Warum die AUVA nicht „kaputtgespart“wurde
Türkis-Blau hat Einnahmen der Unfallversicherung gekürzt. Trotzdem macht sie immer noch satte Gewinne.
SPÖ-Chef Andreas Babler ist nicht der Einzige, der die frühere türkis-blaue Regierung für die Schließung des Lorenz-Böhler-Spitals verantwortlich macht. Mit der Senkung der Unfallversicherungsbeiträge sei „die öffentliche Gesundheitsversorgung weiter ausgedünnt worden“, während „die Freunde und Großspender von FPÖ und ÖVP über den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds mit Förderungen überhäuft wurden“, so Babler in einer Aussendung. Das komme die Patienten jetzt teuer zu stehen.
Tatsächlich ist der Beitrag für die Unfallversicherung in den vergangenen zehn Jahren gleich drei Mal um jeweils einen Zehntelprozentpunkt gesenkt worden – und zwar unter breiter politischer Beteiligung: 2014 war es die rot-schwarze Regierung mit einem SPÖ-Gesundheitsminister, 2019 TürkisBlau mit einer FPÖ-Ministerin und 2023 Türkis-Grün mit einem grünen Ressortchef.
Optimistische Prognose
Statt 1,4 Prozent der Lohnsumme beträgt der AUVA-Beitrag nun nur noch 1,1 Prozent. 0,1 Prozentpunkte machen rund 125 Millionen Euro an Einnahmen aus. Trotzdem hat die dreimalige Senkung die Sozialversicherung nicht in den Ruin geführt. Im Jahr 2021 gab es ein Minus von sieben Millionen Euro, bei Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro – 2022 verzeichnete die Kasse aber schon wieder ein Plus von knapp 20 Millionen Euro. Und auch die Prognosen sind optimistisch. Der Jahresüberschuss soll heuer 45 Millionen Euro betragen, kommendes Jahr 75 Millionen und 2026 schon 109 Millionen Euro, so die Auskunft des Sozialministeriums auf eine Anfrage von Neos-Mandatar Gerald Loacker.
Dazu muss man wissen: Die Sozialversicherungen kalkulieren in ihrer Gebarungsvorschau traditionell sehr vorsichtig, die tatsächlichen Ergebnisse fallen meist deutlich besser aus. So war für 2022 ein Minus von 28 Millionen Euro vor
gewesen, heraus kam das erwähnte Plus von 20 Millionen Euro.
Zudem kann die Unfallversicherung auf durchaus ausreichende Rücklagen zurückgreifen. Der letzte vorliegende Jahresbericht, jener von 2021, weist Rücklagen von 1,17 Milliarden Euro aus. 300 Millionen Euro davon sind in Immobilien angelegt, also großteils wohl Spitäler und sonstige betriebsnotwendige Gebäude der Versicherung. Fast 700 Millionen Euro hat die AUVA aber in Wertpapieren angelegt oder auf Bankkonten liegen.
Attraktiver Deal
Die für Sozialversicherungsanstalten eher komfortable finanzielle Ausgestaltung ergibt sich aus der historischen Entwicklung. Die AUVA wird im Gegensatz zu den anderen Sozialversicherungen nicht von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam finanziert, sondern rein aus Arbeitgeberbeiträgen. Für die Unternehmen ist das ein durchaus attraktiver Deal: Für die ursprünglich 1,4 – nun 1,1 Prozent – der Lohnsumme übernimmt die AUVA die Haftungsansprüche für Arbeitsunfälle und kommt für Unfallbehandlung sowie Versehrtenrenten auf. Beides beläuft sich übrigens auf rund 500 Millionen Euro pro Jahr, der Rest des 1,5-Mrd.-Euro-Budgets entfällt auf Prävention, Rehabilitation und Verwaltungskosten.
Im Gegensatz zu den Krankenkassen ist die AUVA aber nicht mit massiv steigenden Kosten konfrontiert. Im Gegenteil: Die Veränderung der Arbeitswelt führt zu immer weniger Versicherungsfälhergesagt
len. Einerseits steigt der Anteil der Arbeitnehmer in den wenig unfallträchtigen Büros, andererseits wirken – auch von der AUVA vorangetriebene – Präventionsmaßnahmen in gefährlicherem Arbeitsumfeld. Gab es 1975 noch fast 6000 Arbeitsunfälle pro 100.000 Versicherten, so waren es 2022 nur noch 1764. Und das bei einer gesteigerten Einnahmensituation, die ja an die Entwicklung der Löhne gekoppelt ist.
Zerschlagungspläne
Es war wohl diese Entwicklung, die Türkis-Blau veranlasste, als eines der ersten Reformprojekte 2018 die Finanzierung der Unfallversicherung anzugehen. Das allerdings gleich mit einem Kahlschlag: Der AUVA-Beitrag solle von damals 1,3 auf 0,8 Prozent gesenkt werden, so die ersten Pläne. Und wenn die AUVA die Einsparungen nicht schaffe, werde man sie ganz auflösen, kündigte die damalige Gesundheitsministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), an.
Diese Forderung an die Sozialversicherung lag im Bereich des Unmöglichen. Bei verbleibenden Einnahmen von 800 Mio. Euro hätten allein 500 Mio. für gesetzlich fixierte Rentenzahlungen ausgegeben werden müssen. Spitalsbehandlungen und Rehab wären nicht mehr finanzierbar gewesen, andere Aufgaben wie Prävention schon gar nicht.
Nach etlichen Protesten hat sich Türkis-Blau dann mit einer machbaren Senkung um 0,1 Prozentpunkte begnügt. Damals gab es tatsächlich ein Sparkonzept der AUVA – und eine Verschiebung der Kosten innerhalb der Sozialversicherungen. Da werden nämlich Leistungen hin und her verrechnet : Die Krankenkassen zahlen für Freizeitunfälle, die in AUVA-Spitälern behandelt werden, die AUVA musste damals umgekehrt einen 220Millionen-Euro-Pauschalbetrag an die Gebietskrankenkassen zahlen, weil Arbeitsunfälle auch in den Krankenhäusern behandelt wurden.
Das wurde auf Einzelfallverrechnung umgestellt, was sich aber bald als unpraktisch erwies, so der stellvertretende ÖGK-Obmann, Andreas Huss. Seit zwei Jahren gibt es wieder eine Pauschale – die jetzt aber bei 140 Millionen Euro liegt und damit deutlich niedriger ist. „Valorisiert haben wir schon 100 Millionen verloren“, so Huss.
Hohe Pensionen
Neos-Mandatar Gerald Loacker sieht noch eine Einsparungsmöglichkeit bei der Kasse: Die Verwaltungskosten seien deutlich höher als bei anderen Sozialversicherungen. Diese lagen 2022 bei 120 Millionen Euro und sollen bis 2026 auf 136 Millionen Euro steigen. Ein Grund: Die Personalkosten in der AUVA seien wesentlich höher als in Landes- oder Ordensspitälern. Pro Kopf zahle die AUVA 108.000 Euro, die anderen Spitäler nur 72.000. Ein wesentlicher Faktor für die hohen Verwaltungskosten sind auch die – allerdings auslaufenden – Zusatzpensionen, für die rund 60 Millionen Euro aufgewendet werden müssen.