„Grüne“Bonds: Echt oder ein Werbegag?
Anleihen. An der Wiener Börse – und nicht nur dort – wächst das ESG-Segment. Aber wie sicher kann man sein, dass auch drin ist, was draufsteht?
Wien. Bei der Geldanlage kommt es auf die Rendite an – daran ist nicht zu rütteln. Für immer mehr Anlegerinnen und Anleger ist das jedoch nicht das einzige Kriterium. Sie wollen auch selbst entscheiden, in welche Projekte ihr Geld fließt, und suchen gezielt nach Anlageprodukten, die ihren Wertvorstellungen entsprechen.
Da kommen dann oft Begriffe wie ethisch, ökologisch oder nachhaltig ins Spiel. Mangels allgemeingültiger Definition hält sich die Aussagekraft solcher Schlagworte jedoch in Grenzen. Deshalb lösen sie auch Misstrauen aus, mit gutem Grund, Stichwort Greenwashing. Mehr Regeln – vor allem auf unionsrechtlicher Ebene – sollen hier nun Klarheit schaffen.
So definiert die Taxonomie-Verordnung, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als nachhaltig gelten. Die Offenlegungsverordnung wiederum verlangt von Anbietern „nachhaltiger“Investmentprodukte, dass sie Informationen darüber liefern, welche Strategie dahintersteckt. „Hellgrüne“Fonds nach „Chapter 8“der Verordnung sind solche, die laut Eigendefinition Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. Die selteneren „dunkelgrünen“Fonds (Chapter 9) wiederum deklarieren sich dahingehend, ein bestimmtes Nachhaltigkeitsziel im Sinne der Taxonomie-Verordnung aktiv zu verfolgen.
Bonds statt Fonds für Risikoaffine
Über die konkrete Mittelverwendung sagt das freilich immer noch wenig aus. Dafür müsste man sich schon mit den im Fonds enthaltenen Einzeltiteln auseinandersetzen.
Oder aber man riskiert es, direkt in Einzeltitel zu investieren – etwa in „Green Bonds“. Diese gibt es teils auch in Stückelungen, die für risikoaffine Privatanleger infrage kommen. „Normalerweise wissen Anleger nicht, was mit ihrem Geld geschieht, Green und Social Bonds ermöglichen das jedoch“, bringt Reinhard Friesenbichler, Geschäftsführer der auf Nachhaltigkeit spezialisierten
RFU, das Verlockende daran auf den Punkt.
Aber wie sicher kann man sein, dass Unternehmen, die Green Bonds begeben, das Geld dann auch wirklich so verwenden, wie sie es in ihrer Werbung versprechen? Ein Restrisiko bleibt immer, niemand kann garantieren, dass sich alle Emittenten an rechtliche Vorgaben und Selbstverpflichtungen halten.
Die Überschaubarkeit ist immerhin besser. Und Regulative, die Greenwashing vorbeugen sollen, gibt es auch hier. Auf Unionsebene wird der Green Bond Standard ab 21. Dezember 2024 in vollem Umfang anwendbar sein, dann müssen grundsätzlich alle Erlöse aus „Europäischen Green Bonds“in wirtschaftliche Tätigkeiten investiert werden, die an die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie angeglichen sind. Für Wirtschaftsaktivitäten, die noch nicht unter die EU-Taxonomie fallen, bleibt ein sogenannter Flexibilitätsrahmen von 15 Prozent.
Informationen über Projekte, in die investiert wird, müssen die Green-Bonds-Emittenten dann in einem Factsheet veröffentlichen. Und dazu auch eine „Second Party Opinion“einholen – ein Prüfgutachten einer externen Stelle, die bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma registriert ist. Während der Laufzeit der Anleihe gelten dazu weitere Offenlegungs- und Prüfpflichten.
Und ähnliche Verfahren gibt es auch derzeit schon. Das ESG-Segment an der Wiener Börse, in dem nachhaltige Anleihen gelistet sind, hat ein eigenes Regelwerk, das sich an den „Green Bond Principles“der International Capital Market Association (ICMA) – einem freiwilligen Branchenstandard – orientiert. Eine externe Überprüfung durch eine ESG-Ratingagentur ist hier ebenfalls vorgesehen.
In „grüne“KMU investieren
Geprüft werde dabei nicht nur, ob das Geld überhaupt in das angegebene Projekt fließt, sagt Friesenbichler, dessen Agentur solche „Second Party Opinions“erstellt. Die Mittel müssen auch weiterhin zweckentsprechend verwendet werden, falls das Projekt z. B. schon vor dem Laufzeitende abgeschlossen wird oder aus irgendeinem Grund nicht weiterverfolgt werden kann. „Für solche Fälle muss es Mechanismen für eine adäquate Ersatzveranlagung geben.“
Neben Anleihen, die Einzelprojekte finanzieren, können auch Projektpools gebildet werden, die Emittenten sind dann typischerweise Banken. „Für einen Green Pool kann sich auch ein KMU qualifizieren, das 80.000 Euro z. B. für Fotovoltaik braucht“, sagt Friesenbichler. Damit eröffne sich auch für kleinere Betriebe eine Alternative zum Bankkredit. „Und Anleger sehen genau, in welche Unternehmen sie investieren.“Auch regionale Aspekte könnten dabei eine Rolle spielen.
Gut fürs „grüne“Image
Aus Sicht der Unternehmen sei es nicht zuletzt ein Imageinstrument, sich für einen Green Bond oder für die Teilnahme an einem solchen Projektpool zu qualifizieren, sagt Friesenbichler. Denn es belegt, dass NachResearch-Agentur haltigkeitskriterien erfüllt und nicht bloß behauptet werden. Und die Zielgruppe, die das goutieren könnte, wächst. Insofern kann sich der Aufwand lohnen. Noch ist die Zahl der Emittenten freilich überschaubar: Im ESG-Segment der Wiener Börse waren zuletzt 114 Bonds gelistet (Stand 6. April 2024). Immerhin, die Zahl der Neuemissionen steigt von Jahr zu Jahr. Nur sechs waren es 2018, im vergangenen Jahr bereits 35.