Die US-Ölindustrie zeigt es allen
Die Schieferölindustrie verhilft den USA zu einer Rekordproduktion. Sie erweist sich dabei als erstaunlich widerstandsfähig.
Die Amerikaner sind immer wieder für Überraschungen gut. Derzeit fördern sie Öl, was das Zeug hält. Ihre Produktion lag im Dezember des Vorjahres bei 13,3 Millionen Barrel täglich, was einem Anstieg von mehr als einer Million Fass pro Tag entspricht. Und auch auf Gesamtjahressicht sind die Zahlen beeindruckend: 4,72 Milliarden Barrel Öl wurden 2023 aus dem Boden geholt, eine Verdoppelung gegenüber 2012. Das ist allerdings noch gar nicht alles. Die USRohölproduktion hat im vergangenen Jahr auch ihr bisheriges Rekordniveau von Ende 2019 überschritten. Das hat freilich einen Grund: Und der heißt Schieferöl.
Die Amerikaner haben all das geschafft, obwohl die Zahl ihrer Bohrtürme zuletzt deutlich zurückgegangen ist. Den Angaben des Ölfeldausrüsters Baker Hughes zufolge gab es im Dezember 2023 durchschnittlich 501 Bohranlagen, während es ein Jahr zuvor noch 623 waren. Die aktiven Öltürme verringerten sich seit 2014 überhaupt um 69 Prozent. Häufig war ein Rückgang bei diesen auch ein Hinweis darauf, ob künftig mit fallendem oder steigendem Output zu rechnen ist. Doch dem scheint nur noch bedingt so zu sein.
Das lässt sich vor allem mit der gestiegenen Produktivität im Bohrsektor erklären. Technische Fortschritte führen nämlich seit einiger Zeit dazu, dass deutlich mehr Öl aus neuen Bohrlöchern geholt werden kann, während auch der Ertrag aus den alten Quellen stabil bleibt.
Überhaupt scheint die Schieferölindustrie ziemlich robust und widerstandsfähig zu sein – das hat sie seit ihrem Aufkommen Anfang der 2010er-Jahre immer wieder recht eindrücklich bewiesen. Als der mächtige Ölproduzent Saudiarabien Mitte der 2010er-Jahre beispielsweise den Ölhahn aufdrehte, um die neu aufgekommene USSchieferindustrie in die Knie zu zwingen, gelang ihr das nur bedingt. Zwar fielen die Ölpreise in den Keller, was die Förderung für
die US-Industrie vielfach unrentabel machte. Ein nachhaltiger Niedergang war der Branche dennoch nicht beschieden.
Auch die Pandemie konnte der Schieferölindustrie nur bedingt etwas anhaben. Zwar sorgte sie dafür, dass Investitionen in Mannschaften und Ausrüstung zurückgingen und sich auch immer weniger Banken bereit erklärten, dem hoch verschuldeten Sektor Kredite zu gewähren. Doch auch das wirkte sich nur teilweise aus. Denn einerseits holten sich viele Schieferölfirmen Private-Equity-Investoren ins Boot, die nach wie vor gewillt waren, Geld zur Verfügung zu stellen. Andererseits hatten die börsennotierten Unternehmen den Druck, auf ihren Cashflow zu achten. „Statt auf Wachstum zu schauen, wurde darauf geachtet, Gewinne zu erzielen“, sagt Hannes Loacker von Raiffeisen Capital Management. Und das kann letztendlich nie schaden.
Preisniveau gesunken
Gleichzeitig ist es für die US-Schieferölindustrie inzwischen auch deutlich leichter geworden, Gewinne zu erzielen, weil der Ölpreis nicht mehr so hoch sein muss, um die Förderung rentabel zu
machen. Haben es viele Unternehmen vor zehn Jahren nicht geschafft, mit einem Preis von 100 Dollar je Fass positiv zu bilanzieren, reichen dieser Tage – je nach Ölfeld – schon 40 bis 60 Dollar, sagt Loacker.
Hinzu kommt eine starke Konsolidierungswelle, die die Branche im Vorjahr erfasst hat. So kaufte etwa der Ölriese Exxon Mobil für 60 Mrd. Dollar den Schieferölproduzenten Pioneer Natural Resources. Chevron wiederum schluckte für gut 53 Mrd. Dollar den kleineren Konkurrenten Hess und auch Occidental Petroleum legte rund zwölf Mrd. Dollar auf den Tisch, um sich
CrownRock einzuverleiben. Diese Fusionen machen die stark fragmentierte Schieferölbranche deutlich widerstandsfähiger, große Firmen haben außerdem leichter Zugang zu Kapital.
Nicht alle aber sind mit der Fusionswelle einverstanden. Auch die Demokraten machen inzwischen mobil. Vor wenigen Tagen haben 50 Senatoren und Abgeordnete die Federal Trade Commission dazu aufgefordert, die Fusionen im Öl- und Gassektor zu untersuchen. Es besteht die Angst vor einem geringeren Wettbewerb, der den Verbrauchern schadet. Ob das die Industrie aufhalten wird? Vermutlich nicht.