Sprache ist auch Musik
Schauspieler und Sänger Ludwig Blochberger lockt mit einer Konzertlesung von „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ins Theater Neue Tribüne.
Bald war ich eine Art Kanarienvogel. Die Kollegen gaben mir immer Wörter zum Nachsprechen. Bald konnte ich die unterschiedlichsten österreichischen Dialekte. Trotzdem war ich bald der ,Piefke‘ und der ,Nazi‘.“
Knaben können grausam sein, sogar bei den Wiener Sängerknaben, zu denen es Ludwig Blochberger zu Beginn der Neunzigerjahre verschlug. Sein Vater, Lutz, hatte damals gerade ein Engagement unter Claus Peymann am Burgtheater angetreten.
Die Idee, den Filius sängerisch zu beschäftigen, kam eher zufällig. Ein Kollege schickte seinen Sohn zum Vorsingen, also wurde Blochberger Junior gleich mitgeschickt. Und bestand die Aufnahmeprüfung. Das war zunächst der Beginn einer Periode des Leidens. „Ich hatte Probleme mit dem Internatsleben und haute zweimal ab.“
Dann aber lockten die Tourneen nach Fernost und in die USA. „Das hat mich verlockt. Mit neuneinhalb Jahren war ich dreieinhalb Monate weg von den Eltern. Weg in einer Zeit, in der es weder Handy noch Videocall gab. Wir haben einander Briefe geschrieben. Und ja, es war schlimmer im Augartenpalais als am anderen Ende der Welt.“
„Nicht grimassieren“
Diese schwierige Zeit ausgehalten zu haben, das sollte sich im weiteren Leben für Blochberger noch auszahlen. Sowohl bei Claus Peymann als auch bei Hans Neuenfels war die Fähigkeit zu singen die Eintrittskarte. In einer Regiearbeit des 2022 verstorbenen Regiealtmeisters Neuenfels ist Blochberger derzeit in Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“an der Wiener Staatsoper zu sehen.
Früher hat er auch in der „Zauberflöte“und in „Baal“gespielt. „In den Inszenierungen von Neuenfels sollte Singen und Sprechen die gleiche Qualität haben“, sagt Blochberger und erinnert sich einer Sentenz des Regisseurs: „Sprache ist auch Musik“, lautete einer von Neuenfels’ Glaubenssätzen. Nicht mehr aus seinem System bekommt Blochberger auch dessen Rastschlag: „Nicht grimassieren, sondern beim Spiel denken. Wenn der Gedanke klar ist, dann ist auch das Spiel klar.“
Das beherzigte Blochberger auch abseits von Singspiel und Oper. Etwa in einem Dokudrama, in dem er den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt verkörperte. „Zu seinem 95. Geburtstag gab es eine spezielle Vorführung für ihn, da habe ich ihn dann getroffen. Man hat leider nichts wirklich Persönliches aus ihm herausholen können. Ich habe versucht, das Gespräch auf die Zeit des Nationalsozialismus zu bringen. Dass er von so vielen Vorgängen nichts gewusst hätte, habe ich ihm nicht abgekauft“, sagt Blochberger. „Aber groß zu moralisieren, als Mensch der dritten Generation danach, fand ich dann doch nicht angebracht.“
Neben der klassischen Musik verfolgte der in Ostberlin geborene Schauspieler auch Popmusik. Ein besonderes Faible hegt er als Gitarrist für Neil Young. Dessen Songarchitektur, die gleichermaßen simpel wie anspruchsvoll ist, aber auch dessen Kopfstimme, die so gar nicht zu einem Rockstar passt, haben es ihm angetan. Er hat dessen Lieder gelernt und um die zehn Konzerte des Altmeisters besucht.
Als er dann Navid Kermanis „Das Buch der von Neil Young Getöteten“entdeckte, war ihm klar, dass er dieses Werk auf die Bühne bringen muss. „Und zwar als Konzertlesung. Das ist der beste Terminus dafür, weil es halb/halb passieren wird.“Blochberger wird zur Gitarre zehn Neil-Young-Lieder interpretieren und dazwischen aus dem smarten Büchlein lesen.
Neil Young gegen Koliken
Dies wird im Theater Neue Tribüne passieren, das unter dem Café Landtmann situiert ist. „Da hat sogar einmal Gert Fröbe gespielt“, freut sich der Vater eines dreijährigen Sohnes. Die Initialzündung, sein Buch zu schreiben, hatte Buchautor Kermani nämlich, als er seiner unter Koliken leidenden Tochter in letzter Verzweiflung Neil-Young-Lieder vorgespielt hat. Das hat ihr Leiden deutlich verringert. Blochberger hat das dann tatsächlich auch probiert. „Was soll ich sagen? Es hat funktioniert.“Von der Mitnahme von weinenden und greinenden Säuglingen sollte dennoch tunlichst Abstand genommen werden.