Hamas-Führer Deif gießt Öl ins Feuer
Mohammed Deif fordert Muslime zur „Befreiung der al-Aqsa-Moschee“in Jerusalem auf. Bisher ging die Eskalationsstrategie im Ramadan nicht auf.
Wien/Jerusalem. Vor Beginn des Ramadan hatte der Islamische Jihad, zweitgrößte Terrororganisation im Gazastreifen, den muslimischen Fastenmonat zu einem „Monat des Terrors“proklamiert. Ismael Hanyeh, Exilführer der Hamas, wiederum hatte zu Protestmärschen und Unruhen rund um die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem aufgerufen – das drittwichtigste Heiligtum der Muslime. Der Fastenmonat, der am Abend des 10. März begonnen hat, hat die Halbzeit mittlerweile überschritten – der Terror und die Proteste im „Heiligen Land“sind bisher jedoch ausgeblieben.
Da die Strategie des Gewaltexzesses der Terrorgruppen in Jerusalem noch nicht aufgegangen ist, hat Mohammed Deif nun nachgelegt und versucht, Öl ins Feuer zu gießen. In einer rund halbminütigen Audiobotschaft forderte die Nummer zwei der Hamas im Gazastreifen, der Führer der al-AqsaBrigaden, alle Muslime zur „Befreiung der al-Aqsa-Moschee“auf. „Nicht morgen, sondern jetzt.“Sie sollen sich nicht von „Grenzen, Staatsgebilden und Restriktionen“daran hindern lassen.
Deif, der wie Yahya Sinwar – Nummer eins der Hamas in Gaza – lang in israelischen Gefängnissen gesessen ist, gilt mit Sinwar als Mastermind des Terrorangriffs des 7. Oktober. Nach israelischen Angaben soll der militärische Kopf der Terrororganisation im Lauf der Gazakriege beide Beine und einen Arm verloren haben.
Auf der Flucht
Eine Videoaufnahme, die israelischen Soldaten in einem Tunnel im Gazastreifen in die Hände gefallen ist, soll das widerlegen. Die grobkörnigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen ihn angeblich auf der Flucht vor israelischen Suchtrupps. Mehrere Familienmitglieder Deifs sind beim israelischen Bombardement ums Leben gekommen. Er selbst blieb indessen ein Schemen.
Die Schlinge um die HamasFührung, die sich mutmaßlich in Bunkern des Tunnelsystems verschanzt hält, zieht sich zu. Marwan Issa, Deifs Stellvertreter, ist bei einem israelischen Luftangriff vor mehr als einer Woche umgekommen. Das bestätigte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan.
Ismael Hanyeh, der im Exil in Doha lebt, hat sich neulich zu Gesprächen nach Teheran begeben. Das Regime im Iran agiert als Sponsor und Waffenlieferant der Terrororganisation. Hanyeh spielt bei den Verhandlungen über einen Geiseldeal und eine Feuerpause in Katar den Mittelsmann zu Sinwar, zu dem zuletzt freilich der Kontakt abgerissen sein soll.
Die Verhandlungen in Doha stehen wieder einmal vor dem Scheitern. Israel hat bei einigen Forderungen auf Druck der USA nachgegeben, doch die Hamas hält an ihren Bedingungen fest: Abzug der israelischen Truppen und stufenweiser Plan für einen Waffenstillstand. Israel vermutet, dass eine Eskalation zum Ende des Ramadan das Kalkül Sinwars ist. Dies ist ursprünglich auch hinter dem Anschlag des 7. Oktober gestanden – eine Entfesselung aller antiisraelischen Kräfte: von der Hisbollah aus dem Libanon, aus dem Westjordanland, von proiranischen Milizen aus Syrien und den Houthi-Rebellen aus dem Jemen.
Israel hat allerdings die Konfrontation mit den Muslimen auf dem Tempelberg in Jerusalem, der unter der Schirmherrschaft der jordanischen Stiftung Waqf und König Abdullahs steht, vermieden – und jede Provokation durch rechtsextreme Minister wie Itamar Ben-Gvir, den radikalen Vertreter der Siedlerbewegung, unterlassen. Der Sicherheitsminister hatte mit seinem symbolischen Besuch auf dem Tempelberg im Vorjahr, kurz nach seinem Amtsantritt, Proteste ausgelöst. Vor dem Ramadan herrschte in der Regierung Benjamin Netanjahus die Angst, dass palästinensische Sympathisanten auf dem Plateau mit der al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom die Hamas-Fahne hissen könnten.
Sicherheitsmaßnahmen
Der Zugang für Gebete in der alAqsa-Moschee und auf dem Vorplatz ist offen, auch für ältere Männer – nicht jedoch für jugendliche Hitzköpfe und junge Männer, die in der Vergangenheit als Steinewerfer immer wieder Ausschreitungen ausgelöst haben. Für den Karfreitag, mit der Prozession der Christen durch die Altstadt, die unmittelbar an den Tempelberg grenzt, gelten in der israelischen Hauptstadt maximale Sicherheitsvorkehrungen.