„Putin muss an den Verhandlungstisch“
In Frankreich plädierte Kanzler Nehammer für Friedensgespräche mit Russland.
Wien/Berlin/Kiew. Ein Treffen in Paris, das den Blick der Weltöffentlichkeit wieder auf die schwierige militärische Lage in der Ukraine lenken soll: Kurzfristig hat Emmanuel Macron nicht weniger als 20 Staatsund Regierungschef nach Frankreich gerufen, der Einladung folgte unter anderen Bundeskanzler Karl Nehammer. Im Vorfeld des Sondergipfels war von einer „Standortbestimmung“die Rede, und von „strategischen Diskussionen zur weiteren Vorgangsweise“. Man müsse verstärkt die Länder des globalen Südens einbeziehen, um den Druck auf Putin zu erhöhen, sagte Nehammer nach seiner Ankunft in Paris: „Dieser Irrsinn muss ein Ende haben.“
Nehammer betonte, diverse Friedensinitiativen zu unterstützen, „und natürlich muss schlussendlich auch Putin wieder an den Verhandlungstisch geholt werden“. Es sei ihm wichtig, die neutrale Position Österreichs in die Debatte einzubringen; die Solidarität mit der Ukraine sei ungebrochen.
Derzeit ist die Ukraine militärisch in einer sehr schwierigen Lage. Nur rund eine Woche nach dem Rückzug der ukrainischen Truppen aus Awdijiwka haben die russischen Truppen die Kontrolle über die Ortschaft Lastochkyne gewonnen. „Die ukrainischen Streitkräfte haben sich aus Lastochkyne zurückgezogen, um die Verteidigung neu zu organisieren“, wird Militärsprecher Dmytro Lykhoviy in ukrainischen Medien zitiert. Demnach wird eine neue Verteidigungslinie nahe dem Fluss Vovcha gezogen, mehrere Kilometer westlich von Awdijiwka. Die Kämpfe in den Dörfern zwischen dem Fluss und Awdijiwka gehen indessen weiter. Es wird befürchtet, dass die Russen bei ihrer Offensive demnächst die Ortschaften Svitlodarsk und Orlivka ins Visier nehmen.
Nato-Soldaten in der Ukraine?
Den russischen Angriff auf Awdijiwka, einer Stadt im Oblast Donezk mit ehemals 30.000 Einwohnern, konnte die Ukraine fünf Monate lang abwehren. Doch den ukrainischen Streitkräften fehlt schlichtweg die Munition, die sie gegen die russische Artillerie brauchen – und insgesamt ist es kein Geheimnis, dass ohne rasche Munitionslieferungen die Verteidigungslinie zusammenfallen wird. Am Montag betonte der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskjj, dass die EU bisher nur 30 Prozent der bis März versprochenen Artilleriemunition geliefert habe.
Indessen fiel eine kryptische Aussage des slowakischen Ministerpräsidenten, Robert Fico, auf: Mehrere Nato- und EU-Staaten würden auf bilateraler Basis die Entsendung von Soldaten in die Ukraine prüfen. „Ich kann nicht sagen, zu welchem Zweck und was sie dort tun sollten“, so Fico weiter. Möglicherweise sollte dieser Vorschlag ebenfalls in Paris zum Thema werden.
Der deutsche Kanzler, Olaf Scholz (SPD), hingegen sprach sich kurz vor seiner Reise nach Paris erneut dagegen aus, den deutschen Marschflugkörper Taurus an die ukrainische Armee zu liefern. Er deutete an, andernfalls könne das deutsche Engagement als Kriegsbeteiligung gewertet werden. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein“, sagte Scholz vor einer Runde von Chefredakteuren. Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern. Die Programmierung der Hightech-Waffe im Einsatz müsste wohl von deutscher Seite begleitet werden. Vor allem diesen Vorgang sieht Scholz kritisch. (red.)