Wenn Zigarettenkauf verboten wird
Die Regierung zieht mit massiven Maßnahmen gegen das Rauchen zu Felde. Laut neuem Gesetz werden Jugendliche, die heuer 15 werden, nie mehr Zigaretten kaufen dürfen.
London. Rishi Sunak bezeichnet es als die „größte gesundheitspolitische Intervention seit einer Generation“. Das Rauchverbot, das die britische Regierung einführen wird, zählt zu den schärfsten weltweit: Es soll dafür sorgen, dass Generation Alpha in Zukunft gar keine Zigaretten mehr kaufen darf. Die Tobacco and Vapes Bill, die Dienstagabend ihre erste Hürde im Unterhaus nehmen sollte, schreibt vor, dass Personen, die am 1. Jänner 2009 oder danach geboren wurden, nie in ihrem Leben legal Zigaretten kaufen können.
Er wolle eine „rauchfreie Generation“schaffen und verhindern, dass „unsere Kinder von schädlichen Zigaretten und anderen Nikotinprodukten abhängig werden“, sagte der Premier, der selbst äußerst gesundheitsbewusst ist – er trinkt nicht, hatte noch nie eine Zigarette im Mund und fastet regelmäßig. Die Vorlage betrifft auch das „Vapen“mit EZigaretten: Minister werden künftig schärfere Vorschriften bei der Verpackung und den Geschmacksrichtungen von EZigaretten machen können, damit sie auf Kinder weniger attraktiv wirken. Gesundheitsministerin Victoria Atkins sagte, dank dem neuen Rauchverbot werden „tausende Leben“gerettet werden.
Großbritannien ist zwar kein Raucherland. Etwa 6,4 Millionen Erwachsene, oder knapp 13 Prozent, stecken sich regelmäßig eine Zigarette an. Das sind im europäischen Vergleich relativ wenige – in Deutschland sind fast 23 Prozent Raucher. Dennoch hat der Tabakgenuss in Großbritannien Folgen: Laut Angaben der Gesundheitsbehörden waren2019 annähernd 80.000 Todesfälle aufs Rauchen zurückzuführen. Im gleichen Jahr führte Tabakkonsum zu einer halben Million Hospitalisierungen.
Johnson: „Das ist bescheuert“
Gesundheitsexperten stehen hinter Sunaks Vorstoß. Steve Turner vom Royal College for Paediatrics and Child Health sagt: „Indem wir Kinder und junge Menschen davon abhalten, von Nikotin und Tabak abhängig zu werden, mindern wir das Risiko, dass sie später in ihrem Leben vermeidbare Krankheiten entwickeln“, etwa Lungenkrebs, Bronchitis oder Herzkrankheiten.
Die Mehrheit der Briten unterstützt das Gesetz. Eine Umfrage des Instituts YouGov kam im Oktober zum Schluss, dass 71 Prozent das Rauchverbot begrüßen. Allerdings gibt es prominente Kritiker: ExPremier Boris Johnson bezeichnet den Plan als „bescheuert“. Er frage sich, weshalb gerade die Partei Winston Churchills – der berühmteste ToryPremier war selten ohne Zigarre im Mundwinkel zu sehen – das Rauchen verbieten wolle. Sunaks Vorgängerin Liz Truss sagte, die Maßnahme sei „zutiefst unkonservativ“.
Die Vorlage sieht vor, dass das Mindestalter, ab dem jemand Tabakprodukte kaufen darf, jedes Jahr um ein Jahr heraufgesetzt wird. Ein Geschäft, das „Minderjährigen“dennoch Zigaretten verkauft, kann zu einer Strafe von 2500 Pfund verdonnert werden. Zusätzlich können die Behörden ein sofortiges Bußgeld von 100 Pfund fordern. Es handelt sich nur um ein Verkaufsverbot – der Konsum bleibt legal. Das könnte merkwürdige Folgen haben: In einigen Jahrzehnten wird beispielsweise ein 39jähriger Mann seine 40jährige Frau bitten müssen, ihm eine Packung Zigaretten zu besorgen, weil er selbst zu jung ist. Auch dürfte es nicht lange dauern, bis das Verbot auf einem Schwarzmarkt umgangen wird.
Vorbild Neuseeland
Parallel zum Verbot müssen andere Hebel betätigt werden, sagt Suchtexpertin Caitlin Notley von der University of East Anglia. Es müsse mehr investiert werden in Prävention und Behandlung. „Es sind die Ärmsten in unserer Gesellschaft, die am häufigsten rauchen“, sagt Notley. Es gehe also auch um soziale Ungleichheit. Mit dem AntiRaucherGesetz übernimmt Großbritannien weltweit eine Führungsrolle. Inspiriert wurde Sunak offenbar von Neuseeland: Unter der ehemaligen Premierministerin Jacinda Ardern verabschiedete das Land ein ähnliches Gesetz – aber die konservative Nachfolgeregierung warf den Plan Ende letzten Jahres über Bord.