Warum die Märkte der Fed nun glauben
Die Annäherung zwischen Investoren und der Notenbank ist ein wichtiger Grund für die Rallye. Der Prozess ist heikel und noch nicht zu Ende. Anleger sollten auch vermehrt auf einen Index schauen, der ihnen nicht so bekannt ist.
York. Vergangene Woche passierte an den Aktienmärkten etwas, das es zuletzt vor knapp zweieinhalb Jahren gab. Die wichtigsten US-Indizes S&P 500, Nasdaq und Dow Jones beendeten den Handelstag am Mittwoch allesamt mit einem neuen Rekordhoch. Die Partystimmung an den Börsen scheint keine Grenzen zu kennen, die allerkleinsten Rücksetzer werden sofort zum Kauf genutzt, und mit dem Überschreiten der Marke von 5200 Punkten hat der S&P 500 bereits jetzt die meisten Prognosen für das Jahr 2024 übertroffen.
Eine wichtige Rolle dabei spielt die Annäherung zwischen der Notenbank Fed und den Anlegern. Nach dem Treffen der US-Zentralbank vorige Woche bestätigte FedChef Jerome Powell die Aussicht auf drei Zinssenkungen im heurigen Jahr. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Investoren Powell nun glauben. „Wette niemals gegen die Fed“ist ein altbekannter Börsenspruch, der sich einmal mehr bewahrheitet hat – zumindest vorläufig. Noch zu Jahresbeginn gingen die Märkte von fünf bis sechs Zinsschritten für 2024 aus, sie erwarteten also eine Reduktion des Leitzinses um 1,5 Prozentpunkte.
Powell betonte stets, dass er diese Erwartungen für übertrieben hält. Drei Zinsschritte um jeweils einen Viertelprozentpunkt war stets sein „base case“. Die Notenbank blieb auf Kurs, während die Marktteilnehmer eine Kehrtwende vollzogen. Dazu trugen die Inflationszahlen für Jänner und Februar bei, die höher als erwartet ausfielen. Der Verbraucherpreisindex CPI liegt in den USA weiterhin bei einem Wert von mehr als drei Prozent. Ein hohes Zinsniveau wird als nötig erachtet, um die Teuerung in Richtung des Ziels der Fed von zwei Prozent zu senken. Das ist der Grund, warum sich die Erwartungen der Investoren im Vorfeld des Fed-Treffens vorige Woche sogar ins Gegenteil verkehrten. Plötzlich hielt der Markt bloß zwei Zinssenkungen für möglich. Als Powell bestätigte, dass die Geldpolitiker immer noch drei Schritte einplanen, brach an der Wall Street der Jubel aus, und die Indizes legten zu.
Kriege und Wahlen
Kleinanleger, die die Marktentwicklung verstehen wollen, kommen nicht darum herum, ein Auge auf die Zinspolitik der Fed zu werfen. Kaum ein Ereignis, ob Kriege oder Wahlen, beeinflusst die Aktienkurse so sehr wie die Geldpolitik Washingtons. Wiewohl der Kampf ums Weiße Haus 2024 auch für die Börsianer und die Fed eine wichtige Rolle spielen wird. Es ist möglich, dass Powells Timing die Präsidentschaftswahl entscheidet. Wartet die Fed zu lange mit Zinssenkungen und stürzen die USA vor der Wahl in eine Rezession, würde das dem Amtsinhaber Joe Biden schaden. Der Druck auf Powell wird zunehmen. Vehement fordern linksliberale Demokraten um Elizabeth Warren baldige Zinssenkungen.
Soft Landing
Er begegne diesen Forderungen „respektvoll“, sagte Powell. „Aber am Ende des Tages treffen wir unsere eigenen Entscheidungen.“Bisher hielt Powell dem Druck von allen Seiten stand. Gelingt es ihm, das auch weiterhin zu tun, und schafft er es im Schatten der Wahlen, ein „soft landing“hinzulegen – also die Inflation auf zwei Prozent zu bringen, ohne eine Rezession auszulösen –, dann kann diese Rallye an den Märkten auch noch länger weitergehen.
Ein Grund für die Annäherung zwischen den Märkten und der Fed ist auch die Tatsache, dass sich viele Marktteilnehmer auf die falschen Inflationszahlen konzentrieren. Für die Fed ist nicht der Verbraucherpreisindex CPI, sondern der sogenannte PersonalConsumpion-Expenditures-Index PCE entscheidend. Der Warenkorb des PCE beruht auf den tatsächlichen Ausgaben, während der CPI den Warenkorb anhand von Umfragen gewichtet. Der CPI liegt in der aktuellen Inflationswelle stets höher, weshalb er zu Jahresbeginn auch schneller sinken konnte als der PCE. Der schnelle Inflationsrückgang nach CPI war es, der Investoren dazu brachte, von mehr Zinssenkungen auszugehen.
Blick auf den PCE-Index
Nun aber scheint der CPI bei in etwa drei Prozent zu verharren, während der PCE bereits auf 2,4 Prozent gesunken ist. Dass Powell deshalb weiterhin von drei Senkungen ausgeht, sollte nicht überraschen, schließlich fokussiert er sich auf den PCE, der den Fed-Zielwert bereits nahezu erreicht hat. Und die Investoren, die sich eher auf den CPI fokussieren, haben realisiert, dass die Teuerung doch noch nicht endgültig besiegt ist, weshalb sie ihre Erwartungen zurückgeschraubt haben.
Es lohnt sich für Anleger, auch die PCE-Inflation in den USA im Auge zu behalten. Der FebruarWert wird am 29. März publiziert. Ein weiterer Kurssprung ist möglich, wenn die PCE-Teuerung weiter in Richtung zwei Prozent sinkt. Steigt sie unerwartet an, kann es an der Wall Street auch ganz schnell wieder nach unten gehen.