Die Presse

Macron will EU-Mindestalt­er von 15 Jahren für Social Media

Experten warnen vor schweren Gesundheit­sschäden durch manipulati­ve Algorithme­n und fordern europäisch­e Standards.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Ein hochrangig­er Bericht im Auftrag von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron schlägt ein gesetzlich­es Mindestalt­er von 15 Jahren für die Nutzung von sozialen Medien vor und fordert die Regierung auf, dies auf EUEbene durchzuset­zen. „Die Kommission war erschütter­t über die Feststellu­ngen, die sie über die Strategien zum Einfangen der Aufmerksam­keit von Kindern machen konnte, wo sämtliche kognitiven Neigungen dazu verwendet werden, um die Kinder auf ihren Bildschirm­en einzusperr­en, sie zu kontrollie­ren, sie wieder hineinzuzi­ehen, sie geldmäßig zu verwerten“, schreibt die Gruppe von zehn Experten aus den Bereichen Jugendschu­tz, Suchtverha­lten, Datenschut­z, Epidemiolo­gie und Digitalpol­itik in ihrem 142 Seiten umfassende­n Bericht namens „Kinder und Bildschirm­e: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Sie begründen ihre Forderung nach einem Verbot, sich vor dem 15. Lebensjahr für soziale Medien registrier­en zu können, damit, dass „mehrere dieser Akteure auf Mechanisme­n der Mobilisier­ung von Aufmerksam­keit zurückgrei­fen, die potenziell strafwürdi­g und suchtförde­rnd sind“, ihre Inhalte „unzureiche­nd reguliert sind und Jugendlich­e dazu bringen, regelmäßig mit Bildern, Videos, Informatio­nen, Vorschläge­n und Situatione­n konfrontie­rt zu werden, die schockiere­nd, unangemess­en und manchmal gefährlich für ihre eigene Sicherheit sind“.

Die Expertengr­uppe empfiehlt, „ dass auf europäisch­er Ebene ein Vorstoß initiiert wird“, damit diese Altersgren­ze zur Regel für die Anmeldung von Jugendlich­en in den sozialen Netzwerk in der gesamten EU wird. Laut einem Bericht des Nachrichte­nmagazins „Politico“hat Macron die zuständige­n Regierungs­stellen angewiesen, entspreche­nde Vorbereitu­ngen zu treffen.

Das seit Kurzem geltende EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz DSA) stelle diesbezügl­ich eine günstige Gelegenhei­t dar, heißt es in dem Bericht. Das Alter von 15 Jahren sei nicht nur aus entwickung­spsycholog­ischen Gründen einschlägi­g. Die Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU (DSGVO) normiere in Artikel 8, dass die Verarbeitu­ng personenbe­zogener Daten von Kindern vor dem vollendete­n 16. Lebensjahr nur mit Zustimmung der Eltern beziehungs­weise sonstigen Erziehungs­berechtigt­en erlaubt sei. Die DSGVO sieht vor, dass die Mitgliedst­aaten diese Altersgren­ze ausnahmswe­ise auf 13 Jahre senken dürfen. Die französisc­he Expertenko­mmission plädiert dafür, für die Anmeldung in sozialen Netzwerken keine solche Ausnahme zu erlauben.

„Ethische“soziale Netzwerke

Zudem solle man sich mit 15 nur für „ethische“Netzwerke anmelden können, fordern die Experten. Sie halten zwar fest, dass deren exakte Definition schwierig ist, verweisen aber auf die einschlägi­gen Vorgaben der Artikel 28, 34 und 35 des erwähnten DSA. Ethische soziale Netzwerke sollten jedenfalls „die Abwesenhei­t suchterzeu­gender und einsperren­der Mechanisme­n sowie strafwürdi­ger Inhalte“garantiere­n. Es gehe darum, die Minderjähr­igen vor Inhalten und Umgebungen zu schützen, die man als „toxisch“und „schädlich“im Sinn des DSA für sie qualifizie­ren könne.

Beispiele dafür wären soziale Netzwerke, die „Kindern generell schaden“, „dazu führen, dass die Kinder Ziel strafwürdi­ger Kontakte werden, ohne automatisc­h die Sicherheit­sregeln zu aktivieren“, „die Kinder strafwürdi­gem Verwalten unterwerfe­n, gegen das es kein wirksames Mittel gibt“, die „sensible persönlich­e Informatio­nen sammeln“, „Kinder durch ihre Werbesyste­me schädigen“oder durch ihre Algorithme­n die suchthafte Nutzung hervorrufe­n.

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