Was ist los mit Erling Haaland?
Der CityStarstürmer kämpft mit einer hartnäckigen Torflaute und wird schon mit ViertligaKickern verglichen. Ist die Kritik berechtigt?
Manchester/Wien. Ein Video wurde dieser Tage wieder ausgiebig geteilt auf den einschlägigen Internetseiten. Es zeigt Manchester-City-Star Erling Haaland beim „Rondo“, jener Trainingsübung, bei der sich im Kreis stehende Kicker auf engstem Raum den Ball zuspielen, während die Spieler innerhalb des Kreises versuchen, den Ball zu erwischen – ein „Höscherl“würde man hierzulande sagen. Nur will Haaland dabei so gar nicht in dieses perfekt eingespielte City-Starensemble der Ballkünstler und Edeltechniker passen. Ein ums andere Mal verstolpert er den Ball oder produziert Fehlpässe.
Die Szene steht sinnbildlich für die Kritik, die der 23-jährige norwegische Starstürmer gerade einstecken muss und die längst hämische Züge angenommen hat. Allen voran der englische TV-Experte Roy Keane polterte nach dem Spitzenspiel gegen Arsenal (0:0): „Vor dem Tor ist er der Beste der Welt, aber sein allgemeines Spiel ist armselig. Er ist fast wie ein Spieler aus der League Two (vierte englische Liga, Anm.).“
Wobei Roy Keane nicht nur als Manchester-United-Kapitän berühmt wurde, sondern einst auch mit einem brutalen Revanchefoul an Alf-Inge Haaland, dem Vater von Erling. Doch Keane ist nicht allein, auch TV-Kollege Gary Neville ging hart mit Haaland ins Gericht: „Es sah aus, als habe er noch nie Fußball gespielt.“
Fakt ist: Haaland, der zuvor reihenweise Torrekorde in der Premier League pulverisierte (52 Tore in 53 Spielen in der Vorsaison), ringt mit einer hartnäckigen Torflaute, und das auch noch zur Unzeit, wenn Manchester City um die Titel in der Liga (Platz drei, drei Punkte hinter Tabellenführer Liverpool), in der Champions League (Viertelfinale gegen Real Madrid) und im FA Cup (Halbfinale gegen Chelsea) kämpft. In seinen jüngsten fünf Pflichtspielen, darunter auch zwei Freundschaftsspiele mit Norwegens Nationalteam, blieb der Torjäger ohne Treffer.
Nur wenig Spielanteile
Insgesamt verzeichnet Haaland trotzdem noch Topwerte, 29 Tore in 35 Spielen stehen in der laufenden Saison zu Buche. Ein Leistungseinbruch seit seiner Knöchelverletzung rund um den Jahreswechsel aber ist klar erkennbar. Vor allem seine physische Präsenz, einer seiner großen Trümpfe, ist nicht mehr in diesem Maß vorhanden. Ganz unrecht haben die Kritiker also nicht. Denn wenn Haaland seltener trifft, werden zwangsläufig alle Facetten seines Spiels unter die Lupe genommen, und damit auch jene Fähigkeiten, die bei ihm weniger ausgeprägt sind als bei seinen hochbegabten Teamkollegen. Schließlich überzeugte Haaland bis zuletzt vor allem mit seiner Durchsetzungskraft im Strafraum und seiner Abschlussstärke, er traf am laufenden Band, ohne dabei viele Ballkontakte zu benötigen – und ohne auch sonst allzu viel am City-Spiel teilzunehmen. Was nicht erst seit den vergangenen Wochen bekannt ist, nun aber besonders auffällt.
Heute (13.30 Uhr, live, Sky) hat Haaland die nächste Chance, seine Kritiker zu überzeugen, es wartet ein Auswärtsspiel bei Crystal Palace mit Trainer Oliver Glasner. Sein Coach Pep Guardiola, der über Haalands Auftritt bei der von ihm so geliebten RondoÜbung wenig erfreut sein dürfte, konterte jedenfalls alle Kritiker und erklärte: „Er ist der beste Stürmer der Welt.“