„Die Verwaltung darf nicht verblöden“
Ex-Vizekanzler Clemens Jabloner drängt mit der „Initiative Bessere Verwaltung“im Wahljahr 2024 zu Reformen im Staatsapparat.
Wien. Migration, Sicherheit, die Teuerung und Gesundheitsversorgung: Das Wahljahr 2024 wird in Österreich unter anderem von diesen Themen geprägt werden. Die Verwaltungsreform dürfte hingegen, so wie bei bisherigen Wahlkämpfen, wohl höchstens am Rande auftauchen. Bewusstsein für das Thema schaffen und Impulse für eine Diskussion geben will nun aber die „Initiative Bessere Verwaltung“. Am Dienstag präsentierte der Zusammenschluss aus Wissenschaftlern und (ehemaligen) Spitzenbeamten bei einem Pressegespräch in Wien seine Vorschläge.
„Die Verwaltung darf nicht verblöden“, warnte der ehemalige Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner. Sie müsse ein „Intelligenzfaktor sein“und dürfe „nicht ausfransen in tagespolitisches Gelabere“. Ein Anliegen der Initiative sei, „den Betrieb der Bundesministerien zu verbessern“, sagte Jabloner. Dazu sei in den Ressorts eine Entflechtung von politischer Leitung und fachlicher Vorbereitung notwendig.
Derzeit werde diese Trennung durch sehr große Ministerkabinette in den Ministerien aufgehoben. Ohne Kabinette gehe es zwar in der Praxis nicht: „Wenn sie aber eine bestimmte Größe überschreiten und zu Ministerien über den Ministerien werden, kommt es zu Missständen.“Ebenso problematisch sei es, wenn ausgeschiedene Kabinettsmitarbeiter im Ministeriumsapparat mit Leitungsfunktionen versorgt werden und so den Beamten ihre Karrierewege versperren, kritisierte Jabloner.
Wahljahr als Wechseljahr
Zahlen zur Einordnung: In den Jahren 2021 bis 2023 wechselten laut einer Neos-Anfrageserie 31 Mitarbeiter eines Ministerbüros direkt in die Bundesverwaltung, zwölf davon landeten in Führungspositionen. Heuer könnte sich der Trend wieder verstärken: Denn im Wahljahr 2019 sind mehr als 40 Personen von einem Kabinett in die Verwaltung gewechselt.
Die Initiative setzt sich dafür ein, dass künftige Regierungen die Zahl ihrer Kabinettsmitarbeiter deutlich verkleinern. Auch sollen Doppelfunktionen in Ministerbüros und zugleich in der Verwaltung möglichst vermieden werden. Als möglichen neuen Weg schlägt die Initiative auch vor, die Rolle des Staatssekretärs neu zu denken. Dieser hat laut den Fachleuten nämlich durchaus seine Berechtigung, bisher werde er aber falsch eingesetzt.
Bisher sei der Staatssekretär in den Koalitionsregierungen als Aufpasser in den Ministerien missbraucht worden, sagt Jabloner. Dabei sei dieser verfassungsrechtlich als politisches Hilfsorgan vorgesehen, an das auch die innere Leitung in den Ressorts teilweise delegiert werden kann. „Wenn die Notwendigkeit
besteht, die politische Verantwortung aufzuteilen, sollte man sich der Staatssekretäre entsinnen“, so der Ex-Vizekanzler. Diese müssten sich mit ihrem Handeln dann auch gegenüber dem Nationalrat verantworten.
Neben den Ministern gaben in den vergangenen Jahren aber nicht die Staatssekretäre den Ton an, sondern die Generalsekretäre. Die Funktion gibt es schon länger, doch war sie überschaubar mächtig und diente der Vermittlung und Koordination in den Ressorts. Unter Türkis-Blau wurde sie stark aufgewertet und der Generalsekretär zum Vorgesetzten der Sektionschef und aller der Ministerien nachgeordneten Dienststellen.
Dabei kam es zu fragwürdigen Vorgängen, wie die Amtszeit des Finanz-Generalsekretärs Thomas Schmid oder die umstrittene Organisationsreform im Verteidigungsministerium zeigten. Diese hat ein Generalsekretär orchestriert, der längst in die Privatwirtschaft abgewandert ist. Mit der Umsetzung und den Nachwehen der Reform aber kämpfen Militär und Ressort noch heute. Zwar haben einige Ministerien mittlerweile keinen Generalsekretär mehr. Die Initiative fordert aber, die türkis-blaue Aufwertung der Position allgemein rückgängig zu machen.
Ruf nach Koordinierung
Luft nach oben sieht die Initiative auch bei der strategischen Steuerung des Staates. Hier gebe es erhebliche Defizite, sagte Elisabeth Dearing, Ex-Abteilungsleiterin für Verwaltungsinnovation im Bundeskanzleramt. So würden in Österreich einmal beschlossene Maßnahmen zu wenig evaluiert. Hier mangle es an Evaluierungskultur, da die Furcht bestehe, dass dabei „etwas Schlechtes herauskommen“könnte.
Abhilfe könnte laut der Initiative eine strategische Koordinationsstelle im Bundeskanzleramt schaffen. Dort soll die Strategieentwicklung institutionalisiert werden. Die Politik könnte von dieser Stelle demnach mit Lage- und Umfeldanalysen zu großen Themen und Vorschlägen unterstützt werden. Dass Türkis-Grün mit dem Krisensicherheitsgesetz ein Stück weit in diese Richtung geht, hält Dearing für einen „guten Ansatz für Krisen“. Allerdings sei jenseits davon eine bessere strategische Steuerung erforderlich.