Kopf in den Sand ist kein Zukunftskonzept
Die Wirtschaft wird von einer strukturellen Krise gebremst. Wir brauchen eine Art Eco-Agenda 2030. Leider spricht das im Wahlkampf niemand an.
Also gut schaut das nicht aus, was die Wirtschaftsforscher neulich verkündeten: Wirtschaftliche Stagnation bei der anhaltend höchsten Inflationsrate Westeuropas, die Industrie überhaupt in der Rezession, trostlose Stimmung in der Wirtschaft und unter den Konsumenten. Ein ziemlich giftiger Mix für die wirtschaftliche Zukunft des Landes.
Aber wir haben ja bereits Vorwahlkampf. Da werden die ökonomischen Eggheads in den Parteien sicher schon rotieren, um tragfähige Programme zwecks Wiederbelebung der heimischen Konjunktur auszuarbeiten, glaubt man. Und zwar langfristig tragfähige. Da eine Wohnbauoffensive zur Förderung der Bauwirtschaft, dort ein bisschen Förderung für angehende Krisenbranchen sind ja schön und gut und kurzfristig sicher wirksam, aber sie lösen leider das darunterliegende Problem nicht. Jenes Problem – oder soll man besser sagen: jene Probleme –, die das Land im internationalen Vergleich von der Überholspur auf den Pannenstreifen dirigiert haben.
Haben Sie in diese Richtung schon etwas gehört? Nein? Diese Zukunftsvergessenheit ist zurzeit wohl die größte Bremse für den Wiederaufschwung. Auf wirtschaftspolitischer Ebene erleben wir derzeit einen Mix aus realitätsferner Selbstbeweihräucherung vonseiten der Regierung und kleinlicher Haxelbeißerei, angereichert durch halb lustige Steuerfantasien, vonseiten der Opposition.
Und ja: Allgemeinen Stolz darauf, dass man zwar die Teuerung nicht im Griff hat, aber eh „die Kaufkraft erhalten“konnte. Keiner, auch die Wirtschaftsforscher nicht, sagt klar, dass genau diese „Kaufkrafterhaltung“Teil des Problems ist – auch wenn die Betroffenen das nicht gern hören: Sie hat über überzogene staatliche Hilfen das Budget stark beansprucht und durch inflationsbedingt hohe Lohnsteigerungen die Kostenposition der heimischen Exportwirtschaft gegenüber der europäischen Konkurrenz teilweise deutlich verschlechtert. Das wird uns mittelfristig auf den Kopf fallen.
Die heimische Wirtschaft wird derzeit von einer ganzen Reihe von externen Krisen gebeutelt, für die die hiesige Politik nichts kann. Dass die Berliner Abwrackkoalition unser wichtigstes Export-Zielland samt seiner Paradeindustrien gerade ziemlich ins Schlingern bringt, ist von hier aus beispielsweise nicht beeinflussbar. Dass die deutschen Unternehmen, die gerade in großem Stil abwandern, nach Polen und Ungarn gehen (wenn sie überhaupt in Europa investieren) und nicht nach Österreich, aber sehr wohl.
Vor allem aber: Die aktuelle Schwäche der Konjunktur mag ihre Hauptursache in ringsum grassierenden Krisen haben, aber mittel- und langfristig bremst ein ganz anderer Hemmschuh den Wiederaufschwung: Wir haben es mit einer weitgehend politisch verursachten Strukturkrise zu tun. Mit Überbürokratisierung, einem nicht mehr leistungsorientierten Steuersystem, mit zahlreichen nicht behobenen Ineffizienzen im Föderalismus, im Gesundheitssystem, im reformbedürftigen Pensionssystem. All das bremst – und wird das auch noch tun, wenn die Krisen ringsum vorbei sind. Man betreibt eben nicht ungestraft jahrzehntelang Reformverweigerung.
Das ist das eigentliche Problem. Und das wird mit einer Verbesserung der Konsumentenstimmung, wie die Wirtschaftsforscher bei der jüngsten Prognose zu Scherzen beliebten, leider nicht weggehen. Wirtschaft ist zwar in höherem Maße auch Psychologie, aber Grübeln über das Henne-Ei-Problem, ob die Wirtschaft blutet, weil die Menschen mieselsüchtig sind, oder ob deren Laune im Keller ist, eben weil es der Wirtschaft schlecht geht und sie fühlen, wie ihre Perspektiven schwinden, bringt uns leider nicht weiter.
Was wir brauchen, ist eine Art wirtschaftspolitische Agenda 2030. Ein Programm, das die zahlreichen, längst identifizierten strukturellen Probleme des Landes adressiert und beseitigt. Das würde man sich als wirtschaftlich interessierter und besorgter Mensch in diesem Wahlkampf erwarten. Bisher ist davon leider so ganz und gar nichts zu sehen. Business as usual halt. Wir werden den agileren Volkswirtschaften wohl noch eine Weile nachhinken müssen, bis sich das herumspricht.