Die geldpolitische Wende kann starten Wende kann starten
Die Schweizer Zentralbank überraschte am Donnerstag mit einer Zinssenkung, und auch die US-Federal Reserve will diesen Schritt bald setzen.
Die Aussicht auf nun wirklich bald sinkende Zinsen hat die Aktienmärkte am Donnerstag in hohe Sphären katapultiert: Der deutsche Leitindex DAX stieg am Vormittag auf über 18.170 Punkte und erklomm damit ein neues Allzeithoch. Auch der japanische Nikkei, der erst vor Kurzem sein 34-JahresHoch überschritt, schwang sich zu einem weiteren Rekord auf. Der breite S&P 500 schloss ebenfalls auf dem historischen Stand von 5200 Punkten. Und auch eine Unze Gold kostete mit 2222 Dollar so viel wie noch nie.
Der Grund für all das: die Notenbanken – allen voran die amerikanische Federal Reserve. Sie hat in ihrer Sitzung am Mittwoch ziemlich deutlich klargemacht, dass sie die Zinsen in diesem Jahr senken wird. Genau das wollten die Finanzmarktteilnehmer auch hören, die Fed gilt schließlich als die wichtigste Notenbank der Welt.
Für große Überraschung sorgte am Donnerstag allerdings die Schweizerische Nationalbank. Völlig unerwartet senkte sie als erste große Zentralbank erstmals seit 2015 die Zinsen – um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent. „Die Lockerung der Geldpolitik wurde möglich, weil die Bekämpfung der Inflation über die letzten zweieinhalb Jahre wirksam war“, erklärte die Institution. Die Teuerung liege seit einigen Monaten wieder unter zwei Prozent und in dem Bereich, den die SNB mit Preisstabilität gleichsetze. Die Inflationsrate in der Schweiz betrug im Februar 1,2 Prozent.
Senkt die Schweiz erneut?
„Mit unserem Entscheid berücksichtigen wir den verminderten Inflationsdruck und die im letzten Jahr erfolgte reale Aufwertung des Frankens“, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan. „Die Zinssenkung unterstützt auch die wirtschaftliche Entwicklung. Die heutige Lockerung stellt somit sicher, dass die monetären Bedingungen angemessen bleiben.“Ökonomen halten nach dem unerwarteten Schritt noch einen weiteren in diesem Jahr für nicht ausgeschlossen. Die geldpolitischen Lagebeurteilungen der SNB erfolgen nur vierteljährlich. Der Franken schwächte sich unmittelbar nach dem Zinsentscheid gegenüber dem Euro ab und fiel auf den tiefsten Stand seit vergangenem Juli. Eine schwächere Währung hilft der exportlastigen Schweiz, ihre Waren im Ausland zu verkaufen.
Die Schweiz hat mit ihrer Maßnahme nun vorweggenommen, was den USA, aber auch der Eurozone noch bevorsteht. Die Fed sieht den Leitzinssatz für die USA am Jahresende bei 4,6 Prozent. Das würde einer Senkung um 0,75 Prozentpunkte im Vergleich zur derzeitigen Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent entsprechen. In welchem Ausmaß die Zinsschritte erfolgen, ist zwar nicht klar, üblich sind aber Veränderungen im Ausmaß von 0,25 Prozentpunkten, was drei Zinsschritte notwendig machen würde. Die Marktteilnehmer rechnen laut CME Fed Watch Tool mit einer ersten geldpolitischen Lockerung im Juni. Seit März 2022 hatte die Fed infolge stark steigender Inflationsraten auch die Leitzin
sen in einem rekordverdächtigen Tempo angehoben, das hohe Niveau seit Juli 2023 aber beibehalten.
Inflation noch nicht besiegt
Die Inflation in den USA, die noch im Sommer vor zwei Jahren bei neun Prozent gelegen ist, ist inzwischen deutlich gesunken. Doch im Februar betrug sie mit 3,2 Prozent wieder etwas mehr als zunächst erwartet. „Die Inflation ist immer noch zu hoch“, sagte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch. Der wichtigste Notenbanker beschied der Inflation, dass sie zwar grundsätzlich auf dem richtigen Weg sei, doch sei dieser „holprig“.
Das hat sich auch zu Jahresbeginn wieder gezeigt. Powell räumte jedoch auch ein, dass saisonale Effekte zu den zuletzt höheren Werten beigetragen haben könnten. Möglicherweise sei der Preisauftrieb im heurigen ersten Halbjahr etwas höher, im zweiten Halbjahr dafür niedriger. Man wisse es nicht und brauche mehr Daten, um sich ein besseres Bild machen zu können. Was man aber jedenfalls sagen könne, ist, dass die Wirtschaft und auch der Arbeitsmarkt robust seien.
Die Federal Reserve veröffentlichte am Mittwoch auch ihre aktualisierten Einschätzungen zu Inflation und Wirtschaftswachstum. Und aus diesen geht sehr deutlich hervor, dass die Zentralbank heuer weiterhin von einer Teuerungsrate im Ausmaß von 2,4 Prozent ausgeht. Erst in zwei Jahren wird die Fed die Inflationsrate wieder auf den Wert von zwei Prozent zurückführen können. Die Leitzinsen dürften aus heutiger Sicht dann aber nach wie vor bei 3,1 Prozent liegen. Dass der Leitzinssatz in Zukunft wieder auf das Vor-CoronaNiveau fällt, hält Powell für eher unwahrscheinlich.
Zudem geht die Zentralbank davon aus, dass die US-Wirtschaft heuer um 2,1 statt um 1,4 Prozent wachsen wird. Die einst befürchtete Rezession in den USA scheint damit vom Tisch. „Die neuerlich optimistischeren Prognosen der Fed zum US-Wachstum mahnen zudem davor, einen allzu steilen Zinsabwärtspfad zu erwarten“, sagt Elmar Völker von LBBW Research. Etwas anders dürfte es bei der EZB sein. Die Eurozone dürfte heuer nur um 0,6 Prozent wachsen, eine Zinssenkung im Juni scheint inzwischen fast so etwas wie eine ausgemachte Sache. Auch wenn die EZB noch Daten abwarten will.