Das nette Gespenst des Kommunismus
Warum nennt sich eine Partei unserer Tage KPÖ? Kann man sie guten Gewissens wählen, nach allem, was war? Und lässt sich ihr Programm auf demokratischer Basis umsetzen, ohne Gewalt und kollektiven Zwang?
Das Gespenst des Kommunismus sieht diesmal nicht zum Fürchten aus. Es geht in Salzburg um, heißt Kay-Michael Dankl und könnte Bürgermeister werden. Der Mann mit der studentischen Attitüde führt sein Baby in der Trage aus und kocht Sauerkraut nach Omas Rezept. Einer, der sich für leistbares Wohnen und kleine Leute einsetzt, wie nett. Aber er ist nicht einfach ein linker Politiker, sondern Kommunist, und das muss etwas bedeuten. Was macht eine KPÖ im 21. Jahrhundert? Protestwähler anlocken? Auf die Lust bisher braver Bürger an der Provokation setzen? Oder meinen die das ernst?
Dankl ist bei der schon länger erfolgreichen steirischen KPÖ in die Schule gegangen. Diese hat ein Programm, das über kommunales Kümmern weit hinausreicht: Zentrales Ziel ist die „Aufhebung des kapitalistischen Eigentums an den großen Produktionsmitteln“und die „politische Entmachtung der Kapitalistenklasse“. Oder wie es so hübsch bei Marx hieß: Der „exploitierende Kapitalist“ist zu „expropriieren“. Der wird sich freilich wehren. Wie soll das also funktionieren? Auf demokratischem Weg, mit absoluten Mehrheiten? Die wird es nicht geben. Durch eine Revolution? Sie müsste auf permanent gestellt werden. Denn jeder, der beim gnädig zugelassenen Rest an Marktwirtschaft zu viel Erfolg hat, ist auch künftig zu enteignen. Geht das ohne Gewalt? Ohne Zwang? Gelingt die planwirtschaftliche Steuerung? Anders als in allen Staaten, in denen der Kommunismus real existiert hat?
Was Marx und Engels sagten
Dankl ist Historiker, er hat seine ideologischen Ahnherren sicher genau gelesen. Marx und Engels wollten sich mit der Demokratie und ihren Parteien allenfalls provisorisch einlassen. Nicht um Ausgleich zu suchen, sondern um zu zündeln, bis die Flamme der Revolution entfacht ist. Eine solche Revolution war für Engels „das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittels Gewehren und Kanonen aufzwingt ; und die siegreiche Partei muss dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrecken, den ihre Waffen einflößen“.
Auf dem Schlachtfeld erhebt sich eine Diktatur des Proletariats. Das ist keine Basisdemokratie. Idealistischen Träumern, die sich eine solche erhoffen, erteilte Marx eine Absage: „Die Arbeiter müssen auf die entschiedenste Zentralisation der Gewalt in der Hand der Staatsmacht hinwirken. Sie dürfen sich durch das demokratische Gerede von Freiheit der Gemeinden, von Selbstregierung nicht irremachen lassen.“Freilich sollte die Diktatur nur ein letzter Staat sein, vor der klassenlosen Gesellschaft. „Eine vorübergehende Einrichtung“, wie Engels erklärte, „um
seine Gegner gewaltsam niederzuhalten“. Es sei also „purer Unsinn“, hier von einem freien Staat zu sprechen: Das Proletariat gebrauche ihn „nicht im Interesse der Freiheit“.
Aber endlich, nach Gewalt und Repression, winkt das irdische Paradies. Einen Staat braucht es dann nicht mehr, weil die Ordnung sich von selbst einstellt. Ohne Ungleichheit gäbe es auch keine zwischen
menschlichen Konflikte mehr? Das klingt naiv. Streiten und bekämpfen sich Menschen nicht auch aus anderen Motiven? Nein, behauptet die Lehre vom materiellen Überbau.
Sie verkündet auch: In der klassenlosen Gesellschaft folgen alle derselben Moral, denselben Werten, derselben Kultur. Alle marschieren gern im Gleichschritt. Wir fassen zusammen: In der proletarischen Diktatur
sind zumindest die Angehörigen der besitzenden Klasse entrechtet, ihnen wird die Freiheit abgesprochen und Gewalt angetan. Am utopischen Ziel angelangt, gibt es keine Vielfalt und Pluralität mehr. All dies bewog die deutschen Höchstrichter 1956 dazu, die KPD als unvereinbar mit der freiheitlichen Demokratie anzusehen und als verfassungswidrig zu verbieten.
Das kommunistische Paradies wurde bekanntlich nirgends erreicht. Was Michail Bakunin, der deshalb zum Anarchismus abbog, schon 1872 vorausgesehen hatte: Eine Diktatur des Proletariats habe kein anderes Ziel, „als sich zu verewigen“, und kann „in dem Volk, das sie erträgt, nur Sklaverei zeugen und nähren“. Die letzte Hoffnung, es könne sich weniger grob abspielen, als von den Theoretikern grimmig gedroht, wischte 1918 Lenin vom Tisch: „Es wäre die größte Dummheit und der unsinnigste Utopismus, wollte man annehmen, dass der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus ohne Zwang und ohne Diktatur möglich sei.“Es brauche eben „eine eiserne Hand“. So zog sich die Blutspur von vielen Millionen Opfern durch die Sowjetunion, China und Kambodscha.
Gewalt als „historischer Zufall“
Aber nein, wiegeln die gewandten Verteidiger ab: Es war nur ein Pech, dass die Kommunisten – konträr zu den Prophezeiungen von Marx – nicht in Industriestaaten, sondern in landwirtschaftlich geprägten Entwicklungsländern an die Macht kamen. Dort fehlte die Tradition der Aufklärung, das Fundament der Zivilgesellschaft. Und so hatten die neuen Herrscher eben zu viel Macht über Menschen, die sich nicht wehren konnten. Gewalt und Diktatur kämen nicht aus der Ideologie, sondern seien dem historischen Zufall geschuldet. Man sehe doch an den „Eurokommunisten“der Nachkriegszeit, dass es auch einen demokratischen, gewaltfreien Weg zum selben Ziel gibt.
Das ist eine seltsame Volte. Denn auf den Weg haben sich diese kommunistischen Parteien gewiss gemacht, in Italien, Frankreich und zuletzt in Deutschland, mit der „Linken“als SED-Nachfolgepartei. Aber das Mitwirken an der Demokratie hat auf sie zersetzend gewirkt. Sie mussten einsehen, dass es de facto unmöglich ist, in einer pluralistischen, liberalen Gesellschaft ausreichend viele Bürger für Planwirtschaft und ein totalitäres Gesellschaftsmodell zu begeistern. So haben sich all diese Kommunisten abgeschliffen, zu verfassungstreuen linken Sozialdemokraten.
Und in Österreich? Da fährt die KPÖ bisher auf beiden Gleisen. Sie findet in Graz und Salzburg nicht wenige Wähler, die sie als Caritas der urbanen Kommunalpolitik sympathisch finden und über ihren rabiaten ideologischen Überbau die Schultern zucken. Doch nicht etwa, weil sie die Geschichte der letzten 200 Jahre vergessen haben?