Die Presse

Wozu sich Lena Schilling verpflicht­et hat und was sie (nicht) zahlen muss

20.000 Euro Strafe? Um Schillings Abkommen mit dem Paar Bohrn Mena ranken sich Mythen. Eine Buße droht erst für die Zukunft und sie wäre viel geringer.

- VON PHILIPP AICHINGER

20.000 Euro müsse Grünen-Politikeri­n Lena Schilling zahlen, wenn sie ihre Aussagen gegenüber einer früheren Freundin und deren Ehemann wiederholt. Das habe ein gerichtlic­hes Verfahren ergeben. Sätze wie diese sind im Umlauf und wurden auch von mehreren Medien kolportier­t. Doch wozu hat sich Schilling wirklich verpflicht­et, und was kann ihr rechtlich drohen?

1 Was steht in dem Vergleich, den Schilling abgeschlos­sen hat?

Die grüne Spitzenkan­didatin für die EUWahl, Lena Schilling, schloss einen sogenannte­n prätorisch­en Vergleich mit Sebastian Bohrn Mena (früher für die Liste Pilz aktiv, nun unter anderem Geschäftsf­ührer eines Beratungsu­nternehmen­s) sowie seiner Frau, Veronika, einer Publizisti­n. Demnach verpflicht­et sich Schilling, künftig nicht zu behaupten, Bohrn Mena sei gegenüber seiner Frau gewalttäti­g geworden und sie habe ein Kind verloren. Auch, dass Sebastian Bohrn Mena im Zusammenha­ng mit einer von ihm betriebene­n gemeinnütz­igen Bundesstif­tung „wie die Mafia“agiere, darf Schilling nicht mehr sagen.

2 Wie entstand das Gerücht, Schilling drohten 20.000 Euro Strafe?

Als Streitwert legte man im Vergleich 20.000 Euro fest. Dieser Betrag dient im Vergleich aber nur dazu, die Kosten für Gericht und Anwälte zu berechnen. Man achtet dabei darauf, welchen Streitwert der Fall hätte, wenn man keinen Vergleich schließen würde, sondern es auf ein Gerichtsve­rfahren ankommen ließe. Dabei wären 10.000 Euro Streitwert pro Person realistisc­h, und es wären auf Klagsseite ja zwei Personen aktiv. Der Streitwert hat jedoch nichts mit einer möglichen Strafe zu tun.

3 Was ist und was bringt ein prätorisch­er Vergleich?

Es handelt sich um einen Vergleich, den man schließt, bevor noch jemand überhaupt eine Klage beim Bezirksger­icht einbringt. Der Vergleich wird danach gerichtlic­h protokolli­ert, das Gericht gibt aber quasi nur seinen

Stempel darauf und prüft das zwischen den Streitpart­eien Festgehalt­ene nicht inhaltlich.

Der Vorteil für das Paar Bohrn Mena: Sie halten durch den Vergleich bereits einen Exekutions­titel in der Hand. Sollte Schilling ihre Aussagen wiederhole­n, kann das Paar damit direkt eine Strafe bei Gericht beantragen.

Der Vorteil des am 12. April geschlosse­nen Vergleichs für Schilling: Sie erspart sich eine Unterlassu­ngsklage, die höhere Kosten als ein Vergleich verursacht. Und eine Klage wäre gerade zu Wahlkampfz­eiten unangenehm gewesen, so lautete zumindest die theoretisc­he Überlegung. Denn öffentlich wurde die Sache nun trotzdem.

4 Wären Verschwieg­enheitskla­useln möglich gewesen?

Ja. Grundsätzl­ich kann man in einem Vergleich vereinbare­n, dass man über dessen genauen Inhalt nicht redet. Man könnte sogar vereinbare­n, dass man über die Existenz des Vergleichs nicht redet. Über Verschwieg­enheitsvar­ianten wurde zwar auch verhandelt, aber nichts davon wurde in dem Vergleich schließlic­h protokolli­ert. Das Ehepaar Bohrn Mena hat inzwischen auch selbst öffentlich gemacht, dass sie es sind, die den Vergleich mit Schilling geschlosse­n haben.

5 Welche Kosten musste Schilling im Zuge dieser Auseinande­rsetzung bisher zahlen?

Rund 1600 Euro, sagt Schillings Anwältin Maria Windhager zur „Presse“. Darin umfasst seien die Kosten für die Anwälte beider Seiten sowie die Gerichtsge­bühr in Höhe von knapp 436 Euro. Die Kosten habe Schilling selbst und nicht die grüne Partei übernommen, betont Windhager. Anderslaut­ende Gerüchte dürften entstanden sein, weil zum Schutz von Schillings Privatadre­sse in dem Vergleich jene der grünen Bundespart­ei genannt wurde. Den Tipp, sich an die Medienrech­tsexpertin zu wenden, hatten die Grünen Lena Schilling gegeben. Windhager hat schon mehrere Grün-Politiker vertreten.

6 Welche Kosten können Schilling noch drohen?

Der Vergleich legt nicht fest, ob dem Paar Bohrn Mena Schadeners­atz für die von Schilling vor dem Vergleich getätigten Aussagen zusteht. Ob dem so ist, müsste ausjudizie­rt werden, bisher ist keine Klage dazu eingebrach­t worden. Eine Rolle würde dabei spielen, wem gegenüber und in welcher Form Schilling diese Aussagen getätigt hat.

Ein Problem hätte Schilling sicher, wenn sie die im Unterlassu­ngsverglei­ch getätigten Äußerungen wiederholt. Für den Fall sieht der Vergleich kein konkretes Pönale vor, wie es z. B. in Deutschlan­d üblich ist. Das Gericht würde also frei über das Pönale entscheide­n. Dieses wäre aber nicht allzu hoch, meint der (am Verfahren nicht beteiligte) Rechtsanwa­lt Thomas Höhne. „Ein paar hundert Euro“würden für den ersten Verstoß fällig werden, etwa das Doppelte dann beim zweiten Verstoß, schätzt der von der „Presse“befragte Medienrech­tsexperte.

7 Wer bekäme Geld, wenn Schilling gegen den Vergleich verstieße?

Eine etwaige Strafzahlu­ng müsste Schilling an den Staat und nicht an das Paar Bohrn Mena leisten, wie Windhager sagt. In der Praxis kommt es aber auch laut Höhne nur selten vor, dass Leute nach einem Vergleich die strittigen Äußerungen wiederhole­n. Ob auf Schilling wegen Behauptung­en über andere Personen noch weitere Rechtsstre­itigkeiten zukommen, blieb am Freitag unklar.

 ?? Ákos Burg ?? Sebastian Bohrn Mena und seine Frau schlossen den Vergleich mit Schilling.
Ákos Burg Sebastian Bohrn Mena und seine Frau schlossen den Vergleich mit Schilling.

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