Gehört geöffnet: Läden sollten durchgehend offen sein dürfen
Wer den stationären Handel retten will, sollte Öffnungszeiten liberalisieren – gerade in einem von Tourismus und Freizeitwirtschaft geprägten Land.
Ich arbeite gern, genieße aber die Sonntagsruhe wie wenig sonst (mitunter sogar zum ungestörten Schreiben, also um mit Muße zu arbeiten). An Wochenenden pilgere ich regelmäßig tief in den Wald und genieße die göttliche Ruhe abseits der frequentierten Trampelpfade, wo mir höchstens am Waldrand ein Bauer beim Kontrollieren seiner Bewässerungsrohre begegnet. Die Abgeschiedenheit lässt mich durchatmen, macht den Kopf frei. Auch die Konsumfreiheit fühlt sich gut an. An einem Sonntag ein Einkaufszentrum zu besuchen, käme mir nie in den Sinn; auch wenn das östlich von Wien in Bratislava bequem in Reichweite wäre. Werbung dafür, dort an Sonn- und unseren Feiertagen „stressfrei einzukaufen“, kommt mir beim Radiohören immer wieder unter. Es dürfte also genügend Mitmenschen geben, bei denen solche Lockrufe nicht unerhört verhallen.
Eingekauft habe ich an Sonntagen trotzdem schon – online im Imkershop, Werkzeug auf Willhaben oder Bücher per Mail an meine Buchhändlerin. Manchmal antwortet sie mir gleich. Sie steht zwar nicht im Laden, doch auch sie erledigt am Sonntag Büroarbeit. Auch den Murauer Laib, den ich mir vor meinen ausgedehnten Waldgängen gern gönne – ein herrlich saftiges Roggenbrot, ohne Hefe auf Sauerteigbasis gebacken –, hole ich mir frisch vom Bäcker, wo ich bereits frühmorgens freundlich bedient werde. Zu behaupten, der Sonntag wäre allgemein arbeitsfrei, ist also, genau: nicht mehr als eine Behauptung, die weiten Teilen der Bevölkerung weltfremd erscheinen muss. Ich denke an den Pizzaboten, die Eisverkäuferin, den Radiomoderator, den Museumsguide, die Souffleuse, die auch an Sonntagen einspringt und einsagt. Und obwohl ich mich freue, der Polizistin oder der Ärztin an Wochenenden nicht über den Weg zu laufen, bin ich doch froh, dass auch sie Wochenenddienste versehen und den gesellschaftlichen Laden am Laufen halten.
Alles x-mal durchdiskutiert, ich weiß. Trotzdem sollten wir uns bei den Ladenöffnungszeiten fragen, ob wir damit nicht bloß für sakrosankt erklärte Gewohnheiten fortschreiben. Die Beschränkung der Öffnungszeiten bringt den stationären Handel unter Druck, seit das 24/7-Onlineangebot breit angenommen wird. Der Onlineshop liegt schließlich näher als Bratislava. Und die sonntags geöffneten Supermärkte auf Hauptbahnhöfen dienen sehr offensichtlich nicht allein aus dem Urlaub Heimgekehrten für Grundeinkäufe, sondern auch zur Nahversorgung der Nachbarschaft. Bedarf wäre auch anderswo gegeben. Dass der ReweChef fordert, die gesetzliche Beschränkung von 72 auf 80 mögliche Wochenstunden zu ändern, um in Städten bis 23 Uhr und ab sechs Uhr aufsperren zu können, ist nachvollziehbar. Dass die Gewerkschaft abwehrend reagiert, ebenso. Die Rollen sind klar verteilt. Dabei ist es richtig, Erholungsund Ruhephasen gewerkschaftlich abzusichern und sich vielleicht sogar für deren Ausweitung starkzumachen. Sich dabei allerdings auf einen bestimmten Wochentag zu versteifen, der sich einzig aus der Tradition ableiten lässt, ist antiquiert und als unternehmerische Benachteiligung unhaltbar. Zumal für den real existierenden Mitbewerb im Netz keinerlei Einschränkungen gelten.
Für den real existierenden Mitbewerb im Netz gelten keinerlei Einschränkungen.
Wenn der Rewe-Chef aber meint, sonntags solle ruhig geschlossen bleiben („Es ist der Tag der Familie“), dann klingt das eher wie eine Schutzbehauptung. Aus anderen Ländern ist bekannt, dass es sich für Supermärkte manchmal nicht rechnet, am Sonntag aufzusperren. Was wiederum unabhängigen kleinen Läden eine Chance bietet, sich zu behaupten. Konsequent wäre es, die Öffnungszeiten völlig freizugeben. Dass für Selbstbedienungsläden in Verkaufscontainern („Kastlgreißler“) oder Automatenshops (wie es sie mittlerweile von Hohenems bis Gmunden gibt) Öffnungszeitenbeschränkungen gelten, ist sowieso pure Willkür.
Mir persönlich geht nichts ab, wenn die meisten Läden auch künftig am Sonntag geschlossen bleiben. Aber niemand muss und alle sollten dürfen dürfen.