Boden-Streit spitzt sich zu: „Weniger altes Denken“
Werner Kogler und Johanna Mikl-Leitner diskutieren weiter öffentlich über Bodenschutz. Gegenwind kommt vom Gemeindebund.
Unter den offenen Vorhaben in den verbleibenden Monaten der türkis-grünen Regierung ragt fernab des unwahrscheinlich gewordenen Klimaschutzgesetzes aus Sicht des Juniorpartners ein Projekt heraus: die im Koalitionsprogramm versprochene Begrenzung des Flächenverbrauchs auf durchschnittlich 2,5 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030. Derzeit beträgt er mehr als das Vierfache dessen, die rasante Senkung wollen die Grünen mit verbindlichen Zielen erreichen. Eine Einigung mit den für Raumordnung hauptzuständigen Ländern und Gemeinden konnte man allerdings noch nicht erzielen.
Kogler: Genug gewidmete Flächen
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) griff deshalb in der Vorwoche in die Tasten, er schrieb einen Brief an Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): „Ich bitte dich als aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, positiv auf deine Kollegen in den Bundesländern einzuwirken und die Bundesregierung dabei zu unterstützen, das im Regierungsprogramm festgehaltene Ziel der verbindlichen Begrenzung des täglichen Bodenverbrauchs (…) zu erreichen“, so Kogler.
Mikl-Leitner antwortete ebenfalls via Brief und erklärte, dass sich die Länder grundsätzlich „konstruktiv in die Debatte einbringen“würden und „bereit sind, eine praxistaugliche Bodenschutzstrategie zu finalisieren“. Allein: Abgesehen vom Bodenschutz gebe es „noch viele weitere berechtigte Anliegen“, vom Ausbau der Kinderbetreuung bis hin zu Investitionen in die Energiewende. Mikl-Leitner: „Dafür braucht es auch Flächen.“
Und auch das war noch nicht das Ende der Korrespondenz der beiden Politiker, Kogler meldete sich am Dienstag nämlich erneut zu Wort: „Natürlich geht es um einen praxistauglichen Ausgleich zwischen Ökologie und
Ökonomie. Das heißt, dass wir mit den gewidmeten und brachstehenden Flächen für sozialen Wohnbau, neue Kindergärten und sinnvolle Gewerbe- und Industrieflächen leicht das Auslangen finden“, richtete Kogler der Landeshauptfrau aus. „Aber wenn in Österreich weiter wie bisher Boden zubetoniert wird, dann werden wir in wenigen Generationen kein Gemüse, Obst und Getreide mehr anbauen können“. Generell brauche man „weniger Altes Denken und weniger neuen Beton, das müssen auch die Landeshauptleute und zuständigen Landesrätinnen und Landesräte verstehen“, so Kogler zu MiklLeitner.
Einigen müsste man sich auf neue Ziele im Rahmen der Raumordnungskonferenz mit Ländern und Gemeinden. Doch auf die Frage, wann die nächste große Verhandlungsrunde in diesem Gremium stattfindet, kann die Regierung keinen Termin nennen. Jedoch wird im Vizekanzler-Büro erklärt, dass „laufend“Gespräche mit Beteiligten stattfänden. Die Reform müsse jedenfalls noch in dieser Periode abgeschlossen werden, erklärten die Grünen.
„Globale Klimaziele unrealistisch“
Doch auch aus den Gemeinden kommt Gegenwind: Schon vor Monaten erklärte der Gemeindebund, dass die von Kogler geforderten verbindlichen Ziele „schlichtweg nicht realistisch“seien. Am Dienstag legte Johannes Pressl, neuer Präsident des Gemeindebundes, nach. Zwar bekenne er sich „zu einer massiven Einschränkung des Bodenverbrauchs“, erklärte der ÖVP-Mann auf Ö1. Von „Absolut-Zielen“hält er jedoch nichts: „Wir haben uns über viele Jahre globale Klimaziele vorgenommen, und es ist nicht realistisch, dass wir sie in irgendeiner Form erreichen“, so Pressl. Eine Nachfrage, ob Pressl damit die Pariser Klimaziele gemeint hat, wurde im Gemeindebund bejaht. (kk)