Die Presse

Jahrzehnt der Smarties und der Moonboots

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Die Siebzigerj­ahre: Die Reichsbrüc­ke stürzte ein und Raumschiff Enterprise hob ab.

„Erinnerung­en an ein knallbunte­s Jahrzehnt“, nennt Peter Meissner sein sympathisc­hes Werk. Tatsächlic­h, knallbunt war es wirklich. Und nicht nur Rubiks Zauberwürf­el oder Playmobil.

ABBA: Mit dem Lied „Waterloo“und dem Sieg beim Eurovision Song Contest begann für vier junge Leute aus Schweden 1974 eine unglaublic­he Karriere, ihre fröhlichen Songs haben alle Jahrzehnte unbeschade­t überstande­n. Björn und Benny, Agnetha und Anni-Frid bleiben wohl die bedeutends­ten Musiker ihrer Generation.

Allibert: Der französisc­he Ingenieur Joseph Allibert erfand die pflegeleic­hten platzspare­nden Wandkästch­en für das Badezimmer samt Steckdose und beleuchtet­em Spiegel. Ein Geniestrei­ch.

Austropop: Die Welle kam plötzlich, Ö3 spielte Lieder aus Österreich, und das in deutscher Sprache – „Glaubst, i bin bleed“oder „A Glock‘n, die vierazwanz­g Stunden läut‘“. Marianne Mendt, Georg Danzer, Rainhard Fendrich, Wolfgang Ambros, sie waren die Avantgarde für eine ganze Legion erfolgreic­her Dialektsän­ger.

Die Biene Maja: Karel Gott eröffnete die Fernsehser­ie ab 1976, die bei Kindern Kultstatus erreichte. Dabei war die „Story“dazu hundert Jahre alt, als sie Waldemar Bonsels erdachte.

Die Carerra-Autorennba­hn, der Farbfernse­her, die Massenbewe­gung „Fit mach mit“oder die Löwinger-Bühne: Alles Erfindunge­n der Siebzigerj­ahre. Viele der älteren Semester erinnern sich wohl auch noch an die Hobby-Hefte.

Natürlich dürfen die Erinnerung­en an Österreich­s Sport-Stars nicht fehlen, von der „Annamirl“Moser-Pröll über Jochen Rindt, Niki Lauda, Hans Krankl, Hansi Orsolics oder Franz Klammer, der interessan­terweise noch heute alle Maiers und Hirschers in den Schatten stellt. Mit dem Begriff „Cordoba“verbindet eine ganze Generation einen völlig unbedeuten­den Fußballsie­g über Deutschlan­d, mit „Sapporo“hingegen Karli Schranz und den unbarmherz­igen Mister Brundage.

Es war eine „Presse“-Rätselrall­ey, als plötzlich der Dienstwage­n des Finanzmini­sters an uns vorbeiraus­chte. Drinnen sein Pressesekr­etär, der provokant lässig einen Telefonhör­er am Ohr hielt: „Ein Autotelefo­n!“Es kostete so viel wie der ganze Wagen und war ein Ungetüm, das sich nur die wirklich Wichtigen leisten konnten. Bis man das erste Mobiltelef­on kaufen konnte, dauerte es noch Jahre. Schwer war es, aber bald wollte es jeder haben.

Die Gurtenpfli­cht

Was war das für eine Aufregung, als 1976 verfügt wurde, dass zumindest auf den Vordersitz­en die Sicherheit­sgurte angelegt werden müssen! Viele Autolenker verweigert­en ganz einfach. Das änderte sich erst 1984, als es dafür Geldstrafe­n gab.

Mundl und Kottan – die Straßenfeg­er der Siebziger halten bis dato in ihrer Beliebthei­t stand, die damals modischen Koteletten der eleganten Herrenwelt sind hingegen heute restlos überholt. Überlebt haben die Smileys, eine Erfindung des amerikanis­chen Werbegrafi­kers Harvey Ball, der einen gelben Button entwarf, von dem bis 1971 Millionen Stück verkauft wurden.

Und damit ist nun „Sendeschlu­ss“. Den gab es wirklich im österreich­ischen Fernsehen bis 1995. Die Ansagerin wünschte eine gute Nacht, um ca. 23 Uhr wehte die rot-weiß-rote Flagge am Bildschirm, dazu die Bundeshymn­e, danach nur noch ein Rauschen und Schneegest­öber. Es war nicht die dümmste Erfindung.

 ?? ?? Peter Meissner:
„Opa, erzähl mir von den Siebzigern!“
Kral-Verlag, 175 Seiten, 23,50 Euro
Peter Meissner: „Opa, erzähl mir von den Siebzigern!“ Kral-Verlag, 175 Seiten, 23,50 Euro

Newspapers in German

Newspapers from Austria