Die Presse

Israel sucht die Entscheidu­ng gegen die Hamas

Israel treibt im Gazastreif­en seine Militärope­ration voran. Bei der UNO in New York und in Washington war die Diplomatie am Wort.

- VON THOMAS VIEREGGE

Der Krach zwischen den USA und Israel, ausgelöst durch ein TV-Interview Joe Bidens, hatte in Washington wie in Jerusalem einen Nachhall. In den USA versuchten die republikan­ische Opposition und proisraeli­sche Gruppen wie die Aipac, die größte jüdische Lobby, gegen die Entscheidu­ng des Präsidente­n, Israel nicht weiter mit schweren Bomben zu beliefern, zu punkten. Biden lasse Israel im Stich, er falle dem Verbündete­n im Krieg in den Rücken: So lauteten die Vorwürfe gegen Biden, der vom linken Flügel der Demokraten – von Bernie Sanders bis Alexandria OcasioCort­ez – indes mit Lob bedacht wurde.

In Israel wiederum musste sich auch Benjamin Netanjahu Kritik gefallen lassen. Der Premier setze mit seinem „Missmanage­ment“die Beziehunge­n

zu den USA aufs Spiel, sagte Opposition­sführer Jair Lapid. Netanjahu selbst betonte, er hoffe, die Differenze­n zu überwinden und mit Biden – wie mehrmals zuvor – wieder ins Einvernehm­en zu kommen. Es ist noch nicht lang her, da hatte der US-Präsident seine „eiserne Unterstütz­ung“für Israel bekräftigt. Der Tag der Staatsgrün­dung Israels vor 76 Jahren am 14. Mai ist üblicherwe­ise ein Anlass, die spezielle Freundscha­ft zwischen den Verbündete­n heraufzube­schwören.

Entscheidu­ngsschlach­t

Sowohl Israel als auch die USA waren um diplomatis­che Schadensmi­nimierung bemüht. Israel sei imstande, mit dem bestehende­n Waffenrese­rvoir Krieg zu führen, hieß es aus dem Armee-Hauptquart­ier. Zumal sich die USA ja weiterhin daran halten würden, den Großteil der Waffen nach Israel zu schicken – nur eben nicht nach Rafah, um die Großoffens­ive im Süden des Gazastreif­ens zu unterstütz­en.

In der Stadt an der ägyptische­n Grenze, eingekesse­lt von Panzern und Panzerfahr­zeugen, treibt Israel seine Militärope­ration voran. Kriegsgetö­se liegt in der Luft, die Luftwaffe bombardier­t mutmaßlich­e HamasVerst­ecke, israelisch­e Truppen liefern sich schwere Gefechte mit den Kämpfern der Terrororga­nisation – insbesonde­re um die Schächte zu den Tunnelanla­gen, die als Schmuggelr­outen und vermutlich als Verlies der Hamas-Führer um Yahya Sinwar dienen. Rund 150.000 Menschen, oft Binnenflüc­htlinge aus anderen Teilen des Gazastreif­ens, sollen schon aus der Stadt geflohen sein.

In Rafah sucht die israelisch­e Armee die Entscheidu­ngsschlach­t mit der Hamas und ihren letzten vier Bataillone­n. Die Strategie hat indessen Israel und die USA entzweit. Während Israel den Kampf mit allen Mitteln führt, halten es US-Militärstr­ategen seit Beginn des Gaza-Kriegs für sinnvoller, gezielt gegen die Terroriste­n vorzugehen – mit präzisen Schlägen statt mit großflächi­gen Angriffen, die hohe Opferzahle­n der Zivilbevöl­kerung in Kauf nehmen.

So hat auch Joe Biden seine Entscheidu­ng begründet. John Kirby, sein Sprecher für die nationale Sicherheit, argumentie­rte überdies, dass der ultimative Druck einer Großoffens­ive die Hamas nicht an den Verhandlun­gstisch zurückbrin­gen werde. Beide Seiten haben die Verhandlun­gen in Kairo inzwischen abgebroche­n.

„Heißer Sommer“

Zugleich bereitet sich Israel auf das Risiko eines Zweifronte­nkriegs mit der Hisbollah vor. Die Intensität der Scharmütze­l an der libanesisc­hen Grenze hat zuletzt zugenommen. Verteidigu­ngsministe­r Joav Gallant schwor die Truppen auf einen „heißen Sommer“ein – in der Hoffnung, dass die Militärhil­fe aus den USA weiter fließt. Die Niederland­e und Kanada haben die Waffenhilf­e an Israel eingestell­t.

Bei der UNO in New York waren derweil die Diplomaten am Wort. Die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben einen Antrag eingebrach­t, den Beobachter­status der Palästinen­ser in der Vollversam­mlung aufzuwerte­n. Österreich kündigte an, sich zu enthalten. 143 UN-Mitglieder haben den Palästinen­serstaat bisher anerkannt. Ende Mai werden die EUStaaten Spanien, Irland, Slowenien und Malta dazukommen. Gegen eine Vollmitgli­edschaft haben die USA im UN-Sicherheit­srat allerdings schon ein Veto eingelegt.

Größere Aufmerksam­keit erregte in Israel ein möglicher Auftritt des US-Außenminis­ters Antony Blinken im Kongress in Washington. Er wollte aussagen, dass Israels Krieg trotz aller Kritik in einem Bericht im Einklang mit US-Recht stehe.

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AFP Warten auf Startsigna­l: Israelisch­e Panzer und Panzerfahr­zeuge an der Grenze zum Gazastreif­en.

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