sollten seit dem Jahr 2021 Taxonomie-Erklärungen abgeben – bisher ist mir allerdings noch keine einzige bekannt. Apropos Wohnbauförderung: Warum wird in Bundesländern dort der Bau von Reihenhäusern gefördert, wo es weder Kindergärten, Schulen noch Jobs gibt?
Die Bundesländer handeln seit Ewigkeiten widersprüchlich: Einerseits predigen sie, den Bodenverbrauch stoppen zu wollen, andererseits werden Projekte gefördert, die dem widersprechen. Bei großen Projekten wird dann ein Park errichtet – unter dem Aspekt der Biodiversität. Angesichts der dabei erfolgten Bodenversiegelung ist das nahezu peinlich. Die Politik sollte also nicht nur Bauträger, sondern auch sich selbst in die Pflicht nehmen?
Definitiv. Es braucht zum Beispiel Fördersysteme, um die neue Nutzung bestehender Objekte und deren Sanierung stärker zu fördern. Den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu fördern ist zwar nett, reicht aber nicht. Vor allem bei der Sanierung scheint noch viel Luft nach oben.
Absolut, da geht seit Jahrzehnten nichts weiter. Wir haben x Regierungsvorlagen, die eine Sanierungsquote von drei Prozent als Ziel nennen. Geschafft wurden bisher nur rund ein Prozent. Das heißt, 97 Prozent des Gebäudebestandes
in Österreich entsprechen aktuell nicht der EU-Taxonomie. Wollen wir die uns gesteckten Klimaziele erreichen, sollten diese Gebäude bis 2040 saniert sein. Das wird in der Praxis zwar nicht machbar sein, aber wir sollten zumindest damit beginnen. An welchen Schrauben könnte man drehen, damit die Branche schneller nachhaltig wird?
Die EU-Taxonomie sollte endlich in Österreich ankommen – bis jetzt fühlt sich kein Ministerium dafür zuständig. Eine weitere Maßnahme könnte die steuerliche Erleichterung für die Sanierung von Gebäuden von einer „Taxonomierot“zu einer „Taxonomie-grün“Klassifizierung sein. Den Mietpreisdeckel halte ich in diesem Zusammenhang übrigens für kontraproduktiv: Jeder weiß, dass die Hauptkosten aus dem Energieverbrauch kommen. Wird saniert, sinken die Betriebskosten, und Wohnen wird günstiger. Bei einem Mietpreisdeckel fehlt den Eigentümern das Geld zur Sanierung. Schließlich sind Banken bei Krediten zur Immobiliensanierung zurückhaltend, da der Eigentümer dadurch keinen Mehrertrag erwirtschaftet.