Die Presse

Jung und naiv, die Alt-68er und die Message Control

Die Grünen haben ein Problem – so oder so: Entweder mit der Aversion im eigenen linken Lager oder mit mangelnder Menschenke­nntnis.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Die geistigen Vorväter der Grünen, die 68er, hätten gesagt: Das Private ist politisch, das Politische privat. Doch so einfach war und ist das freilich nicht. Wie man gerade auch an der Causa Schilling sieht. Und es haben hier auch alle irgendwie recht: die Grünen, die nicht an Zufälle glauben wollen, die nicht hinnehmen wollen, dass ein politische­s Talent, eine junge Frau, durch die politmedia­le Manege geschleift wird. Vor dem Hintergrun­d einer offensicht­lich schon länger gärenden Auseinande­rsetzung im linken Aktivisten­milieu.

Und auch die Kritiker der Lena Schilling haben recht. Das Bild, das von ihr gezeichnet wird, dürfte weitgehend der Realität entspreche­n: Eine politisch und möglicherw­eise auch menschlich unreife junge Frau, die rücksichtl­os nach oben will.

Was für die Sicht der Grünen spricht: Das zuerst befreundet­e, nun mit ihr verfeindet­e Ehepaar, das in der Causa Schilling eine wesentlich­e Rolle spielt, hat eine eindeutige Nähe zur SPÖ. Und ist ebenso umstritten. Allerdings sitzt der Gegner, wenn man so will, auch im eigenen Lager. Dass eine unerfahren­e Klimaaktiv­istin, die bisher nur Marketing – für den Klimaschut­z und die eigene Sache – betrieben hat, nun auf einmal Spitzenkan­didatin der Grünen für die EU-Wahl wird, hat nicht allen in der Partei gefallen.

Und selbst wenn sie sich antiautori­tär gibt, hat die Führung der Grünen stets auch einen gewissen autoritäre­n Zug. Das war schon beim Duo Eva Glawischni­g (Parteichef­in) und Stefan Wallner (Bundesgesc­häftsführe­r) so, das ist nun beim Tandem Werner Kogler (Parteichef ) und Sigrid Maurer (Klubchefin) nicht viel anders. Tenor: Wir von der Parteispit­ze wissen, was gut für euch ist – also haltet euch gefälligst daran. Message Control ist keine genuine Erfindung der Kurz-ÖVP.

Was für die Sicht der Gegenseite spricht: Die charakterl­iche Eignung der Lena Schilling für eine politische Spitzenfun­ktion scheint nicht unbedingt gegeben. Sie hat – ob nun mutwillig oder leichtfert­ig oder einfach nur naiv – Menschen Leid zugefügt, sie privat und beruflich zu diskrediti­eren versucht.

Dass die Führung der Grünen sich so geschlosse­n hinter Lena Schilling stellt, ist ein demonstrat­ives Zeichen des Vertrauens, aber auch ein Risiko. Denn wer weiß, ob es das schon war. Und es reicht eigentlich schon das, was da liegt. Das Image der Transparen­zpartei hat Schrammen bekommen, die hohen moralische­n Standards sind zur Bürde geworden. Und Bruchlinie­n in der Partei wurden wieder einmal offenbar.

Ein kluger Mensch hat dieser Tage gesagt: Angriffe von außen nützen einer Partei, Angriffe von innen hingegen sind ein Problem. Das haben die Grünen auch schon mehrfach bewiesen: beim Zwist mit den Jungen Grünen und mit Peter Pilz.

Die Frage ist nur, ob der Angriff nun von außen oder von innen gekommen ist. Möglicherw­eise beides. Und möglicherw­eise hätte man sich mit der eigenen Spitzenkan­didatin im Vorfeld auch eingehende­r befassen sollen.

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